# taz.de -- Nigeria bei der Fußball-WM: Randys Rant | |
> Nigerias Trainer hat sich mit dem Verband zerstritten. Dabei geht es um | |
> mehr als Geld, es geht um den Status Nigerias im afrikanischen Fußball. | |
Bild: Alles bestens: Nigerias Trainer Randy Waldrum beim Shakehands mit einer S… | |
Randy Waldrum wirkte doch recht zufrieden nach dem 0:0 der von ihm | |
betreuten Nigerianerinnen [1][gegen Kanada]. Dass Torhüterin Chiamaka | |
Nnadozie dabei einen Elfmeter von Kanadas ewiger Angreiferin Christine | |
Sinclair gehalten hat, beglückte den Trainer ganz besonders. „Chiamakas | |
Parade hat uns regelrecht entflammt und wir haben gemerkt, dass da immer | |
noch etwas ist, für das es sich zu spielen lohnt und dass der Berg, den es | |
zu erklimmen galt, nicht zu hoch für uns war.“ | |
In bester US-amerikanischer Trainermanier bemühte er die ganz großen Worte. | |
Und doch sagte er auch, dass „wir uns verbessern müssen“, wenngleich er | |
zufrieden damit war, wie sich das Team präsentiert hat. Am Donnerstag im | |
Spiel gegen Gastgeber Australien (12 Uhr, ZDF) gelingt es dann ja | |
vielleicht auch, Starstürmerin Asisat Oshoala vom FC Barcelona besser in | |
das Spiel zu integrieren. Die war im defensiven und arg passiven 4-5-1 | |
Nigerias oft auf sich alleine gestellt. | |
Es ist also einiges zu tun für Trainer Waldrum und sein Team. Er kann sich | |
mit Fußball beschäftigen und all die Fragen um ausbleibende Zahlungen und | |
die Einmischung des nigerianischen Fußballverbands in die | |
Kaderzusammenstellung erst mal ausblenden. Dabei haben es diese Fragen in | |
sich. Waldrum selbst war es, der auf sie aufmerksam gemacht hat. Im Podcast | |
[2][„On the Whistle“], der sich dem afrikanischen Fußball widmet, erzählte | |
er eine finstere Geschichte über den nigerianischen Fußballverband nach der | |
anderen. | |
Die meisten davon drehen sich um Gehälter und Prämien, die nicht gezahlt | |
worden sind. Betroffen ist auch er selbst. Bis Juli habe der Verband ihm 14 | |
Monatsgehälter geschuldet. Dann habe er gezahlt, aber eben nur sieben | |
Monatsgehälter. Zu Turnierbeginn ist der Verband schon wieder mit acht | |
Gehältern im Rückstand. Vielleicht trifft ihn das persönlich nicht allzu | |
hart. Denn Waldrum macht den Job nur in Teilzeit. Er ist auch noch Trainer | |
der Pittsburgh Panthers, des College-Teams der University of Pittsburgh. | |
## Spielerinnen im Ausstand | |
Aber da sind ja auch noch die Spielerinnen. Auch die müssen immer wieder | |
monatelang auf ihre Prämien warten. Fast zwei Jahre hatten sie kein Geld | |
bekommen, als sie im Sommer des vergangenen Jahres zum Afrika-Cup nach | |
Marokko geflogen sind. Dort sind sie im Halbfinale im Elfmeterschießen | |
gegen die Gastgeberinnen ausgeschieden und waren ihren Status als führende | |
Fußballnation Afrikas los. Mit zwei Ausnahmen hatte Nigeria seit 1991 den | |
Afrika-Cup immer gewonnen. Nun war im Halbfinale Schluss. Das Spiel um den | |
dritten Platz verloren die „Super Falcons“ dann noch gegen Sambia. | |
Zu der Partie gehört indes eine Vorgeschichte, von der Waldrum in dem | |
Podcast berichtet. Eigentlich nämlich hatten die Spielerinnen nicht vor, | |
zum Halbfinale anzutreten, bevor nicht die Prämienfrage geklärt ist. Ein | |
Streik stand im Raum. Verbandsverteter seien nach Marokko geflogen, um die | |
Wogen zu glätten. Es kam zu einer Aussprache, von der bis zu Waldrums | |
Einlassungen in diversen Podcasts lange niemand etwas erfahren hat. | |
Der Verband habe Geld mitgebracht, weniger allerdings, als den Spielerinnen | |
zugestanden habe. Genug allerdings, um die Wogen zu glätten. Das Spiel um | |
Platz drei fand statt und Nigeria verlor mit 0:1 [3][gegen Sambia] – durch | |
ein Eigentor von Torhüterin Chiamaka Nnadozie übrigens, der Heldin aus dem | |
WM-Auftaktspiel der Nigerianerinnen. | |
## Rausschmiss der Co-Trainerin | |
Doch damit ist die Geschichte nicht auserzählt. Im zweiten Teil der Story | |
geht es um Nnadozies Back-up, die Ersatztorhüterin Tochukwu Oluehi. Die | |
habe in der Sitzung, so erzählt es Waldrum, gesagt: „Ihr erzählt uns jedes | |
