| # taz.de -- Strukturwandel im Berliner Banking: Vom Sparen in Büchern | |
| > Vieles hat unser Kolumnist während der Digitalisierung des Bankings schon | |
| > erlebt. Nun fühlt er sich zurückgeworfen in die alte Art des | |
| > „Homebankings“. | |
| Bild: Die Sparkasse wollte unseren Kolumnisten nicht mehr. Vieles hat sich seit… | |
| Die Sparkassenangestellten nennen sich heute „Banker“, was nicht ganz | |
| falsch ist, denn sie werben auch für Investmentfonds. Gegründet wurde sie, | |
| um Lohnempfänger zum Sparen anzuhalten. Ein flexibler 180-Grad-Schwenk. | |
| Ramona arbeitete als Sparkassenlehrling zunächst in der Marzahner Filiale: | |
| „Dort war 1990/91 schwer was los. Da standen schon morgens über 100 Leute | |
| vor der Tür und warteten, dass wir aufmachen.“ | |
| Bis 2013 arbeitete die „Bankerin“ in der Filiale am Potsdamer Platz. Sie | |
| erklärte mir, wie sie für einen Investmentfonds werben kann, den sie nur | |
| als Werbeprospekt kennt: „Wenn man einmal begriffen hatte, wie die | |
| aufgebaut sind und funktionieren, dann hat jeder von uns seine drei oder | |
| vier Favoriten im Dauerangebot gehabt, wobei man jedem Kunden dasselbe | |
| erzählt hat.“ | |
| Einmal kam ein Kunde zu ihr, der sein Konto auflösen wollte. Solche Leute | |
| sollte sie immer nach den Gründen fragen. Er sagte: „Sie kennen doch sicher | |
| die Sparkassenwerbung, in der ein Discjockey eine Platte auflegt? Darunter | |
| steht: ‚Würden Sie ihm etwa Ihre Kreditkarte geben? Wir schon!‘ Dieser Typ, | |
| das bin ich. Nur dass die Sparkasse mir nie eine Kreditkarte geben wollte. | |
| Deswegen wechsle ich jetzt die Bank.“ | |
| Ich habe immer bei der Sparkassenfiliale in der Rudi-Dutschke-Straße meine | |
| Überweisungen für Miete, Strom usw. abgegeben, indem ich sie abends im | |
| Automatenvorraum in einen in die Wand eingelassenen Briefkasten warf. | |
| Einmal hatte man davor einen neuen aus Edelstahl angebracht, in den ich | |
| meine Überweisungen warf. Am nächsten Tag war der neue Briefkasten weg, | |
| dahinter befand sich der alte. Ich stellte fest, dass sich daran Reste von | |
| Klebestreifen befanden. Da hatten also irgendwelche Gauner eine lange Nacht | |
| lang alle Überweisungen eingesammelt und so manipuliert, dass das Geld auf | |
| ihr Konto kam. | |
| ## Eine halbe Demo auf der Suche nach Bargeld | |
| Fortan schoben wir unsere Überweisungen abends unter die Glastür zum | |
| Schalterraum. Von dort hätte sie sich zwar jeder mit einem Draht angeln | |
| können, aber das geschah nie. Dafür etwas anderes: Ich bekam das Geld von | |
| den Überweisungen auf mein Konto zurück, kurz danach pfändete das Finanzamt | |
| aber mein Guthaben, etwa 400 Euro – und die stellvertretende Filialleiterin | |
| sagte mir, dass die Sparkasse mich nicht mehr als Kunden wolle. | |
| Ich ging zu einer Tochter der Deutschen Bank, wobei ich fortan meine | |
| Überweisungen im Vorraum der Filiale am Mehringdamm auf Touchscreens | |
| tätigte. Es gibt dort sogar zwei Obdachlose, die einem die Tür aufhalten, | |
| wenn man etwa beide Hände voller Geldscheine hat. | |
| Ich erinnere mich, wie wir nächtens von einem Automaten der Postbank zum | |
| anderen gingen, weil alle kein Geld ausspuckten oder defekt waren. Während | |
| wir von der Filiale in der Torstraße zu der am Alex und von dort zum | |
| Postbank-Hochhaus tigerten, schlossen sich uns immer mehr Kunden an. Schon | |
| eine halbe Demo war es am Anfang eines neuen Monats, wenn die Leute ihr | |
| Geld vom Arbeits- oder Sozialamt überwiesen bekamen. | |
| Ach, es war eine schöne Zeit, aber die Postbank ist heute als | |
| Deutsche-Bank-„Schnäppchen“ nur noch ein Schatten ihrer selbst mit | |
| Callcentern, die auch nicht wissen, warum man beim Onlinebanking demnächst | |
| eine neue Geheimzahl zugeschickt bekommt – und man so lange warten muss, | |
| das heißt: auf die alte Art des „Homebankings“ zurückgeworfen wird, indem | |
| man sein Geld in Büchern versteckt oder investiert. | |
| 8 Aug 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Helmut Höge | |
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