# taz.de -- Tierversuche in Berlin: Alte und neue Mäusebunker | |
> Onkomäuse, Zebrafische und Meerschweinchen: Kaum jemanden interessiert | |
> noch, wie viele Tierversuche es in Berlin gibt, kritisiert unser | |
> Kolumnist. | |
Bild: Brutal ist nicht die Architektur, sondern waren auch die Tierversuche im … | |
Gelegentlich fahren Busse durch die Stadt, auf denen Tierschützer für ein | |
Verbot von Tierversuchen werben. Ein andermal wirbt ein Pharma- oder | |
Kosmetikkonzern für ein neues Produkt. Der BVG ist es egal, ob für oder | |
gegen Tierversuche geworben wird, beide zahlen dasselbe. | |
Früher protestierten die Tierschützer noch leibhaftig am Steglitzer | |
„Mäusebunker“ der Freien Universität, in dem bis 2020 Versuchstiere | |
gehalten wurden. Die Zeit schrieb: „Für Tierversuche kann man keine | |
Sympathie erwarten. Sie finden in einer Parallelsphäre von Labors und | |
Instituten statt, mit der kaum ein Laie je in Berührung kommt. Auch wer sie | |
im Prinzip für nötig hält, will es wahrscheinlich gar nicht so genau | |
wissen. Von den millionenfachen Experimenten profitieren wir lieber | |
stillschweigend, als uns mit einem ethischen Dilemma zu belasten.'“ | |
Inzwischen gibt es eine Kampagne „Rettet den Mäusebunker“, initiiert von | |
Architekten, die dieses „Schlüsselwerk des Brutalismus“ erhalten wollen – | |
nun für „Kreative“ statt für Versuchstiere. Für Letztere gibt es mehrere | |
neue „Mäusebunker“ in Berlin-Buch. Dort werden allein im | |
Max-Delbrück-Centrum durchschnittlich 105.403 Tiere pro Jahr „vernutzt“. | |
Daneben gibt es auch noch den Charité-Campus Buch, wo man die | |
Wirt-Virus-Beziehung bei Vampirfledermäusen erforscht, die mit einem | |
neuartigen Morbillivirus infiziert wurden. | |
In der Krebsforschung sind Onkomäuse beliebt. Es sind gentechnisch | |
modifizierte Nager, die infolge einer künstlich herbeigeführten Mutation | |
Krebs haben. „Die Onkomaus ist ein Meilenstein,“ schreibt die Philosophin | |
Lara Huber in ihrem Buch „Relevanz“ (2020). Da diese Mäuse in Harvard | |
patentiert wurden, darf man sie bei Strafe nicht nachzüchten, man muss | |
ständig neue kaufen. | |
## Zebrafische und Meerschweinchen | |
In Berlin wird auch gerne mit Zebrafischen experimentiert. Es wurden | |
bereits 25.000 wissenschaftliche Studien über sie veröffentlicht. An | |
genetisch veränderten – durchsichtigen – Zebrafischen erforscht man | |
„Störungen des Blutkreislaufs, Leberleiden, Nervendegenerationen und | |
Krebs“. Forscher des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie untersuchten | |
Zebrafische mit einem Cortisolmangel, dabei diagnostizierten sie Anzeichen | |
einer Depression. Als sie Medikamente gegen Angstzustände, Valium und | |
Prozac, ins Wasser gaben „normalisierte sich ihr Verhalten“. Schon ein | |
Sichtkontakt mit anderen Zebrafischen besserte ihre Stimmung. In Berlin | |
züchtet ein Forschungsinstitut am Müggelsee Zebrafische, auch die | |
„Gläsernen“, was sie damit anstellen, weiß ich nicht. | |
Auch Meerschweinchen, die „Prügelknaben der Physiologen“, wie der | |
Entomologe Jean-Henri Fabre sie nannte, werden immer noch massenhaft in | |
Forschungslaboren (diesen Tier-Folterkammern für verrohte Karrieristen) | |
vernutzt. Wenn im 19. Jahrhundert irgendwo auf der Welt eine Seuche | |
ausbrach, packten Robert Koch in Berlin und Louis Pasteur in Paris je 100 | |
Meerschweinchen ein und eilten damit ins Zentrum der Epidemie. Es war ein | |
Wettrennen um den Nobelpreis. Ihre infizierten Meerschweinchen blieben auf | |
der Strecke. | |
1890 gelang es, mit den armen Tieren ein Serum gegen Diphterie | |
herzustellen. Aber der preußische Staat hatte zunächst kein Interesse, die | |
Diphterie (an der jährlich über 1.000 Kinder allein in Berlin starben) zu | |
bekämpfen. Er finanzierte stattdessen die Forschung an Tetanus, da dies | |
eine große Gefahr für wertvolle Pferde darstellte. Es dauerte lange, bis | |
die Firma Hoechst das Diphterie-Medikament auf den Markt brachte. Die | |
Meerschweinchen waren dabei vom Versuchstier zu einem lebenden Laborgerät | |
geworden, das Serum herstellte. | |
2012 wurden 3.721 Meerschweinchen für Hautsensibilisierungstests verwendet, | |
heißt es auf [1][„meerschwein-sein.de“]. Sie würden zur Aus-, Fort-, und | |
Weiterbildung sowie für die Human- als auch die Tiermedizin benutzt. 2007 | |
sei auch der stark umstrittene Schwimmtest, bei dem die Tiere bis zur | |
Erschöpfung schwimmen müssen, zur Anwendung gekommen. Der Test zur | |
Erprobung von Antidepressiva sei an 349 Meerschweinchen durchgeführt | |
worden. | |
6 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://meerschwein-sein.de/meerschweinchen/gegen-tierversuche/ | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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