# taz.de -- Waldbrände in Griechenland: Eine verheerende Saison | |
> Kein Land in Südeuropa hat so viel verbrannte Erde zu beklagen wie | |
> Griechenland. Die Türkei auf der anderen Seite der Ägäis ist hingegen | |
> kaum betroffen. | |
Bild: Allein gegen das Feuer auf der Ägäisinsel Rhodos | |
ATHEN taz | Die Tourismus-Flaggschiffe Rhodos und Korfu mitten in der | |
Hochsaison, der agrarisch geprägte Süden der ohnehin feuergeplagten | |
Halbinsel Euböa, eine Luftwaffenbasis in Mittelgriechenland mit sündhaft | |
teuren Kampfjets und riesigen Munitionslagern, in denen ein Feuerinferno in | |
diesen Tagen gewaltige Detonationen auslöste: Griechenland erlebt abermals | |
eine verheerende Feuersaison mit einem enormen ökologischen und | |
ökonomischen Schaden. | |
Von Anfang Januar bis zum 31. Juli ist bereits eine Fläche von 55.000 | |
Hektar in ganz Griechenland verbrannt. Das hat das Europäische | |
Waldbrandinformationssystem (European Forest Fire Information System – | |
EFFIS) dokumentiert. Das sind bereits rund dreißig Prozent mehr verbrannte | |
Gesamtfläche als im Ganzjahresdurchschnitt der Jahre 2006 bis 2022. | |
Damit liegt Griechenland in Sachen verbrannte Erde gemessen an seiner | |
Gesamtfläche im laufenden Jahr unangefochten auf Platz eins in ganz Europa. | |
Konkret: In Italien sind im laufenden Jahr bisher 0,18 Prozent der | |
Gesamtfläche verbrannt, in Spanien 0,14, in Portugal 0,09 und in der Türkei | |
0,02 Prozent – in Griechenland sind es 0,4 Prozent. | |
## Größere Brände als die Jahre zuvor | |
Eine weitere Erkenntnis: [1][Die Zahl der bis Ende Juli dieses Jahres in | |
Griechenland wütenden Waldbrände] ist im Vergleich zu den Vorjahren nicht | |
etwa signifikant gestiegen oder stagniert. Das Gegenteil ist der Fall: | |
Wüteten im Zeitraum 2006 bis 2022 in Griechenland im Schnitt 56,23 Feuer | |
pro Jahr mit einer verbrannten Fläche von jeweils 30 Hektar (kleinere Feuer | |
werden nicht berücksichtigt), waren es im Jahr 2023 in Hellas bis dato | |
lediglich 23 Brände – die aber wesentlich größer als zuvor. | |
Vor allem die zweite Julihälfte war verheerend: laut EFFIS-Analyse kam es | |
allein in den gut zwei Wochen vom 15. bis zum 31. Juli zu sieben großen | |
Waldbränden in Griechenland, bei denen eine Gesamtfläche von rund 47.000 | |
Hektar verbrannte. Das entspricht etwa 87 Prozent der seit Beginn des | |
Jahres hierzulande verbrannten Fläche – und dies in nur 17 Tagen. | |
Konkret davon betroffen waren zuletzt Rhodos, Korfu, die Region Aigion im | |
Norden der Halbinsel Peloponnes, Dervenochoria im Westen und Kuvaras im | |
Südosten von Attika, die Region Karystos auf Euböa – wo zwei Piloten der | |
griechischen Luftwaffe bei dem Absturz ihres Löschflugzeugs ums Leben kamen | |
– sowie Nea Anchialos in Mittelgriechenland mit der Luftwaffenbasis samt | |
detonierten Munitionslagern. | |
Dabei hat die in der zweiten Julihälfte in Hellas herrschende Hitzewelle | |
die Feuer in allen hiesigen Brand-Hotspots entscheidend befeuert. Die | |
extrem hohen Lufttemperaturen mit bis zu 46 Grad Celsius in der Spitze und | |
die sehr niedrige Luftfeuchtigkeit mit Werten unter 20 Prozent, die in der | |
zweiten Julihälfte in ganz Griechenland herrschten, schufen ein äußerst | |
günstiges Umfeld für das Auftreten großer Waldbrände. | |
Kartierungen und Messungen weisen [2][den Zusammenhang zwischen | |
klimatischen Bedingungen und Bränden nach]: Sie belegen, dass bei den | |
sieben großen Waldbränden im Juli in Griechenland die betroffenen Regionen | |
von Rhodos über Mittelgriechenland bis nach Korfu zu Beginn und in der | |
Hauptausbreitungsphase der Waldbrände eine hohe oder sehr hohe geschätzte | |
Entzündbarkeit und Ausbreitungsgeschwindigkeit vorherrschte. | |
## Brandstifter im Visier, jedoch kaum verurteilt | |
Statt die sich verschärfende Klimakrise als wesentliche Ursache der | |
verheerenden Waldbrände in Griechenland zu erkennen und die mangelhafte | |
Brandprävention und Brandbekämpfung der hellenischen Behörden endlich zu | |
verbessern, macht die Regierung in Athen unter [3][Premier Kyriakos | |
Mitsotakis] abermals potenzielle Brandstifter zu den Hauptschuldigen. | |
Doch die Angeklagten kommen trotz drohender hoher Freiheitsstrafen zumeist | |
ungeschoren davon, wie eine Auswertung der Gerichtsverfahren in | |
Griechenland im Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2021 eindrücklich belegt. | |
Laut offiziellen Angaben wurden von den 19.712 in diesem Zeitraum wegen | |
fahrlässiger oder vorsätzlicher Brandstiftung verfolgten Personen nur 564 | |
verurteilt. Das entspricht einem Anteil von nur 2,8 Prozent. Die | |
Verurteilungsquote bei vorsätzlicher Brandstiftung liegt sogar bei nur 2,6 | |
Prozent: in 2.796 strafrechtlich verfolgten vorsätzlichen | |
Brandstiftungsfällen wurden nur 74 Personen verurteilt. | |
Dabei mahlen die Mühlen der hellenischen Justiz sehr langsam, auch bei | |
Waldbränden mit vielfacher Todesfolge. Ein Beispiel ist die | |
Feuerkatastrophe vom 23. Juli 2018 im ostattischen Küstenort Mati. Dabei | |
kamen 104 Menschen ums Leben. Das betreffende Gerichtsverfahren ist weiter | |
anhängig, mehr als fünf Jahre nach dem Feuerinferno. Der Mann, der bei | |
Windstärke 8 ein Feuer anzündete, um trockenes Gras auf seinem Grundstück | |
auf dem Athener Berg Penteli zu verbrennen und damit den Waldbrand | |
auslöste, der sich rasend schnell nach Mati ausbreitete, ist wegen einer | |
Ordnungswidrigkeit angeklagt. Er kam nie in Untersuchungshaft. | |
Das ist kein Einzelfall: Eine 70-jährige Frau, die [4][im Sommer 2007 | |
riesige Waldbrände im Westen der Halbinsel Peloponnes], bei dem 65 Menschen | |
ums Leben kamen, durch Braten in ihrem Hinterhof verursacht hatte, wurde | |
ebenfalls wegen eines Vergehens angeklagt. | |
4 Aug 2023 | |
## LINKS | |
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[4] /Waldbraende/!5195923 | |
## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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