Jahr das Gleiche. Ihr könnt doch nicht einfach herfliegen und denken, wir | |
würde euch diesmal glauben.“ | |
Das war zu viel für den Verband, der sich nicht scheut, kritische | |
Spielerinnen zu suspendieren. Oluehi verschwand aus den Kaderlisten der | |
nächsten Spiele. Um wieder eine Chance zu haben, musste sie einen | |
Entschuldigungsbrief an den Verband schreiben. Nachdem sie das getan hatte, | |
setzte Waldrum sie auf die Liste mit den Spielerinnen für die WM. | |
Das wiederum passte dem Verband nicht. Der wollte, dass Waldrum eine junge | |
Keeperin aus einem nigerianischen Klub mitnimmt. Doch der Amerikaner | |
spielte nicht mit. Er sei der Trainer und er bestimme, wer spielen darf, | |
meinte er. Außerdem habe er keine Möglichkeit gehabt, eine Spielerin in | |
Nigeria zu scouten, weil das Trainingslager, bei dem dies möglich gewesen | |
wäre, aus Kostengründen vom Verband gecancelt worden sei. | |
Die Reaktion des Verbands ließ nicht lange auf sich warten. Wenn der | |
Verband schon nicht in den Kader eingreifen könne, dann kann er ja sein | |
Recht ausüben, was die Zusammenstellung des Trainerteams betrifft. Und so | |
flog Waldrums Assistentin Lauren Gregg, eine erfahrene Trainerin, die | |
interimsweise mal die USA gecoacht hat, aus dem Betreuerteam. | |
## Wo ist die Fifa-Million? | |
Überhaupt das Trainingslager. Eigentlich sollte das Team vor dem Abflug | |
nach Australien in Nigeria zusammenkommen. Waldrum erzählt, der Verband | |
habe es sich nicht leisten können. Die Fifa schreibe vor, so habe man es | |
ihm gesagt, dass die Spielerinnen Business Class nach Australien fliegen | |
müssen und so sei einfach kein Geld mehr dagewesen. „Ich frage mich schon, | |
wo das Geld der Fifa geblieben ist“, meint dazu Waldrum und spielt auf die | |
gut 950.000 US-Dollar an, die der Weltverband jedem Team für die | |
Vorbereitung auf das Turnier zur Verfügung stellt. | |
Der Verband reagierte umgehend auf die Vorwürfe Waldrums. Sprecher Ademola | |
Olajire nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Wadrum sei der „mit Meilen | |
Abstand schlechteste Trainer“, den Nigeria je gehabt hat und einer, dem es | |
einzig und allein darum gehe, mal ein Team bei einer WM zu coachen, damit | |
sein Lebenslauf besser aussieht. Zudem sei er ein „Klatschmaul“. Ob der | |
denn glaube, dass die Reisen zu Testspielen in die Türkei und nach Japan | |
sowie das 15-tägige Vorbereitungscamp im australischen Gold Coast umsonst | |
zu haben seien. Und die Co-Trainerin? Die sei während des Afrika-Cups | |
todkrank gewesen. Alle hätten Angst um sie gehabt. Demnach soll Waldrum | |
wohl froh sein, dass man die 63-Jährige erst mal los ist. | |
Und was die Torhüterinnen angeht, auch dafür hat Verbandssprecher Olajire | |
eine eigene Version. Wadrum hätte ruhig eine junge Keeperin mitnehmen | |
können. Denn die 33-jährige Yewande Balogun, Waldrums Wahl, habe zuletzt | |
gar nicht mehr gespielt. Sie habe ihre Karriere, die sie zuletzt als | |
Ersatztorhüterin zum französischen Zweitligisten St. Étienne geführt hat, | |
eigentlich schon beendet, um Torwarttrainerin zu werden. | |
Es ist ein irrer Streit, der da tobt und niemand hätte sich gewundert, wenn | |
der Fußballverband Nigerias seinen Trainer noch vor dem Turnier | |
rausgeschmissen hätte. Doch nun leitet er die Trainingseinheiten in | |
Australien und muss ebenso wie seine Spielerinnen so tun, als sei nichts | |
gewesen. Als er bei einer Pressekonferenz auf die Streitigkeiten | |
angesprochen wurde, meinte Coach Waldrum nur: „All das ist vor unserer | |
Ankunft passiert. Seit wir angekommen sind, gilt die volle Konzentration | |
den Gegnerinnen.“ | |
Das Ziel bleibt die Qualifikation für das Achtelfinale. Nach dem Spiel | |
gegen Australien am Donnerstag geht es im Gruppenfinale noch gegen Irland. | |
Doch eigentlich geht es um mehr als diese WM. Es geht um den Status als | |
führende Fußballnation in Afrika. Randy Waldrum wird wissen, was man von | |
ihm erwartet. | |
26 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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