| # taz.de -- Debatte um den Leopoldplatz: „Einfach nur ein Elend“ | |
| > Mehr Abhängige, Crack, Verschmutzung und Gewalt: Nach der Debatte um den | |
| > Görlitzer Park wird auch im Wedding über mehr Sicherheit diskutiert. | |
| Bild: Am Leopoldplatz im Wedding gibt es zunehmend Probleme mit Crack und Heroin | |
| Berlin taz | Der Drogenkonsum am Leopoldplatz im Wedding ist omnipräsent. | |
| Die Drogenszene trifft sich direkt neben dem Kinderspielplatz, am | |
| helllichten Tag konsumieren Menschen Heroin oder Crack, überall auf dem | |
| Boden liegen Spritzen. Anwohner*innen berichten von Konsum in | |
| Hausfluren und Kindern, die auf Drogenbesteck treten. „Es ist einfach nur | |
| ein Elend“, beschreibt es Anwohnerin Sylvia von Kekulé. | |
| Kein Wunder also, dass die Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie | |
| Remlinger (Grüne), dringend am Sicherheitsgipfel des Regierenden | |
| Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) teilnehmen will. Nach einer | |
| Massenvergewaltigung im Juni wollen Polizei, Verfassungsschutz und die | |
| Senatsverwaltungen für Inneres und Justiz im September beraten, [1][wie | |
| Drogenhotspots wie der Görlitzer Park sicherer werden können]. Nun soll | |
| auch der Leopoldplatz Thema sein. | |
| Denn die Situation am Leopoldplatz hat sich verändert. Früher war er vor | |
| allem von Alkoholkonsum geprägt. Mittlerweile habe es einen „Wechsel von | |
| Alkohol zu Crack oder stabiler Opioidsubstitution“ gegeben, berichtet | |
| Astrid Leicht vom Drogenhilfe-Verein Fixpunkt. Das bestätigen auch die | |
| Anwohnenden, die sich in der Initiative „Wir am Leo“ zusammengeschlossen | |
| haben. „Seit drei Jahren gibt es hier sehr viel Heroin und seit zwei | |
| Jahren vermehrt Crack“, sagt Sprecher Sven Dittrich. | |
| Als Crack wird Kokain in einer kristallinen Form bezeichnet. Das Rauchen | |
| führt schnell zu einem intensiven Rauschzustand, der jedoch nur 10 bis 15 | |
| Minuten anhält. Crack hat gefolgt von Heroin das größte | |
| Abhängigkeitspotenzial im Vergleich zu anderen Drogen. Die Veränderung des | |
| Suchtmittels hin zu Crack führt laut Anwohner*innen auch zu einer | |
| Verhaltensveränderung der Abhängigen. Aggressiver sei es geworden, sagt | |
| Dittrich. Und lauter. | |
| ## Zahl der Körperverletzungen fast verdoppelt | |
| „Eine aufputschende Droge wie Kokain oder eine enthemmende Droge wie | |
| Alkohol kann Gewalt begünstigen“, sagt Sozialarbeiterin Astrid Leicht. Auch | |
| Entzug oder Suchtdruck senke die Schwelle zu Gewaltbereitschaft. Sie sieht | |
| die Schuld jedoch nicht allein bei den Abhängigen. Denn auch die „ständige | |
| Vertreibung von Menschen von einem Ort zum anderen“, wie dies bei | |
| Obdachlosen und Drogenkonsument*innen häufig der Fall ist, trage | |
| ihren Teil dazu bei. | |
| Laut der polizeilichen Kriminalitätsstatistik hat sich die Anzahl von | |
| Körperverletzungen im öffentlichen Raum rund um den Leopoldplatz im | |
| vergangenen Jahr fast verdoppelt: lag sie zwischen 2014 und 2021 noch bei | |
| rund 40 Fällen im Jahr, waren es 2022 78 und bis August dieses Jahres | |
| bereits 50. „Die Aggressivität hat erkennbar zugenommen“, so ein | |
| Polizeisprecher zur taz. Darüber hinaus seien in diesem Jahr „erstmals | |
| allgemeine Verstöße mit Crack festgestellt und Ermittlungsverfahren | |
| aufgrund von unerlaubtem Handel mit Crack eingeleitet worden“. | |
| Auch die Anzahl der Abhängigen, die sich auf dem Leopoldplatz aufhalten, | |
| ist angestiegen. Der überdachte, mit einem niedrigen Sichtschutz umzäunte | |
| Sitzbereich war laut Polizei ursprünglich für etwa 40 alkoholkranke | |
| Menschen ausgelegt. „Seit geraumer Zeit sind dort jedoch bis zu dreimal so | |
| viele Menschen anzutreffen, darunter vor allem Drogenabhängige“, so der | |
| Polizeisprecher. | |
| ## Mangel an Hygienemöglichkeiten vor Ort | |
| Als Reaktion auf die veränderte Situation steht am Leopoldplatz seit April | |
| täglich von 10.30 Uhr bis 13.30 Uhr ein Drogenkonsummobil des Vereins | |
| Fixpunkt. Dort können unter medizinischer Aufsicht mitgebrachte Drogen | |
