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# taz.de -- UN-Menschenrechtsbericht zu Äthiopien: Erst Tigray, dann das ganze…
> Die Experten des UN-Menschenrechtsrats werfen Äthiopien und Eritrea
> „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Tigray vor. Es drohten weitere
> Greuel.
Bild: Von eritreischen Soldaten mit Messern und kochendem Wasser traktiert: Mä…
Berlin taz | „Vergewaltigung durch mehrere Täter, oder durch einen Täter
vaginal, anal und oral, oft vor Kindern in ihrer Obhut oder
Familienangehörigen“, schildert der neue UN-Bericht über Verbrechen in
Äthiopiens Bürgerkriegsregion Tigray das Vorgehen äthiopischer und
eritreischer Soldaten. „Mindestens ein Opfer wurde auf den Leichen ihrer
toten Angehörigen vergewaltigt, unmittelbar nach deren Tötung durch
Äthiopiens Armee.“
Der [1][Abschlussbericht der unabhängigen Äthiopien-Untersuchungskommission
des UN-Menschenrechtsrates] liest sich wie ein Horrorkatalog. Die
Schilderung der Vergewaltigungen von Frauen folgt auf eine Analyse von
Massentötungen an jungen Männern. Die Täter hätten oftmals die ethnische
Gruppe der Tigrayer als Ganzes als Zielscheibe benannt: „Dieses Muster
umfasste Beschreibungen von Tigrayern als ‚Krebsgeschwür‘, den Ausdruck des
Wunsches nach Tötung von Männern und Kindern oder nach Zerstörung der
reproduktiven Kapazitäten von Frauen.“
Der [2][Krieg in Tigray] begann im November 2020 mit einem [3][Aufstand der
dort herrschenden Regionalpartei TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront)] gegen
Äthiopiens Zentralregierung und endete im November 2022 mit einem
[4][Friedensvertrag], in dessen Folge die TPLF wieder in Tigray regieren
darf, sich aber entwaffnen muss. Er gilt als blutigster Konflikt der Welt
in den vergangenen Jahren, mit [5][600.000 Toten nach Schätzung der
Afrikanischen Union].
Noch kein internationaler Untersuchungsbericht ist dem vielfach von
tigrayischer Seite geäußerten Vorwurf eines Völkermordes so nahe gekommen
wie der Bericht der [6][International Commission of Human Rights of Experts
on Ethiopia (ICHREE)], die der UN-Menschenrechtsrat im Dezember 2021 ins
Leben rief und die mit ihrem [7][Zwischenbericht im September 2022] schon
einmal den Zorn der äthiopischen Behörden auf sich gezogen hatte.
Den [8][Völkermordvorwurf] machen sich die UN-Experten nicht zu eigen, sie
werfen aber den Armeen Äthiopiens und Eritreas sowie verbündeten
Amhara-Milizen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tigray vor, wo ein
„ausgedehnter und systematischer Angriff auf die Zivilbevölkerung“
anzunehmen sei. Tigray-Rebellen und ihre Verbündeten hätten ihrerseits in
den Regionen Amhara und Afar „Kriegsverbrechen“ begangen.
## „Der Konflikt ist nicht vorbei“
Dies ist nicht nur Vergangenheitsbewältigung. „Der Konflikt in Tigray ist
nicht vorbei“, warnt die UN-Kommission. Äthiopiens Armee sei abgezogen,
aber „eritreische Truppen und Amhara-Milizen verüben andauernde
Übergriffe“. Auch die Versorgungslage bleibe katastrophal.
Die UN-Experten verweisen auch auf ein hohes Risiko neuer Greueltaten im
ganzen Land im Zusammenhang mit dem Aufflammen weiterer Konflikte etwa in
der Amhara-Region, wo seit August das Kriegsrecht gilt. In ganz Äthiopien
herrsche eine „Politik der Straflosigkeit und der Toleranz für schwere
Menschenrechtsverletzungen“, die Justiz sei „politisiert“ und das
Misstrauen der Bevölkerung in den Staat „verbreitet“.
Die scharfe UN-Kritik an Äthiopiens Regierung dürfte zu einer Konfrontation
bei der bevorstehenden Jahrestagung des UN-Menschenrechtsrats in Genf
führen. Vor einem Jahr scheiterte Äthiopiens Regierung noch mit ihrem
Bestreben, das Mandat der ICHREE zu beenden – es wurde im Oktober 2022 um
ein Jahr verlängert.
Mittlerweile aber ist die internationale Aufmerksamkeit für Äthiopien
gering. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die den
UN-Bericht als Bestätigung ihrer [9][eigenen Untersuchungen] wertet,
[10][warnt bereits] vor Versuchen, das Mandat der UN-Experten im Oktober
nicht weiter zu verlängern.
19 Sep 2023
## LINKS
[1] https://news.un.org/en/story/2023/09/1140872
[2] /Zwei-Jahre-Buergerkrieg-in-Tigray/!5889158
[3] /Krieg-in-Aethiopien/!5726266
[4] /Waffenstillstand-in-Aethiopien/!5889159
[5] https://www.garoweonline.com/en/world/africa/au-peace-envoy-over-600-000-pe…
[6] https://www.ohchr.org/en/hr-bodies/hrc/ichre-ethiopa/index
[7] https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G22/515/29/PDF/G2251529.pdf
[8] /Konflikt-in-Aethiopien/!5811076
[9] https://www.amnesty.org/en/documents/afr25/7152/2023/en/
[10] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/09/un-human-rights-council-mus…
## AUTOREN
Dominic Johnson
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