Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gesellschaftliche Spaltung in Israel: Zoff um Geschlechtertrennung
> Männer hier, Frauen da: So wollten orthodoxe Juden in Tel Aviv öffentlich
> beten. Das trat einen Streit um Religion im öffentlichen Raum los.
Bild: In Israel wird auch an Jom Kippur über Religion im öffentlichen Raum ge…
Jerusalem taz | Der höchste jüdische Feiertag Jom Kippur steht für
gewöhnlich für Versöhnung. Trotzdem sind in Israel dieses Jahr Teilnehmer
öffentlicher Gebete und Gegendemonstranten aneinandergeraten. Die
jüdisch-orthodoxe Organisation Rosch Jehudi wollten entgegen einer
Entscheidung von Israels Oberstem Gericht sowie der Stadtverwaltung von Tel
Aviv am Sonntag- und Montagabend ein geschlechtergetrenntes Gebet auf dem
zentralen Dizengoff-Platz durchführen. Gegendemonstranten verhinderten die
Veranstaltung.
„Als wir ankamen, war die Lage schon angespannt“, erzählt Eran Neuman,
einer der Gegendemonstranten vom Sonntag. Die Organisatoren hätten
versucht, Sichtbarrieren zwischen Männern und Frauen aufzubauen,
Gegendemonstranten hinderten sie daran.
„Sie haben so viele Orte und Synagogen, an denen sie nach ihren Wünschen
beten können, aber im öffentlichen Raum sollen sie sich an die Regeln
halten“, sagt Neuman, der mit seinem Mann und zwei Kindern in Tel Aviv
lebt. „Sie akzeptieren meine Familie nicht, manche ihrer Rabbis sind gegen
Homosexuelle. Ich möchte nicht, dass sie allen anderen im öffentlichen Raum
ihre Regeln aufzwingen.“
Am Sonntag kam es zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen, die
Polizei nahm einen Gegendemonstranten fest. Ähnliche Szenen wiederholten
sich am Montag in Tel Aviv und Berichten zufolge auch in anderen Städten.
## Krise hält seit Jahresbeginn an
Die Vorfälle spiegeln die Krise wider, in der sich das Land seit Anfang des
Jahres befindet. Ausgelöst durch die geplante [1][Schwächung der Justiz]
durch die in Teilen rechtsextreme und religiöse Regierung, finden seit mehr
als neun Monaten wöchentlich Massendemonstrationen statt. Dabei geht es
auch um den seit lange schwelenden [2][Streit um die Rolle von Religion im
öffentlichen Raum].
Der Oberste Gerichtshof hatte am Freitag eine Petition abgelehnt, die
forderte, Geschlechtertrennung bei dem Gebet zu erlauben. In ihrer
Entscheidung schrieben die Richter, Geschlechtertrennung im öffentlichen
Raum sei „mit verbotener Diskriminierung, fehlender Gleichberechtigung und
dem Ausschluss von Frauen“ verbunden.
Wer wegen seiner religiösen Überzeugungen nur in getrennten Räumen beten
könne, dem stünden in Tel Aviv hunderte Synagogen zur Verfügung. Rosch
Jehudi, eine orthodoxe Thoraschule, teilte mit, die Veranstaltung dennoch
durchzuführen.
## Netanjahu spricht von „Linksextremisten“
Die Organisatoren der Gegendemonstration kündigten daraufhin an, „die
Entscheidung des Gerichts mit unseren Körpern zu verteidigen“. Damit
spielten sie auch auf eine anstehende, viel weitreichendere Entscheidung
an: [3][In einem historischen Urteil müssen die Richter in den kommenden
Monaten über einen ersten, bereits verabschiedeten Teil der Justizreform
entscheiden.] Dabei geht es um ein Gesetz, das das Oberste Gericht selbst
in seinen Kompetenzen beschneidet. Regierungschef Benjamin Netanjahu und
der Großteil seiner Minister haben bisher offengelassen, ob sie eine
Aufhebung des Gesetzes anerkennen würden.
Reaktionen führender Politiker auf die Auseinandersetzungen um das
öffentliche Gebet zeigen, wie gespalten Israels jüdische Bevölkerung ist.
Netanjahu kritisierte die Organisatoren der Proteste am Montag auf X als
„Linksextremisten“. Sie hätten am heiligsten Feiertag „gegen Juden währ…
des Gebets randaliert“.
Oppositionsführer Jair Lapid warf ihm vor, zu hetzen, statt seiner Aufgabe
gerecht zu werden und die Situation zu beruhigen. Jom Kippur sei immer „ein
Tag der Rücksichtnahme gewesen“, schrieb Lapid auf X. „Wer getrennt beten
wollte, ging in die Synagoge. Wer gemeinsam beten wollte, betete draußen.
Niemand versuchte, den anderen sein Judentum aufzuzwingen.“
Der Konflikt könnte noch nicht ausgestanden sein: Der rechtsextreme
Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, warf den Demonstranten
vor, sie wollten „das Judentum aus dem öffentlichen Raum vertreiben“. Für
diesen Donnerstagabend kündigte er ein öffentliches Gebet auf dem
Dizengoff-Platz an.
26 Sep 2023
## LINKS
[1] /Israel-billigt-Teil-der-Justizreform/!5946231
[2] /Queerer-Krimi-aus-Tel-Aviv/!5901597
[3] /Historischer-Gerichtstermin/!5959065
## AUTOREN
Felix Wellisch
## TAGS
Israel
Tel Aviv
Benjamin Netanjahu
Jair Lapid
GNS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Buch
Antisemitismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Proteste in Israel: Orthodox und gegen Bibi
Vor allem in Tel Aviv ist der Protest gegen die rechtsreligiöse Koalition
Israels stark. Doch auch bei Siedlern formiert sich Widerstand.
Queerer Krimi aus Tel Aviv: Genderclash in Israel
Yonatan Sagivs „Der letzte Schrei“ ist der erste Fall von Detektiv Oded
Chefer in deutscher Übersetzung. Es ist ein kritisches
Gesellschaftsporträt.
Angriff in Hannover an Jom Kippur: Synagogen-Fenster eingeworfen
Am höchsten jüdischen Feiertag haben Unbekannte die Synagoge Hannover
angegriffen. 150 Gläubige befanden sich zu dieser Zeit für einen
Gottesdienst im Gebäude.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.