| konsumiert werden. So kann etwa im Fall einer Überdosis schnell Hilfe | |
| geleistet werden. Sozialarbeiter*innen von Fixpunkt bieten den | |
| Abhängigen Hilfe an und verteilen sterile Konsumutensilien. Sie sollen die | |
| Verbreitung von Krankheiten wie Hepatitis oder HIV verhindern. Der | |
| Nachfrage ist hoch. Viele Menschen stehen vor dem Ausgabe-Container und | |
| warten auf sauberes Spritzbesteck. | |
| Ab Herbst will die Senatsgesundheitsverwaltung Fixpunkt ein zusätzliches | |
| Fahrzeug für den mobilen Einsatz zur Verfügung stellen. Laut Fixpunkt fehlt | |
| dafür jedoch das Personal. Auch fehle es an „Tag-und-Nacht- Ruhe-, Schlaf- | |
| und Hygienemöglichkeiten“ für Drogenabhängige, sagt Sozialarbeiterin | |
| Leicht. Dabei könnten solche Plätze einen wichtigen Beitrag zur Entspannung | |
| leisten. „Das senkt Aggressionen bei den Bürger:innen und den prekär | |
| lebenden Menschen gleichermaßen.“ | |
| Der Mangel an Hygienemöglichkeiten vor Ort führe auch zu einer starken | |
| Geruchsbelästigung, insbesondere wenn es warm sei, berichtet Anwohnerin | |
| Kekulé. Die öffentliche Toilette auf dem Platz werde als Konsumraum | |
| zweckentfremdet und befinde sich fest in der Hand der Drogenszene. Hinzu | |
| komme die zunehmende Verschmutzung. Neben achtlos in die Grünanlagen | |
| geworfenem Müll seien vor allem die Überbleibsel des Drogenkonsums ein | |
| Problem. Zwar gibt es verschiedene Mülleimer, die für die Entsorgung von | |
| Spritzen installiert wurden, doch diese würden nicht von allen Abhängigen | |
| verwendet. | |
| ## Anwohner*innen fordern neue Konsumräume | |
| Die Initative „Wir am Leo“ fordert den Einsatz von mehr Polizei sowie mehr | |
| Sozialarbeiter*innen. Laut Polizeisprecher wurde die sichtbare polizeiliche | |
| Präsenz in Folge der Beschwerden bereits erhöht, außerdem gebe es | |
| monatliche Schwerpunkteinsätze zur Bekämpfung der | |
| Betäubungsmittelkriminalität. Auch eine „Mobile Wache“ mit vier | |
| Dienstkräften komme regelmäßig zum Einsatz. | |
| Den öffentlichen Konsum am Leopoldplatz kann all dies offenbar nicht | |
| verhindern. Die Anwohner*innen fordern daher neue Konsumräume. Dass | |
| sich die Fixpunkt-Ausgabestelle in direkter Nähe zum Kinderspielplatz | |
| befinde, findet Sven Dittrich „absurd“. | |
| Auf taz-Anfrage heißt es aus dem Bezirksamt, dass momentan geprüft werde, | |
| „den Sichtschutz zwischen Spielplatz und Aufenthaltsbereich der Drogenszene | |
| zu verbessern sowie die Toilettensituation zu überarbeiten“. Außerdem soll | |
| eine neue Strategie für den Leopoldplatz erarbeitet werden, die „nicht | |
| einfach nur auf Verdrängung setzt, weil dies Probleme nur kurzfristig | |
| verlagern, aber nicht zu ihrer Lösung führen würde“, so ein Sprecher. | |
| Stattdessen brauche es einen kooperativen Ansatz zwischen Senat, Bezirk, | |
| Polizei und Sozialarbeit, „in dessen Zentrum Prävention und Aufklärung, | |
| Integration und Vertrauen stehen müssen“. | |
| Ob diese Auffassung auf dem Sicherheitsgipfel im September geteilt wird, | |
| ist fraglich. Bislang standen in der öffentlichen Diskussion vor allem | |
| Forderungen nach einer Umzäunung und nächtlichen Schließung des Görlitzer | |
| Parks im Vordergrund. Zumindest das ist für den Leopoldplatz keine Lösung. | |
| Und auch an anderen Drogen-Hotspots dürfte das kaum helfen. | |
| Dabei wird sich das Problem voraussichtlich eher verschärfen. „Es lässt | |
| sich seit mehreren Jahren stadtweit ein Anstieg des Kokain-Konsums in der | |
| gesamten Bevölkerung feststellen“, sagt Astrid Leicht von Fixpunkt. Dies | |
| sehe man an auch den Abwasseruntersuchungen. Jetzt kommt auch noch der | |
| gestiegene Crack-Konsum hinzu. „Es gibt mehr Menschen, die von einem | |
| geordneten Konsum in eine problematische Konsumsituation gekommen sind“, | |
| weiß Leicht. Mit sicherheitspolitischen Maßnahmen allein wird sich das | |
| nicht lösen lassen. | |
| 18 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johanna Gloede | |
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| Grüne Berlin | |
| Stephan von Dassel | |
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