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# taz.de -- US-Wahlkampf: Kandidat Kennedy auf Abwegen
> Robert F. Kennedy Jr. fordert Joe Biden als demokratischer
> Präsidentschaftskandidat heraus. Die Wählergunst erringt er mit
> Verschwörungserzählungen.
Bild: John F. Kennedys Neffe: Die berühmte Politikerfamilie distanziert sich v…
Washington taz | Robert F. Kennedy Jr. will ins Weiße Haus. Der Neffe von
Ex-Präsident John F. Kennedy ist einer von zwei Demokraten, die den
amtierenden US-Präsidenten Joe Biden im Wahlkampf herausfordern. Konkurrenz
aus der eigenen Partei muss an und für sich nichts Schlechtes sein. Doch
sieht man sich den kurz RFK Jr. genannten Kandidaten ein bisschen genauer
an, dann versinkt man in einer Welt von Verschwörungstheorien und
Antisemitismus.
Diese eigentlich disqualifizierenden Attribute finden im Jahr 2023
allerdings auch unter einem Teil der demokratischen Wählerschaft Anklang.
Das heißt nicht zwangsläufig, dass Kennedy wirklich gute Chancen hätte.
Aber es verdeutlicht, dass es für Biden kein Selbstläufer ist, sich im
Wahlkampf zu behaupten.
Sollte sich RFK Jr. entgegen aller Erwartungen gegen Biden durchsetzen
können, dann wäre es das erste Mal in der modernen US-Politik, dass ein
amtierender Präsident von seiner Partei nicht zur Wiederwahl nominiert
werden würde. Für den 69 Jahre alten Kennedy Jr. spricht, dass er über das
nötige Kleingeld verfügt und sein Name Erinnerungen an ein vergangenes –
für manche auch besseres – Amerika weckt. Aufgrund seiner wilden
Verschwörungstheorien hat er jedoch mehr mit Trumps MAGA (Make America
Great Again)-Anhängern gemein als mit Mainstream Demokraten.
## Die Kennedys bekleiden weiterhin hochrangige Positionen
Der Name Kennedy ist trotz allem in den USA noch immer hoch angesehen. Die
Familie hat es im vergangenen Jahrhundert zu enormem Reichtum und Einfluss
geschafft. Mit John F. Kennedy als Präsidenten, Bruder Robert F. Kennedy
als Justizminister und später Senator und dem langjährigen US-Senator
Edward „Ted“ Kennedy prägte die Familie eine politische Ära in den USA.
Auch heute bekleiden Mitglieder der Familie weiterhin hochrangige
Positionen in der Regierung.
Doch auch Tragödien gehören zum Familienstammbaum. Und genau damit beginnt
auch die Geschichte des Robert F. Kennedy Jr. Er war neun Jahre alt, als
sein Onkel 1963 in Dallas, Texas von Lee Harvey Oswald erschossen wurde.
Nur knapp fünf Jahre später traf es auch seinen Vater, der während eines
Wahlkampfauftritts in Los Angeles ebenfalls erschossen wurde.
„Ich denke, dass die Beweise eindeutig dafür sprechen, dass mein Onkel von
der CIA umgebracht wurde. Ich würde sogar sagen, dass daran kein Zweifel
besteht“, erklärte RFK Jr. kürzlich in einem Interview mit dem US-Magazin
[1][The Atlantic].
Es ist nur eine der Verschwörungserzählungen, die Kennedy Jr. von sich
gibt. Und damit ist er nicht allein. Umfragen haben gezeigt, dass immer
mehr Amerikaner:innen bereit sind, Verschwörungstheorien zumindest in
Betracht zu ziehen, ob es nun um die Herkunft des Coronavirus geht, die
US-Präsidentschaftswahl 2020 oder die Existenz geheimer Kerker, wo Eliten
Kinderblut trinken, wie es die QAnon-Bewegung erzählt. Im August 2020 trat
Kennedy bei der ersten großen [2][„Querdenken“-Demonstration in Berlin] auf
und ließ sich dort für die Aussage feiern, die angebliche Coronapandemie
sei von Bill Gates und Antony Fauci jahrelang geplant worden.
## Ablehnung der sogenannten Elite herrscht im Land
In vielen Teilen der USA herrscht eine regelrechte Abneigung gegenüber dem
Expertentum und der sogenannten Elite. Es ist genau diese Abneigung, in die
RFK Jr. mit seinem Wahlkampf eintauchen will. „Mein Ziel ist es, Ämter und
Behörden wieder vertrauenswürdig zu machen. Die Menschen trauen den
staatlichen Organen nicht mehr, da diese sie immer wieder angelogen haben.
Auch die Medien lügen die Menschen an“, sagt er.
Er selbst hält es mit der Wahrheit allerdings auch nicht so genau. Mit
seinem Vermögen hat Kennedy Jr. in der Vergangenheit immer wieder Studien
finanziert, die einen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus bei
Kindern suggerierten. Erst vergangenen Monat wiederholte er diese Aussagen
während eines Auftritts in dem populären [3][Podcast] von [4][Joe Rogan].
Dutzende andere Studien haben einen solchen Zusammenhang widerlegt.
RFK Jr. selbst sieht sich freilich nicht als Verschwörungsmythenverbreiter,
sondern als kritischen Denker, der die Autoritäten von Wissenschaftlern,
Ärzten oder Behörden hinterfragt. In seinem privaten Leben ist der gelehrte
Anwalt allerdings nicht ganz so abgeneigt von traditioneller Medizin.
