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# taz.de -- Sicherheit um den Görlitzer Park: Lösungsfiktion und Praxis
> Kai Wegner träumt vom schnellen Zaun. Derweil präsentiert der Bezirk ein
> Projekt, das suchtkranken Obdachlosen ganzjährig eine Unterkunft bieten
> soll.
Bild: Will Kai Wegner schließen: Görlitzer Park
Berlin taz | Für den Regierenden ist der Drops in Sachen Görlitzer Park
bereits gelutscht. „Mein Ziel ist, dass der Zaun so schnell wie möglich
aufgestellt wird und spätestens Anfang nächsten Jahres steht“, hatte Kai
Wegner (CDU) am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Ob er glaubt,
dass damit tatsächlich ein relevanter Beitrag zur Bekämpfung der
Problemlage Obdachlosigkeit, Suchterkrankung und Kriminalität geleistet
ist, hat er nicht gesagt. Offensichtlich geht es vor allem darum, möglichst
schnell ein handfestes Ergebnis der Stärke zu präsentieren.
Für die Details sind sowieso andere zuständig – überraschenderweise die
Senatsumweltverwaltung. Die war zwar nicht an Wegners
[1][Sicherheitsgipfel] vor drei Wochen beteiligt, nun aber hat sie
federführend den Hut auf für eine neue Lenkungsgruppe, die am Donnerstag
erstmals zusammenkommt, geleitet von Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt
(CDU). Eingeladen sind alle Bezirksbürgermeister:innen und ein
halbes Dutzend Senatsverwaltungen, um über das Maßrahmenpaket zur
Verbesserung der Sicherheitslage im öffentlichen Raum zu sprechen.
Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt, Britta Elm,
sagt: „Das geschieht in der besten Absicht, die Situation am Görlitzer Park
in den Griff zu bekommen, denn so kann es nicht weitergehen.“ Erst am
Dienstagabend gegen 20 Uhr hatte es einen Raubüberfall von zwei jungen
Männern auf einen Vater mit seinem erwachsenen Sohn gegeben. Dabei habe
einer der Täter den Vater mit einem Messer bedroht und am Bein verletzt.
Die Täter erbeuteten Geld und konnten fliehen.
Wird es also beim Treffen der Lenkungsgruppe darum gehen, den Zaun
abzusegnen? Britta Elm dementiert: Den Görlitzer Park zu umzäunen und
nachts abzuschließen sei eine Idee der Innensenatorin und des Regierenden
Bürgermeisters. „Es ist noch keine Entscheidung gefallen, es gibt auch
keinen Arbeitsauftrag an eine Firma.“ Womöglich hat sich Wegner mit seiner
markigen Ankündigung zu weit aus dem Fenster gelehnt, zumal der Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg die nächtliche Schließung als schädliche
Symbolpolitik ablehnt.
## Ungelöste Kompetenzfrage
Ob der Senat überhaupt die Kompetenz an sich ziehen darf, den bereits
eingemauerten Park so umzubauen, [2][dass er nachts abschließbar wird],
steht dabei in den Sternen.
In der Rechtsabteilung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg sieht man
nur zwei Möglichkeiten: Die Änderung des Grünanlagengesetzes, um den
Bezirken die Verfügungsgewalt über ihre Parks zu entziehen – was bisher
noch niemand vorgeschlagen hat – oder eine Maßnahme nach dem Allgemeinen
Sicherheits- und Ordnungsgesetz bei einer außerordentlichen Gefahrenlage.
Dies aber ginge nur temporär, also eher tageweise, meint man im Rechtsamt.
Nimmt der Senat dennoch die Zügel in die Hand, könnte, zumindest von
Anwohner:innen, der Klageweg beschritten werden.
Die Pressestelle von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sah sich am
Mittwoch nicht in der Lage, die Anfrage der taz zu beantworten. Ob der Zaun
notfalls auch gegen den Willen des Bezirks realisiert werde, hatte die taz
gefragt und auf welcher Rechtsgrundlage das geschehen könne.
## Unterbirngung in der Gerhart-Hauptmann-Schule
Das ist zurzeit die Lage: Alle Welt diskutiert über einen Zaun, der
allenfalls dazu beitragen würde, dass sich die Situation in den
angrenzenden Wohnbereichen durch Verdrängung des problematischen Klientels
weiter verschärft. Das Bezirksamt hat dem Senat am Mittwoch nun die Pistole
auf die Brust gesetzt.
Auf einer Pressekonferenz in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in der
Ohlauer Straße, keine 100 Meter vom Park entfernt, präsentierte
Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) das Projekt „Ohlauer 365“ �…
ein ganzjähriges Übernachtungsangebot für obdachlose und suchtkranke
Menschen. Das Pikante dabei: Das Projekt ist durchgeplant und könnte
zusammen mit der Johanniter-Unfall-Hilfe und der Drogenhilfe Fixpunkt
sofort realisiert werden. Was aber fehlt, ist die Finanzierung.
Schon jetzt gibt es in den ehemaligen Klassenräumen ein Angebot der
Kältehilfe, allerdings nur von Oktober bis April. Zukünftig will man die 88
Betten auch im übrigen Jahr zur Verfügung stellen, mit
Sozialarbeiter:innen vor Ort und für eine noch bessere Verzahnung
mit den Angeboten der Drogenhilfe, etwa den Konsumräumen in der
Reichenberger Straße und am Kottbusser Tor sorgen. Herrmann sagte: „Wir
erwarten, dass es für nachhaltige Lösungen auch Finanzhilfen vom Senat
gibt.“ Sie werde das Projekt in der Lenkungsgruppe vorstellen.
Der Bezirk könne das Angebot aus eigenen Mitteln nicht stemmen, sagte
Sozialstadtrat Oliver Nöll (Linke). Die Kosten beliefen sich über das Jahr
auf 1,5 Millionen Euro – ein „Beitrag, den sich Berlin leisten könnte und
sollte“, so Nöll und schob hinterher: „Wir brauchen Sozialangebote
dringender als mehr Polizei oder einen Zaun.“
Astrid Leicht von Fixpunkt pflichtete bei: Der Görli sei zum „Symbol für
Probleme geworden“. Nun wolle man „nicht symbolhaft, sondern praktisch“
etwas an den Verhältnissen ändern. Zugleich zeigte sich Leicht besorgt über
die aktuellen Haushaltsverhandlungen, demnach bei Sozial- und
Pflegeprojekten, also auch den Druckräumen, eine Kürzung von 3 Millionen
Euro, 15 Prozent der bisherigen Leistung, drohe.
27 Sep 2023
## LINKS
[1] /Sicherheitsgipfel-des-Berliner-Senats/!5959049
[2] /Nach-dem-Sicherheitsgipfel-in-Berlin/!5956591
## AUTOREN
Erik Peter
Plutonia Plarre
## TAGS
Görlitzer Park
Innere Sicherheit
Berlin-Kreuzberg
Schwarz-rote Koalition in Berlin
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