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# taz.de -- Oldenburgs Anton-Günther-Reiterdenkmal: Endstation Waschanlage
> Oldenburg weigerte sich 2012, eine von privat spendierte Statue des
> Reichsgrafen Anton Günther vor dem Schloss aufzustellen. Was ist aus ihr
> geworden?
Bild: Es hat sich doch noch ein Plätzchen gefunden: Anton Günther reitet zum …
Stattlichen Reiterstandbildern mit einem mächtigen Regenten hoch zu Ross
wurde früher die Ehre einer recht repräsentativen Standortwahl zuteil: Auf
den zentralen Plätzen historischer Städte, in gepflegten Parkanlagen oder
vor altehrwürdigen Schlössern.
Auf dem zentralen Oldenburger Schlossplatz sollte 2012 im Rahmen einer
forsch forcierten Privatinitiative auch das bronzene Denkmal des
Reichsgrafen Anton Günther von Oldenburg auf seinem Pferd „Kranich“ an
prominenter Stelle herrschaftlichen Glanz versprühen – fast 350 Jahre nach
dem Ableben des Landesherrn. Die Idee aber geriet aus dem Trab, strauchelte
und scheiterte schließlich im Rahmen einer [1][grotesken öffentlichen
Debatte] über Denkmals- und Erinnerungskultur, Geschichtsvergessenheit und
Pferdezucht, die es sogar bis in die FAZ schaffte.
Nun thront das Denkmal nicht vorm hübschen Renaissance-Schloss, wie es
[2][die Initiatoren um den im März verstorbenen, ehemaligen Oldenburger
Oberbürgermeister Horst Milde] (SPD) für statthaft hielten. Der Graf reitet
stattdessen auf dem Gelände einer Autowaschanlage im Stadtteil Kreyenbrück.
Bereits seit 2015 stolzieren Pferd und Reiter dort mit ausgestreckter Gerte
überlebensgroß auf einem Rasenstück, pittoresk umrahmt von Wildschwein und
flüchtendem Hirsch. Der Blick des Grafen führt auf ein Flachdachgebäude mit
Carwash-Plätzen sowie eine Vorrichtung für die maschinelle
Fußmattenreinigung.
Der Inhaber der Anlage, Christian Boes, hatte das tonnenschwere Ensemble
damals aus einer Lagerhalle befreit, nachdem sich keine Einigung mit den
Stadtoberen über den Standort finden ließ. Denn Oldenburgs Kulturausschuss
wollte sich auf den geschenkten Gaul einfach nicht einlassen.
Der 2012 verstorbene, finanzkräftige, lokale Textilunternehmer Klaus Dirks
sowie der Pferdewirt und -fotograf Bernd Eylers hatten die Arbeit beim
Dresdner Pferdebildhauer Walter Hilpert für stolze 100.000 Euro in Auftrag
gegeben und Mitte 2011 bei einem Reitturnier in Rastede
öffentlichkeitswirksam präsentiert. Das Reitervolk war begeistert und für
die privaten Initiatoren und ihren politischen Unterstützer Milde war die
Sache klar: Der Standort für das Reiterdenkmal des 1667 verstorbenen,
letzten Oldenburger Regenten vor dessen früherem Amtssitz im Schloss ist
alternativlos.
Aber nicht nur die mangelnde Absprache mit den Entscheidungsträgern führte
zur Ablehnung des Stellplatzes. Nein, man war in Oldenburg auch einfach
nicht gewillt, ein Reiterdenkmal zu errichten, das nur so strotzt vor
hochherrschaftlicher Symbolik und Untertanengeist. So etwas habe es „seit
1918 nicht mehr gegeben“, sagte damals Michael Reinbold vom örtlichen
Landesmuseum der FAZ über diesen künstlerischen Anachronismus.
Klassische Reiterstandbilder seien zwar seit der Antike ein bekanntes Motiv
der Kunstgeschichte, „von jeher aber auch ein Machtsymbol zur Propagierung
von Herrschaftsinteressen“, kommentierte der Historiker Stephan Scholz,
Experte für Erinnerungskultur und Denkmalgeschichte an der Universität
Oldenburg, in einem inzwischen abgeschalteten lokalen Online-Magazin die
Debatte. Für den Historiker Reinhart Koselleck stehen solche Statuen
generell für „herrschaftliche Ordnung, männliche Kraft und ruhmreichen
Sieg“.
