| # taz.de -- Vom Eishockeyprofi zum Lebenscoach: „Ich war eine Kampfmaschine“ | |
| > Andreas Renz war einer der härtesten deutschen Eishockeyprofis. Heute ist | |
| > er Lebenscoach für Krisen. Seine Botschaft ist „bedingungslose | |
| > Selbstliebe“. | |
| Bild: Hatte seine Gegenspieler so oder so im Griff: Andreas Renz bei der WM 2009 | |
| Als Andreas Renz noch Eishockey spielte, nannten sie ihn „Eisen“, ein hart | |
| verdienter Kampfname. Keiner ging schonungsloser mit sich selbst um als der | |
| Verteidiger aus Schwenningen, keiner ignorierte Schmerzen so erfolgreich | |
| wie er. „Ich war nie ein Filigrantechniker oder Schönspieler, aber ich war | |
| eine Kampfmaschine, weil ich fitter und härter als alle anderen war“, sagt | |
| Renz, inzwischen 46 Jahre alt. | |
| Wahr ist auch: Kaum ein deutscher Eishockeyspieler brachte es trotz | |
| überschaubarer technischer Fertigkeiten so weit wie er, zum Stammspieler in | |
| der Nationalmannschaft, deren Kapitän er eine Zeitlang war, und deutschen | |
| Meister mit den Kölner Haien. Aktiv war er von 1994 bis 2012. | |
| Der Sport ist für Renz inzwischen weitgehend Geschichte. Dem Eishockey ist | |
| er noch dadurch verbunden geblieben, dass er Spiele regelmäßig im Fernsehen | |
| als Experte kommentiert, so auch in der Saison 2023/24 der Deutschen | |
| Eishockey-Liga (DEL), die am kommenden Donnerstag startet. Eishallen sieht | |
| Renz sonst kaum von innen, denn aus dem ehemals Eisernen [1][ist ein | |
| Lebenscoach für Krisen aller Art geworden], ein Weichmetaller, um im Bild | |
| zu bleiben. | |
| Auch optisch hat er sich verändert. Wer Renz nur aus Spielertagen kennt, | |
| wird ihn vermutlich schwer wiedererkennen. Der früher brave, gut frisierte | |
| Kämpfer hat nun lange Haare, einen Mehrtagebart. Und er spricht mit sanfter | |
| Stimme, wenn er seine Botschaften verkündet, von „bedingungsloser | |
| Selbstliebe“ erzählt, die er gefunden und die ihn gerettet habe. | |
| ## Er ist schonungslos ehrlich | |
| Seine Mission: Er will andere Menschen an dem Prozess der Selbstfindung | |
| teilhaben lassen, den er nach dem Profisport durchlebt hat, an seinen | |
| Erkenntnissen bezüglich des Lebenssinns. Deshalb ist er auch als Autor | |
| aktiv geworden. | |
| „Dein härtester Gegner bist du selbst“, lautet der Titel seines kürzlich | |
| erschienenen Buches. „Andreas Renz erzählt vom Loslassen und der Kraft der | |
| Gefühle. Seine Geschichte zeigt, wie die Liebe zu sich selbst das Leben | |
| positiv verändern kann“, heißt es in der Verlagswerbung. | |
| Renz’ eigene Worte klingen so: Es gehe ein wenig um Sport, aber vor allem | |
| „um einen Menschen, der sich verloren und wiedergefunden hat“. Er sei | |
| „schonungslos ehrlich“, verspricht er, und er berichtet unter anderem über | |
| traurig-prägende Erlebnisse aus der Kindheit, über eine gescheiterte Ehe, | |
| wechselnde Affären, toxische Beziehungen und weitere Ingredienzien seines | |
| früher konfusen Privatlebens. | |
| ## Schläger im Auge | |
| Was ist also geschehen, damit der Härteste der Harten auf den Weg der Weis- | |
| und Weichheit gefunden hat? Als einschneidendes Erlebnis beschreibt Renz | |
| das Karriereende, das ihn im Alter von 35 Jahren ereilte. Der Schwarzwälder | |
| musste Schluss machen, da er im Training einen Schläger ins Auge bekam. Es | |
| wurde dabei so sehr lädiert, dass ihm auf der betroffenen Seite bis heute | |
| nur 30 Prozent Sehkraft geblieben sind. „Leistungssport war damit nicht | |
| mehr möglich“, sagt Renz. | |
| Zunächst hatte er noch versucht, damals in Schwenningen, in bester | |
| Eisen-Manier weiterzukämpfen. Es funktionierte aber nicht mehr wie | |
| gewünscht. Seine Leistungen waren schlecht, die Fans pfiffen ihn sogar | |
| gelegentlich aus. [2][„Leistungssport ist schon brutal“], sagt er. „Vorher | |
| hatte ich mit Kampf alles erreicht, jetzt konnte ich nicht mehr kämpfen.“ | |
| Als er es schließlich einsah und aufhörte, brach die Welt des Eisen-Renz | |
| zusammen; ohne Sport, ohne den täglichen Kampf, fehlte ihm die Orientierung | |
| im Leben. „Ich habe gemerkt, ich muss etwas machen, und bin auf den | |
