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# taz.de -- Hamburg und die muslimischen Verbände: Staatsvertrag auf dem Sezie…
> Vor zehn Jahren schloss Hamburg Verträge mit mehreren muslimischen
> Verbänden, nun steht eine Evaluation an. Die CDU will die Vereinbarung
> aussetzen.
Bild: Wie soll sich Hamburg ihnen gegenüber verhalten? Schura-Mitglieder demon…
Hamburg taz | Der große Knall ist ausgeblieben. Der wäre in den Augen nicht
weniger Beteiligter wohl gewesen: [1][Der Verfassungs- und
Bezirksausschuss] der Hamburgischen Bürgerschaft empfiehlt die Kündigung
der Verträge zwischen der Stadt und mehreren muslimischen sowie
alevitischen Verbänden. Ihre Unterzeichnung liegt nun etwas über zehn Jahre
zurück, und für diesen Zeitpunkt hatten sich die Vertragspartner eine
Evaluation verordnet – die für manche freilich keine ist.
So wie sich Dissens schon an der Frage entzünden kann, ob es sich bei den
Ende 2012 unterschriebenen, Mitte 2013 dann auch vom Parlament abgenickten
Papieren überhaupt um echte Verträge handelt. Denn während sich die Stadt
darin auf allerlei verpflichte, so wiederholten es nun Kritiker:innen,
täten die beteiligten Verbände genau das ja nicht.
Im November 2012 hatte Olaf Scholz (SPD), damals Erster Bürgermeister, zwei
Verträge unterzeichnet: einen mit dem Landesverband der
Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), dem Rat der
Islamischen Gemeinschaften (Schura) sowie dem Verband der Islamischen
Kulturzentren (VIKZ). Einen zweiten schloss die Stadt mit der Alevitischen
Gemeinde Deutschland. Geregelt sind darin Rechte und Pflichten, betreffend
etwa die Gleichstellung von Mann und Frau, den Religionsunterricht an
Schulen, Bestattungs- und Feiertagsregelungen, aber auch ein Bekenntnis zum
Grundgesetz.
[2][Die Bürgerschaft nahm die Verträge Mitte 2013 an] mit den Stimmen von
SPD, Grünen und Linken sowie denen einzelner CDU- und FDP-Abgeordneter.
Diese Details sind insofern wichtig, als – neben der AfD – CDU und FDP
wiederholt Kritik geäußert haben an den Vereinbarungen oder genauer: an
einigen derjenigen, mit denen sich die Stadt da geeinigt hatte. Von Anfang
an beargwöhnte man, dass das schiitische Islamische Zentrum (IZH) als Teil
der Schura mit im Boot war.
## Rechte und Pflichten
Von einer „organisatorischen Vertretung des iranischen Regimes in Europa“
sprach schon im Juni 2013 der damalige CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich;
es träten „vom Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingeschätzte“
Moscheevereine „einem Vertrag bei, dessen Inhalt sie ganz offensichtlich
nicht leben“. Das IZH und seine Rolle als Organisator des wiederholt in
antisemitische Entgleisungen mündenden [3][Al-Quds-Tags in Berlin] haben
immer wieder Anlass geliefert für die Forderung, Hamburg müsse die Verträge
wenigstens „aussetzen“.
Nun war der Vater der Verträge allerdings gar kein allzu lascher
Multikulti-Sozialdemokrat gewesen: Den Anstoß dazu gegeben hatte 2006
vielmehr Scholz’ CDU-Amtsvorgänger Ole von Beust. Als die Papiere dann in
der Bürgerschaft zur Abstimmung standen, waren die
Christdemokrat:innen mehrheitlich dagegen – auch André Trepoll, heute
Schriftführer des Verfassungsausschusses.
Als der am vergangenen Donnerstag zusammenkam, standen drei Punkte auf der
Tagesordnung. Davon waren gleich zwei potenzielle heiße Eisen – dass für
die Selbstbefassung zur Frage „Gendergerechte Sprache in parlamentarischen
Dokumenten“ dann nur ein paar Minuten blieben, lag daran, wie viel Raum den
Verträgen gewidmet worden war: Deutlich über vier Stunden lang hatten sich
die Vertreter*innen der Bürgerschaftsfraktionen einerseits ausgetauscht
über den Senatsbericht über „die Anwendung der Verträge“.
Vor allem aber stiftete ein CDU-Antrag Stoff für die Beschäftigung:
„Schluss mit der inakzeptablen Toleranz gegenüber dem Islamischen Zentrum
Hamburg“ forderten die Christdemokrat:innen erneut schon im Titel,
und: „Staatsvertrag mit den muslimischen Verbänden aussetzen!“. Dazu waren
neben Vertreter:innen der Vertragspartner auch eher kritische
Expert:innen etwa vom Berliner [4][„Mideast Freedom Forum“] oder dem
[5][Verein „Säkularer Islam Hamburg“] geladen; der mitunter schillernde,
zuletzt etwas in die Kritik geratene Ahmad Mansour hätte per Videoschalte
dabei sein sollen, das passierte am Ende aber nicht.
## Neue Probleme
Indes ist der markig überschriebene CDU-Vorstoß von der Wirklichkeit
überholt worden: Das IZH ist seit November 2022 nicht mehr Teil der Schura.
Kam es mit seinem Austritt – gefolgt von dem [6][mehrerer andere
schiitischer Organisationen] – dem immer wieder verlangten Rausschmiss
schlicht zuvor? Oder zeigt er vielmehr, dass der Verband sich genau damit
sehr schwer tat, was Zweifel an seiner Vertrags-, ja: Verfassungstreue auch
jetzt noch nährt?
Pünktlich zur Ausschusssitzung waren Senat und Bürgerschaft, aber auch der
Presse Hinweise zugegangen, wonach sich an hoher Schura-Stelle noch immer
problematisches Personal findet: Im Vorstand säßen seit den jüngsten Wahlen
zwei Mitglieder eines „mutmaßlichen Ablegers der türkischen Hizbullah“, so
[7][der Berliner Religionswissenschaftler Volker Beck]; mithin einer einst
terroristischen, heute vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung. Für
Beck – und in der Folge auch einige in Hamburg Anwesende – ist die
Konsequenz klar: Auch ohne IZH dürfe die Stadt mit der Schura nicht
kooperieren.
Was nun herausgekommen ist bei der Evaluation, und vor allem, ob sich
daraus eine Erfordernis zu politischem Handeln ergibt: Damit will der
Ausschuss sich frühestens in seiner übernächsten Sitzung beschäftigen, im
Oktober.
11 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.hamburgische-buergerschaft.de/fachausschuesse/4412720/verfassun…
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/41893/plenarprotokoll_20_6…
[3] /Al-Quds-Tag/!t5036218
[4] https://www.mideastfreedomforum.org/
[5] https://www.vsi-hh.de/
[6] /Schiitische-Vereine-verlassen-die-Schura/!5896631
[7] https://www.volkerbeck.de/vita/
## AUTOREN
Alexander Diehl
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