„Es wurde eine Formsprache gewählt, die ‚völlig aus der Zeit gefallen
ist‘“, bekundete der damalige Oldenburger Oberbürgermeister [3][Gerd
Schwandner] (parteilos) in einem Brief, der Teil einer fast einjährigen, am
Schluss recht ruppigen Korrespondenz zwischen den Initiatoren, der Stadt
und der niedersächsischen Landesregierung war. An die hatten sich Milde und
Co. ganz bewusst [4][von Anfang an gewandt]: Das Schloss und das umgebende
Grundstück befinden sich im Besitz des Landes.
Aus Sicht der Initiatoren stellte sich diese Art der Geschichtsverklärung
um ein historistisches Feudalherren-Denkmal natürlich eher als lehrreiches
und gesundes Geschichtsbewusstsein dar. Für den Ex-OB Milde war Graf Anton
Günther schließlich ein „kluger und verdienter Staatsmann“, der seinem Vo…
nicht nur die heute überregional bekannte Oldenburger Pferdezucht näher
brachte.
Er soll es vor allem gewesen sein, der mit diplomatischem Geschick den
Feldmarschall Tilly von der Belagerung der Stadt abhielt und Oldenburg so
vor den Schrecken des 30-jährigen Krieges bewahrte. Solche Politiker könne
man sich heute nur wünschen, meinte Milde damals.
Die vermeintlichen Verdienste des Grafen um die Pferdezucht und sein
Friedenswille sind unter Historikern indes umstritten. Initiativen für ein
Graf-Anton-Günther-Denkmal wiederum haben eine lange Tradition in
Oldenburg. Schon 1844 rief eine Gruppe patriotischer Honoratioren dazu auf,
„unserem edlen Anton Günther“ ein Denkmal zu setzen. Es scheiterte am Geld
und am Widerstand der demokratischen Wortführer von 1848. Auch der Anfang
des 20. Jahrhunderts gegründete „Graf Anton Günther Denkmalverein“ löste
sich im Zuge der Republikgründung nach dem Ersten Weltkrieg auf. Die Zeit
der Fürstenverehrung war vorbei.
## Viel Programm für Graf-Anton-Günther-Fans
Dabei können sich Graf-Anton-Günther-Fans, von denen es zweifellos einige
gibt in Oldenburg, keineswegs über die mangelnde Präsenz ihres Idols
beschweren. Der ehemalige Herrscher wurde seit Langem als ein
Identifikationssymbol fürs Volk aufgebaut und von der Stadt entsprechend
vermarktet. Eine Straße und eine Schule sind nach ihm benannt, es gibt zwei
große Wandbilder, von denen eines als Vorlage für das umstrittene
Reiterdenkmal diente.
In der großen Oldenburger Lambertikirche befindet sich die öffentlich
zugängliche Grabstätte des Grafen und seiner Gemahlin. Ein berittener
Grafen-Darsteller nebst Knappe rührt im ehemaligen Herrschaftsgebiet
zwischen Jever, Nordenham und Delmenhorst die Werbetrommel für den
alljährlichen Oldenburger Rummel „Kramermarkt“. Diesen hatte Graf Anton
Günther himself 1608 gegründet. Klar, dass sein Darsteller auch beim
entsprechenden Umzug durch die Stadt voran reitet.
Zudem gibt es einen zweiten Guss des Reiterstandbildes. Den hat der
damalige Denkmal-Initiator Bernd Eylers immer mal wieder auf seinen
Anhänger geladen und ist mit dem Gespann „durch das gesamte damalige
Einzugsgebiet des Grafen Anton Günther“ getingelt. Heute steht die
Nachbildung an einem Hühnerhof im Örtchen Munderloh und grüßt die
Autofahrer in Richtung A28.
26 Aug 2023
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## AUTOREN
York Schaefer
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Denkmal
Oldenburg
Statue
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Feudalismus
Schwerpunkt Stadtland
Fußball und Politik
Hannover
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