# taz.de -- Cybermobbing in der Ukraine: Kompetenz versus Äußerlichkeiten | |
> Die Direktorin des Holodomor-Museums in Kyjiw muss sich aktuell gegen | |
> Bodyshaming im Internet wehren. Sie will vor Gericht einen Präzedenzfall | |
> schaffen. | |
Bild: Lesia Hasydzhak (zweite von links) bei einer Ausstellungseröffnung im ve… | |
LUZK taz | Seit über einem Jahr ist Lesia Hasydzhak Direktorin des | |
Holodomor-Museums in Kyjiw. Dass die Historikerin derzeit Ziel erregter | |
Diskussionen in den sozialen Netzwerken ist, hat aber weniger mit ihrem | |
Job zu tun. Gegenüber Radio Free Europe ließ sie verlauten, sich | |
mittlerweile juristisch gegen die Beiträge zu wehren. Was war geschehen? | |
Alles begann vor einigen Tagen mit einem Facebook-Post des bislang kaum | |
bekannten Juristen Klym Bratkivskiy. „Haben Sie gesehen, wie die Leiterin | |
des Holodomor-Museums, Lesia Hasydzhak, aussieht? Das ist eine Art | |
Verhöhnung der Erinnerung an den Holodomor“, schrieb er und spielte damit | |
auf das Körpergewicht von Hasydzhak an. | |
Dazu muss man wissen, dass der Begriff [1][Holodomor] in der Ukraine für | |
eine von der Politik Stalins in den 1930er Jahren herbeigeführte Hungersnot | |
steht. Ihr sollen allein in der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik | |
schätzungsweise rund 4 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein. Einige | |
Nutzer*innen äußerten sich empört und meinten, dass das Aussehen eines | |
Menschen keinen Einfluss auf seine beruflichen Qualitäten habe. | |
Doch Bratkivskiy ließ nicht locker. In seinem nächsten Post erklärte er, | |
man solle das Museum von einem Militär leiten lassen, der in russischer | |
Gefangenschaft gewesen sei. So wisse dieser, was wirklicher Hunger sei. In | |
den Kommentaren machten sich einige Nutzer*innen ebenfalls über die | |
Museumschefin lustig. Eine Mehrheit jedoch verurteilte die Äußerungen: | |
Gerade er als Anwalt müsse verstehen, dass derlei Thesen diskriminierend | |
seien. | |
Hasydzhak erklärte zwar, dass sie die Beleidigungen nicht persönlich | |
getroffen hätten. Jedoch werde sie vor Gericht ziehen, weil „solche | |
Geschichten jeden Tag passieren und viele Frauen in der Ukraine Hass | |
ausgesetzt sind“. [2][Bodyshaming] könne bei anderen Frauen zu seelischen | |
Traumata oder sogar zum Suizid führen. Öffentliche Entschuldigungen würden | |
daran nichts ändern. Die 42-Jährige wolle deshalb einen Präzedenzfall für | |
die Bestrafung von körperlichem Mobbing schaffen. | |
Auf die Situation reagierte auch die feministische Initiative | |
„Frauenmarsch“. Vertreter*innen fragten Bratkivskiy sarkastisch, wie | |
viel ein Anwalt wiegen müsse, um als Fachmann zu gelten, und ob es für | |
andere Berufe klare Gewichtskriterien gebe. Hasydzhak hatte die Leitung des | |
Museums nach einem Skandal um dessen Chefin übernommen. Wegen der | |
Neuberechnung der Opferzahlen des Genozids hatten die Behörden Olesia | |
Stasiuk Inkompetenz vorgeworfen. Historiker*innen und das | |
Kulturministerium hatten die Ansicht vertreten, Stasiuk habe die Zahl der | |
Opfer des Holomodor zu hoch angesetzt. Die Fragwürdigkeit der Berechnung | |
würde den Prozess einer internationalen [3][Anerkennung des Holodomor als | |
Genozid] am ukrainischen Volk beeinträchtigen. | |
In Bezug auf das Holodomor-Museum arbeitete sich besagter Jurist | |
Bratkivskiy übrigens ebenso an der Entscheidung des ukrainischen Parlaments | |
ab, für dessen Fertigstellung zusätzliche 574 Millionen Hrywnja (14 | |
Millionen Euro) zu bewilligen. Vor Kurzem hatte auch Präsident Wolodimir | |
Selenski ein Veto gegen die Entscheidung eingelegt. Dies war auch eine | |
Reaktion auf die scharfe Kritik aus der ukrainischen Gesellschaft an den | |
Haushaltsausgaben. Diese sollten nur mit Dingen verknüpft sein, die mit dem | |
Krieg zusammenhängen. | |
Aus dem Russischen: Barbara Oertel | |
1 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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