Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um ein geolantes Grafen-Denkmal: Der geschenkte Gaul
> Oldenburg will den frühneuzeitlichen Grafen Anton Günther ehren: mit
> einem bereits fertiggestellten Reiterstandbild. Historiker halten das für
> groben Unfug.
Bild: Bald auch in dreidimensionaler Form? Bislang blickt Graf Anton Günther n…
OLDENBURG taz | Mit Denkmaldebatten kennen sich die Oldenburger aus: Erst
vor wenigen Jahren wurde, und auch das nicht zum ersten Mal,
leidenschaftlich um ein Vertriebenendenkmal gestritten, das dann nicht
aufgestellt wurde. Nun geht es um ein ganz anderes Thema und eine ganz
andere Darstellungsform: Privatpersonen wollen den frühneuzeitlichen
Feudalherrn Graf Anton Günther mit einem Reiterstandbild ehren. Man könnte
es als eine Sommerlochdebatte abtun - wenn die Skulptur nicht bereits
fertiggestellt wäre.
Zur allgemeinen Überraschung wurde der von Walter Hilpert gestaltete
Bronzegraf, auf seinem zumindest in Oldenburg legendären Apfelschimmel
"Kranich" sitzend, während des Landesturniers im benachbarten Rastede der
pferdeverliebten Öffentlichkeit präsentiert. Entwurf und Herstellung hatten
zwei Oldenburger Geschäftsleute in aller Stille und auf eigene Kosten in
die Wege geleitet, als ihr Sprecher fungiert kein Unbekannter: Der
SPD-Politiker und ehemalige niedersächsische Landtagspräsident Horst Milde,
der sich seit 13 Jahren für ein solches Denkmal einsetzt. Der Graf sei
"eine Idealgestalt, was Friedenspolitik angeht", erklärt Milde: "Heute
würde ich mir mehr davon wünschen."
Tatsächlich hat Anton Günther mit diplomatischem Geschick die Stadt
weitgehend vor den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges bewahrt, als er
die Truppen des Feldherrn Tilly zum Abzug bewegen konnte. Das ist auch
unter Historikern unumstritten. Allerdings, sagt der Oldenburger
Geschichtsprofessor Heinrich Schmidt, ist der Graf auch ein für seine Zeit
"typischer absolutistischer Herrscher". Dessen Friedensliebe rührte wohl
eher daher, dass er die wirtschaftliche Basis seiner Herrschaft retten
wollte - ausgeplünderte Untertanen zahlen schließlich keine Steuern.
In Oldenburg genießt der Graf dennoch einen geradezu übermenschlichen Ruf,
nicht nur wegen eines unübersehbaren Wandgemäldes in der Innenstadt. Oft
wird er als Begründer der Oldenburger Pferdezucht gepriesen, dann wird er
als volksnaher, leutseliger Herrscher gesehen, und manchmal wird seine
Regierungszeit regelrecht als "Goldene Ära" dargestellt. Zu Unrecht, meint
Schmidt: Wirtschaftlich habe er das Land kaum vorangebracht, und die
Pferdezucht war eher sein Privatvergnügen. Anton Günther sei von späteren
Geschichtsschreibern zu einer Lichtgestalt hochstilisiert worden, einer Art
Heimatsymbol für ein Volk, das es eigentlich gar nicht gäbe, nämlich das
"oldenburgische".
Trotz dieser Prominenz des Grafen sind historisch bereits zwei ähnliche
Denkmalvorstöße kläglich am Geldmangel gescheitert, und das zu Zeiten, in
denen der patriotisch-dynastische Zeitgeist ein deutlich stärkerer war,
nämlich in den 1840er-Jahren und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das
finanzielle Problem stelle sich heute nicht, sagt Milde: "Es kommt ja
selten genug vor, dass eine Stadt etwas geschenkt bekommt, was sie selber
nicht schafft." Ob sie das überhaupt schaffen will, sei dahingestellt,
bislang hält sich die Verwaltung eher bedeckt, der Kulturausschuss des
Stadtrats wird sich demnächst mit der Sache befassen.
Dass indes überhaupt ein neuer Versuch unternommen wird, den Grafen auf
einen Sockel zu heben, und dann auch noch in der klassischsten aller
Darstellungsformen, irritiert manchen Oldenburger. Der Historiker Stephan
Scholz erinnert daran, dass Reiterstandbilder stets Herrschaftssymbole
gewesen sind: "So souverän wie der Reiter sein Ross beherrscht, so regiert
der Fürst über sein Volk", lautete die gängige Metaphorik. Eine solche
Darstellung "ohne jede Distanz im Jahr 2011" aufzustellen, befremde ihn
schon, sagt Scholz.
Die Nordwest-Zeitung jedenfalls ist bereits auf den Zug - um nicht zu
sagen: das Ross - aufgesprungen. Sie fragt ihre Leser nicht erst, ob sie
ein solches Standbild wollen, sondern nur noch, wo es stehen soll. Für
Milde kann es nur einen angemessenen Standort geben: vor dem Oldenburger
Schloss - "das war immerhin seine Residenz". Man könnte hinzufügen: vor 350
Jahren.
2 Aug 2011
## AUTOREN
Maik Nolte
## TAGS
Denkmal
## ARTIKEL ZUM THEMA
Oldenburgs Anton-Günther-Reiterdenkmal: Endstation Waschanlage
Oldenburg weigerte sich 2012, eine von privat spendierte Statue des
Reichsgrafen Anton Günther vor dem Schloss aufzustellen. Was ist aus ihr
geworden?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.