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# taz.de -- Teetrinken in Istanbul: Der Panzer-Flirt
> Bei jedem Besuch in der Türkei habe ich einen Riesenbammel davor,
> grundlos verhaftet zu werden. Besonders, wenn Panzer unter meinem Balkon
> auffahren.
Bild: Panzer in Istanbul: Hier eine Parade im Jahr 2007 anlässlich des 84. Jah…
Bei meinen lieben Freunden Zafer und seiner Frau Selmanim sitze ich in
[1][Istanbul] gemütlich auf dem Balkon und trinke Tee. Und ich bin froh,
dass ich auf dem Balkon sitze und nicht im Knast.
Jedes Jahr habe ich einen Riesenbammel davor, in der Türkei völlig grundlos
verhaftet zu werden. Politische Empfindlichkeiten sind nämlich von Staat zu
Staat verschieden. In einem Land kann man für eine Sache den Nobelpreis
bekommen, in einem anderen Land dafür schnurstracks im Knast landen.
Und just in diesem Moment brettert unter unserem Balkon eine halbe
Panzerdivision vorbei und fährt zwei Mal um den Block herum.
„Du, Zafer, was ist denn hier los? Findet hier wieder ein Militärputsch
statt? Oder wohnst du neuerdings in [2][Syrien]?“, frage ich nervös.
Nach dreißig Minuten ist der Spuk endlich vorbei, und die Panzerkarawane
zieht weiter. Puh! Das war knapp!
Am nächsten Morgen werde ich wieder durch lautes Panzerknattern aus dem
Schlaf hochgeschreckt! Diesmal bleibt das Ungetüm auch noch vor unserem
Haus stehen.
Bei Allah, wegzulaufen wäre in dieser Situation wohl nicht mehr so ratsam.
Wo sie jetzt schon die halbe Armee auf mich angesetzt haben, hat es keinen
Sinn mehr.
Dass diese Panzer mit modernster Abhörtechnik vollgestopft sind, brauche
ich ja nicht zu erwähnen. Deswegen passe ich höllisch auf, dass hier kein
einziges unbedachtes politisches Wort geplappert wird. Wir reden nur noch
über [3][Fußball]. Über die türkische Liga, über die deutsche Liga, über
die spanische und italienische Liga. Danach reden wir über [4][Wasserball].
Am nächsten Tag wiederholt sich der Albtraum! Eins kann ich sagen: Es ist
überhaupt nicht angenehm, mit Panzergeräuschen aufzuwachen. Da ziehe ich
doch meinen nervigen Wecker vor – oder sogar Eminanim.
Heute quatschen Eminanim und ich nur noch über Kochrezepte, um ja nichts
Verfängliches auszuplaudern. Bis mir auffällt, dass das Rezept, von dem
meine Frau gerade so begeistert berichtet, ein [5][kurdisches Rezept] ist.
Also reden wir nur noch über zuckerhaltige Getränke …
Am nächsten Tag im Flugzeug atme ich erleichtert auf: „Eminanim, gut, dass
sie mich nicht verhaftet haben!“
„Wieso denn das? Hast du etwa wieder was rausgeschmuggelt?“
„Nein. Aber was meinst du wohl, warum tagelang dieser Panzer vor unserer
Tür postiert war?“
„Osman, das war doch wegen mir“, lacht sie.
„Wie bitte? Sippenhaft? Wegen mir wollten sie dich verhaften?“
„Na ja, verhaften ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Als dieser
Panzerkonvoi an unserem Haus vorbeifuhr, da war ich auf dem Balkon. Und der
Kommandant Hüseyin hat sich auf der Stelle in mich verguckt. Danach fuhr er
jeden Tag mit seinem Panzer zu uns rüber und versuchte, meine Blicke zu
erheischen.“
„Öhm …“, stammele ich verwirrt.
„Ist nichts passiert. Ich hab dem netten Hüseyin gesagt, ich muss nach
Deutschland zurück. Außerdem bin ich etwas verheiratet.“
15 Sep 2023
## LINKS
[1] /Istanbul/!t5010097
[2] /Unruhen-in-Syrien/!5956395
[3] /Fussball/!t5006538
[4] /Wasserball/!t5611850
[5] https://www.chefkoch.de/rs/s0/kurdische/Rezepte.html
## AUTOREN
Osman Engin
## TAGS
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Opposition in der Türkei
Türkei
Panzer
Satire
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