| Selbstfindungsweg gegangen.“ Und der verlief anfänglich sehr holprig und | |
| gefährlich. | |
| ## Früher hat er solche Aussagen belächelt | |
| So bestieg Renz, wie er erzählt, den Kilimandscharo „in einer waghalsigen | |
| Aktion“. Er lief viel zu schnell hoch und wäre fast an der Höhenkrankheit | |
| gestorben. Nachdem er es überstanden hatte und wieder fit war, unternahm er | |
| weitere Abenteuertouren und ging auch in ein Schweigekloster. Den Sinn des | |
| Lebens fand er jedoch immer noch nicht. | |
| Irgendwann versuchte es Renz mit dem Weg nach innen, mit Meditationen, die | |
| ihm offenbar Erleuchtung brachten. Er erkannte, wie er sagt, dass all seine | |
| kämpferischen Aktionen nur den Sinn gehabt hätten, eine innere Leere zu | |
| füllen, Gefühle der Minderwertigkeit zu betäuben. | |
| Renz erzählt: „Der Sport hat alles überdeckt. Durch den Gang in meine | |
| Mitte, das Herz, das Fühlen, Traumen und Kindheitsverletzungen auflösen, | |
| dadurch bin ich bei mir selbst angekommen. Ich bin von meinem härtesten | |
| Gegner zu meinem besten Freund geworden.“ Früher hätte er solche Aussagen | |
| belächelt, gibt er zu: „Ich wusste früher nur: Wenn man hart arbeitet, dann | |
| erreicht man seine Ziele.“ | |
| ## Bereitschaft zur Selbstqual | |
| Schon als Kind hatte er besonders hart kämpfen müssen, sein Weg in den | |
| schnellen Kufensport war schwer. Zunächst versuchte er es im Fußball. „Dort | |
| wurde ich aber weggeschickt, weil ich zu schlecht war“, sagt er. So kam er | |
| im Alter von zehn Jahren zum Eishockey, was in dem koordinativ höchst | |
| anspruchsvollen Sport sehr spät ist, meist zu spät, um weit zu kommen. | |
| Viele Kinder fangen mit fünf oder sechs Jahren an, manche sogar schon mit | |
| drei Jahren. | |
| Der kleine Andreas Renz wollte es trotzdem wissen. Nach seiner Abfuhr beim | |
| Fußball habe er sich geschworen: „Ich werde nie wieder weggeschickt, ich | |
| werde allen zeigen, dass ich dazugehöre. Dann wurde ich eine | |
| Leistungsmaschine. Das war einerseits der Motor meiner Karriere, auf der | |
| anderen Seite war ich immer getrieben von diesem Gefühl, nicht gut genug zu | |
| sein.“ | |
| Sein Einsatz und Arbeitswille waren so groß, dass er es schaffte, mit 17 | |
| Jahren gut genug zu sein, um in Schwenningen Profi zu werden. „Wenn die | |
| anderen aufgehört haben zu trainieren, habe ich erst richtig angefangen. | |
| Ich war es gewohnt, mich zu quälen.“ | |
| ## Sein Markenzeichen: unkaputtbar | |
| Das machte sich auch im Umgang mit Verletzungen bemerkbar. [3][In seiner | |
| Zeit bei den Kölner Haien] stand er einmal zwei Wochen nach einer | |
| Herzoperation wieder auf dem Eis. Ein Kreuzbandriss? Auch kein Problem für | |
| den Eisernen, denn unter der Eishockey-Ausrüstung lässt sich schließlich | |
| eine Bandage tragen. So spielte Renz drei Wochen nach der schweren | |
| Knieverletzung wieder, wo andere Spieler ein halbes Jahr pausieren. | |
| Heute sieht er es so: „Mein Markenzeichen war es, unkaputtbar zu sein. Das | |
| war sicher nicht gesund. Ich weiß inzwischen: So leben Menschen nicht nur | |
| im Sport, sondern auch in anderen Lebensbereichen, gegen den Körper und | |
| gegen die Gesundheit. Zum Beispiel Manager. In diesem Hamsterrad stecken | |
| viele drin, irgendwann knallt es, und sie sind im Burn-out. An dieser | |
| Stelle hole ich Menschen ab mit meiner Geschichte.“ | |
| Mit seiner zweiten Frau und zwei Kindern lebt er heute am Bodensee, | |
| glücklich, wie er sagt, und veranstaltet Coachingseminare. Es gibt auch | |
| einen Podcast von ihm zu Dingen des Lebens, die ihm bedeutsam erscheinen. | |
| „Wie du dich für Wunder öffnest“, lautete unlängst ein Thema, und ein | |
| anderes: „Ein Traum wird Wirklichkeit.“ | |
| Renz ist davon überzeugt, dass seine Erkenntnisse für andere nützlich sein | |
| können, denn er meint: „Wenn ich, einer der ehemals härtesten Typen des | |
| Eishockeys, der Eisen-Renz, Zugang zu meinen Gefühlen und in die | |
| Selbstliebe finden konnte, dann schafft das jeder.“ | |
| 9 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christiane Mitatselis | |
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