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# taz.de -- Graphic Novel über Maradona: Schreiendes Leder
> Eine Graphic Novel zeichnet das bewegte Leben der Fußballlegende Maradona
> in opulenten Bildern nach. Darunter auch jene finstren Gestalten, die ihm
> das Koks schmackhaft gemacht haben.
Bild: Straßenszene in Neapel: Alter Mann vor Diego Armando Maradona
Schon wieder so ein Gänsehautmoment mit Lionel Messi. Fans verbeugen sich.
Tränen fließen. Winke, winke! Und dann, natürlich, noch ein Tor des Mannes,
der im Winter Argentinien zum Weltmeisterttitel geführt hat. Messi, Messi
über alles! Die Emotionen schwappten durch die ganze weite
Social-Media-Welt des Fußballs. Aufgenommen worden waren sie in der
„Bombonera“, dem Stadion der Boca Juniors in Buenos Aires..
Dorthin hatte Juan Román Riquelme zum Abschiedsspiel geladen. Der
Ballkünstler, der seine Karriere bei diesem Klub aus Buenos Aires begonnen
hat, hatte einen Tag nach seinem 45. Geburtstag zu einem letzten Tanz
geladen. Argentinien mit Messi gegen die Boca Juniros, den Klub, von dem
aus Diego Maradona einst Anlauf genommen hat zu seiner Karriere.
Brav sagte Riquelme, dass er es toll gefunden hat, auch mit Messi
zusammengespielt zu haben – genauso wie mit Maradona. Warum sollte eine
Nation nicht zwei Fußballheilige haben, mag man sich da fragen. Biografien,
die sich wie Heiligenlegenden lesen, gibt es um beide Spieler noch und
nöcher. Aber auch wenn über die Frage, wer von den beiden der bessere
Fußballer gewesen sei, noch in 100 Jahren gestritten werden mag, gibt es
über die Frage, wessen Leben mehr Stoff für die ganz große Erzählung
hergibt, keine zwei Meinungen.
Das Leben von Diego Maradona war gewiss noch verrückter als jenes Tor, das
der bei der [1][WM 1986 in Mexiko im Spiel gegen England] mit der Hand
erzielt hat, und es war gewiss so aufregend wie das Tor des Jahrhunderts
nach einem Lauf mit dem Ball über mehr als das halbe Spielfeld in der
gleichen Partie.
## „Die Hand Gottes“
Jetzt sind neue Bilder davon aufgetaucht. [2][Ernesto Carbonetti] hat sie
für die Graphic Novel „Die Hand Gottes“ gezeichnet, die eben im Splitter
Verlag erschienen ist. Paolo Baron hat die Geschichte von Maradonas Leben
fürs Buch geschrieben, an dem man sich kaum stattsehen kann. So viele
Bilder, die sich gewiss manch ein Fan, gäbe es sie als Poster, an die Wand
hängen möchte, sind da zu sehen. Der Ball am Fuß des jungen, unermüdlichen
Dribblers, dem die Behandlung durch Maradonas Fuß irgendwann einfach zu
viel wird. „Stopp, ich kann nicht mehr!“, schreit das Leder dann.
Aber da sind auch die Bilder der sinistren Gestalten, die sich mit ihm
schmücken wollen und ihm das Koks schmackhaft gemacht haben. Das sind die
Bilder von Maradona mit den linken Führern Lateinamerikas, aber eben auch
der Ausflug zum Friedensmatch nach Tschetschenien, wo er auf Einladung des
dortigen Präsidenten Ramsan Kadyrow einst in einer Promi-Elf gespielt hat.
Der elegante Maradona, der Ritter, ist schön anzusehen. Und armselig der
Ballkünstler mit Wampe und ohne Gewissen. Nein, zur Heiligenverehrung
taugen die wuchtigen Bilder nicht, die da gezeichnet werden. Und sie
bezeugen doch, wie wichtig Maradona für so viele Menschen war und
vielleicht immer bleiben wird – nicht nur in Neapel, der Stadt, der er zwei
Meisterschaften geschenkt hat.
„Ich war ein Straßenjunge aus einer armen Gegend in Neapel“, wendet sich
der Erzähler zu Ende des Buchs an die Lesenden. Warum Maradona für ihn
immer noch präsent ist, auch zwei Jahre nach seinem Tod? „Weil er mir half
zu wachsen. Sogar mit seinem schlechten Beispiel.“ Und weil er war „wie ein
Heiliger im Rückwärtsgang, der zuerst Wunder vollbringt und sich dann
selbst zerstört“.
Das möge Lionel Messi erspart bleiben. Es kann ja nicht jeder ein Leben
führen, als hätte es sich jemand für eine bildmächtige Graphic Novel
ausgedacht.
6 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=Da_CDPRG2j0
[2] https://imagecomics.com/creators/ernesto-carbonetti
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Kolumne Kulturbeutel
Diego Maradona
Graphic Novel
Fußball
Messi
SSC Neapel
Religion
Fußball
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