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# taz.de -- Deutschlands nächster WM-Gegner: Ratlose Gesichter
> Das Nationalteam Südkoreas mit seiner Starspielerin Ji So-yun gilt als
> Enttäuschung der WM. Entsprechend fehlt jegliche Resonanz im Heimatland.
Bild: Dreizehn Titel in acht Jahren: Südkoreas Ji So-yun hat beim FC Chelsea L…
Wüsste man es nicht besser, würde man kaum auf die Idee kommen, dass
Südkorea gerade bei der WM spielt. Am Dienstag vergangener Woche etwa
informierte der Auslandssender Arirang übers Turnier und die nationale
Beteiligung: „Südkorea ist in Gruppe H und hatte sein erstes Spiel an
diesem Morgen, verlor es aber mit 0:2 gegen Kolumbien. Mehr soll am Sonntag
kommen und dann am nächsten Donnerstag.“ Viel mehr war im Land nicht zu
vernehmen, von Begeisterung keine Spur.
Mittlerweile ist klar, dass die Südkoreanerinnen ein kleines Wunder
bräuchten, um noch das Achtelfinale zu erreichen. Denn nachdem am Sonntag
auch das zweite Gruppenspiel gegen Marokko mit 0:1 verloren ging, müsste
Südkorea am Donnerstag gegen Deutschland mit fünf Toren Unterschied
gewinnen – zugleich dürfte Marokko nicht gegen Kolumbien punkten. Aber
sonderlich viel gesprochen wird über das rechnerisch noch mögliche
Weiterkommen der Südkoreanerinnen nicht.
Auch beim Sender Arirang hatte man so etwas offenbar von Anfang an nicht im
Visier. Nach einer kurzen Erwähnung der Fußball-WM der Frauen ging die
Ansage der Nachrichtensprecherin am Dienstag letzter Woche folgendermaßen
weiter: „Unterdessen werden immer mehr von Koreas männlichen Stars bei
europäischen Topklubs unter Vertrag genommen: wie etwa Lee Kang-in bei
Paris St. Germain und Kim Min-jae bei Bayern München. Was steckt dahinter
und was können wir von ihnen erwarten?“
Die Saisonvorbereitung der Männer sorgt in Südkorea also für mehr
Schlagzeilen als die WM der Frauen. Der Sender Arirang ist hier kein
Einzelfall. Generell fällt in Südkorea auf, wie wenig der Öffentlichkeit
das wichtigste Turnier im Fußball der Frauen auffällt. Fragt man in Seoul
nach der laufenden WM, blickt man fast immer in ratlose Gesichter. Die
Reaktionen reichen von einem peinlich berührten „Wie bitte?“ bis zum
beinahe offensiven „Oh, gar keine Ahnung! Wann ist dieses Turnier?“
## Beachtliche Ignoranz
Wobei die Ignoranz beachtlich ist. Denn zumindest nominell gehört Südkorea
– das bei den bisherigen drei WM-Teilnahmen nur einmal über die
Gruppenphase hinauskommen konnte – kaum mehr zu den Außenseiterinnen.
[1][In der Fifa-Weltrangliste] belegte Südkorea vorm WM-Start Platz 17.
Angesichts der drei Gruppengegnerinnen Deutschland (Weltranglistenplatz 2),
Kolumbien (25) und Marokko (72) könnte Südkorea Ansprüche auf ein
Weiterkommen anmelden.
Mit der Offensivallrounderin Ji So-yun verfügt die Truppe auch über eine
der weltweit besten Spielerinnen der vergangenen Jahre. Als
Leistungsträgerin des Londoner Topklubs FC Chelsea hat die heute 31-jährige
Ji So-yun in acht Jahren dreizehn Titel gewonnen und wurde mehrmals zur
Fußballerin des Jahres gewählt. Kein männlicher Fußballer aus Südkorea –…
Stürmerstar Son Heung-min von Tottenham Hotspur oder der in den 1980er
Jahren in Leverkusen und Frankfurt aktiv gewesene Angreifer Bum Kun-cha –
war je derart erfolgreich.
In London brachte es Ji So-yun – als erste südkoreanische Spielerin – zu
Bekanntheit. Trotz einiger Angebote aus den USA entschied sich Ji im
vergangenen Jahr zu einem Wechsel nach Südkorea, um die 2022 ins Leben
gerufene [2][semiprofessionelle WK League] zu pushen. „Ich bin meinem
Herzen gefolgt“, erklärte Ji ihre Entscheidung. Denn sie wünsche sich, dass
Fußball – mittlerweile eine der beliebtesten Sportarten in Südkorea–
endlich auch dann Beachtung finde, wenn er von Frauen betrieben wird.
Nur ist Ji So-yun, obwohl sie die historische Überfliegerin des
südkoreanischen Fußballs ist, im Land selbst kaum bekannt. Diese
Ungleichheit gegenüber den Männern interpretieren kritische Stimmen als
Sexismus. Und das kommt nicht von ungefähr. In Sachen Genderfragen und
Geschlechterpolitik herrscht im ostasiatischen Land eine gewisse
Anspannung. Südkorea belegt nicht nur im Gender Gap Report des World
Economic Forum Jahr für Jahr einen der hinteren Plätze.
Vor allem wegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, sparsamer
Familienpolitik und zahlreicher MeToo-Fälle hat sich im Land ein Konflikt
verfestigt, der schon als „Genderkrieg“ bezeichnet wird. Dabei dürften
diejenigen, die die Forderungen vieler Feministinnen und Feministen nach
mehr Gleichstellung für überzogen halten, weil Frauen ja auch keinen
Militärdienst leisten müssten, nun auch zu denen gehören, die sich für den
Fußball der Frauen wenig interessieren.
Damit Ji So-yun und ihre Mannschaft nun trotzdem die Nachrichten
dominieren, müsste ihnen wohl die Sensation gelingen: Ein Kantersieg gegen
Deutschland und damit das Erreichen des Achtelfinales. Dann wiederum
stünden die Chancen für nationale Euphorie ziemlich gut. Denn Sexismus mag
in Südkorea existieren – aber auch Patriotismus ist allgegenwärtig.
2 Aug 2023
## LINKS
[1] https://www.fifa.com/de/fifa-world-ranking/women?dateId=ranking_20230609
[2] https://www.sofascore.com/de/turnier/fussball/south-korea/wk-league/2284#49…
## AUTOREN
Felix Lill
## TAGS
DFB Team Frauen
Deutscher Fußballbund (DFB)
Frauen-Fußball-WM 2023
Südkorea
Frauen-Fußball-WM 2023
Martina Voss-Tecklenburg
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