## Polemische Aussagen über Juden in Nazi-Deutschland
Wer Kennedy Jr. reden hört, merkt sofort, dass mit seiner Stimme etwas
nicht stimmt. Er selbst erklärt, dass er bis zu seinem 42. Lebensjahr keine
Probleme hatte, doch eine neurologische Verletzung, Spasmodic dysphonia
genannt, veränderte dies. Erst vergangenes Jahr unterzog er sich einer
experimentellen Operation in Japan, die laut eigenen Aussagen zu einer
Verbesserung führte. Ganz heilen konnte die Operation seine krächzende und
kratzende Stimme jedoch nicht. Ob sein früherer Drogenkonsum damit etwas zu
tun hat, ist nicht bekannt.
Auch wenn er sich selbst nicht gerne hört, seiner medialen Präsenz und
Kundgebungen tut dies keinen Abbruch. Im vergangenen Jahr erklärte er
während einer Anti-Impf-Veranstaltung in Washington mit Megafon in der
Hand, dass Juden in Nazi-Deutschland mehr Freiheiten gehabt hätten, als
Amerikaner:innen heutzutage.
Seine Schwester, die Dokumentarfilmemacherin Kerry Kennedy, verurteilte
diese Aussage auf das Schärfste. Es sollte nicht die einzige kontroverse
Aussage bezüglich des Coronavirus bleiben. Am vergangenen Wochenende
veröffentlichte die New York Post ein Video, in dem RFK Jr. antisemitische
Bemerkungen von sich gibt.
„Es gibt die Vermutung, dass das Virus gezielt bestimmte ethnische Gruppen
attackiert. Covid-19 greift gezielt und unverhältnismäßig weiße und
schwarze Menschen an. Die Menschen mit der höchsten Immunität sind
aschkenasische Juden und Chinesen“, so der demokratische Kandidat. Harsche
Kritik kam daraufhin aus dem Weißen Haus: „Dieser Kommentar gibt einige der
abscheulichsten antisemitischen Verschwörungstheorien der Geschichte wider
und trägt zum heutigen gefährlichen Anstieg des Antisemitismus bei“, sagte
Pressesprecherin Karine Jean-Pierre,
## Gute Umfragen für RFK Jr. und Elon Musk als Unterstützer
Trotz dieser und anderer Aussagen hat es Kennedy geschafft, Umfragewerte
von bis zu 20 Prozent unter demokratischen Wählern zu erreichen. Zwar ist
Bidens Vorsprung mit einer knapp 70-prozentigen Zustimmung unter Demokraten
enorm, doch die zunächst als nebensächlich abgestempelte Kampagne von RFK
Jr. hat Stehvermögen bewiesen.
Unterstützung bekommt Kennedy von diversen Wählergruppen. Dazu zählen
Impfgegner, Regierungsgegner, Technologie-Größen aus dem Silicon Valley,
prominente Querdenker, Liberalisten, Trump-verdrossene Republikaner und
eben Demokraten, die glauben, dass Biden zu alt und geistesschwach sei, um
weitere vier Jahre zu regieren.
Tesla-Chef Elon Musk gab Kennedy im vergangenen Monat einen weiteren Schub,
als er ihn für zwei Stunden auf Twitter interviewte. Nur eine Woche zuvor
hieß Musk Floridas Gouverneur [5][Ron DeSantis] auf der Plattform
willkommen, der dort seine Kandidatur für die republikanische Nominierung
bekannt gab.
Zu Kennedys Unterstützern zählen unter anderem auch die Schauspielerin und
Impfgegnerin Alicia Silverstone, die vielen aus dem Film „Clueless – Was
sonst!“ bekannt sein sollte, und Twitter-Mitgründer Jack Dorsey. Der
retweetet regelmäßig Kennedy-Posts, und als RFK Jr. in einem erklärt, dass
er sowohl Trump als auch DeSantis besiegen könnte, kommentiert Dorsey: „Er
kann und wird.“
Eine politische Organisation, auch Super PAC genannt, die Kennedy Jr. in
seinem Wahlkampf unterstützt, soll laut ihrem Vorsitzenden mindestens 6,3
Millionen US-Dollar an Spenden erhalten haben. Hinzu kommt sein eigenes
Vermögen. Im vergangenen Jahr hatte Kennedy ein Einkommen von 7,8 Millionen
US-Dollar. Der Großteil davon durch seine auf Umweltrecht spezialisierte
Anwaltskanzlei Kennedy & Madonna.
## Experten sehen wenige Chancen für RFK Jr.
Trotz der medialen Aufmerksamkeit, die Kennedys Kampagne aktuell erhält,
geben Experten seiner Kandidatur nur geringe Chancen. „Demokraten wissen,
dass RFK Jr. gar kein echter Demokrat ist. Seine anstößigen Ideen decken
sich eher mit Trump und den anderen republikanischen
Präsidentschaftskandidaten, und sind daher für Demokraten und unabhängige
Wähler eher abstoßend“, schreibt der politische Berater Jim Messina, der
Barack Obamas Wahlkampf im Jahr 2012 leitete, auf Twitter.
Kennedy vertritt mit Themen wie Umweltschutz, erneuerbare Energien und die
Erinnerung an seinen Onkel und Vater durchaus demokratische Attribute. Er
hat sich mit seinen Verschwörungstheorien, Anti-Impf-Rhetorik,
Pro-Russland-Kommentaren und seiner Opposition zu einer Verschärfung der
US-Waffengesetze für viele Demokraten allerdings selbst ins Abseits
katapultiert.
24 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.theatlantic.com/politics/archive/2023/06/robert-f-kennedy-jr-pr…
[2] /Der-Anwalt-Robert-Kennedy-Jr/!5706424
[3] https://open.spotify.com/episode/3DQfcTY4viyXsIXQ89NXvg
[4] /US-Comedian-Joe-Rogan-hat-Corona/!5793056
[5] /US-Praesidentschaftswahl-2024/!5936830
## AUTOREN
Hansjürgen Mai
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