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# taz.de -- Die Wahrheit: Elbfähre statt Nazischleuder
> Um Hamburg und seine Staus zu umfahren, gibt es ein Wasserfahrzeug, das
> von Glückstadt nach Wischhafen unterwegs ist und „Elb-Cruising“ bietet
Bild: Schwarzrotbrat sind die Thüringer Farben
Freund Günther schrieb: „Erstmals nahm ich jetzt die Elbfähre von
Glückstadt nach Wischhafen, weil ich die Staus in und um Hamburg umschiffen
wollte. Die Überfahrt dauerte eine halbe Stunde. Herrlich die Elbe!“
Meine Jungfernfahrt dürfte mehr als 50 Jahre vor seiner gewesen sein,
textete ich Günther zurück. Seinerzeit pflegten schon meine Eltern die Elbe
ausschließlich per Fähre zu queren, wenn sie mit ihrem Opel Rekord Caravan
samt fünfköpfiger Kinderschar von Bielefeld aus in die jährlichen
Sommerurlaube zur Ostsee rauf machten.
Nur einmal fuhren wir über Hamburg. In einem 190er Benz, der Hans
Quassowski gehörte. Ein ehemaliges, wenn auch lebenslänglich bekennendes
Mitglied der Leibstandarte SS Adolf Hitler und unser Reihenhausnachbar.
Quasso, wie wir den Nebenan-Nazi intern nannten, hatte meinen Eltern
angeboten, uns in den Urlaub zu chauffieren, was jedoch, wie meine Mutter
hinterher beklagte, viel strapaziöser war als die Reise sonst.
Ich saß mit meinem Vater auf dem Beifahrersitz. Der Rest der Familie
drückte die Rückbank des SS-Uniform-schwarzen Mercedes. Irgendwann war
Stau, was Quasso dazu nutzte, um übers Seitenfenster mit anderen
Autofahrern zu palavern; wird ja heute nicht mehr gemacht wegen der
Klimaanlage. Damals aber kurbelten sie immer gleich die Fenster runter.
Ich weiß sogar noch, worum es in einem der Gespräche ging: um das Für und
Wider von Lenkerhandschuhen. Während der Typ nebenan wegen des vermeintlich
größeren Grip drauf schwor, favorisierte Quasso eher sein puscheliges, mit
Kaninchenfell ummanteltes Lenkrad. Und was soll ich sagen? Das einzige Mal,
dass ich, damals circa sechs, mit einem Nazi einer Meinung war. Die
Argumente fürs Karnickel-Lenkrad waren überzeugender als die für die albern
gelochten Lenkerhandschuhe.
Die Elbfähre nahm ich später häufiger, nachdem ich in den Norden gezogen
war und fürs Fernsehen den Reisetipp „Elb-Cruising“ produziert hatte: ein
kurzer fideler Film über die angebliche Möglichkeit, eine Kabine auf der
Autofähre zu buchen, um nach Lust und Laune tage- oder gar wochenlang
zwischen Wischhafen und Glückstadt zu pendeln und dabei – vom Captain’s
Dinner („1 Bockwurst im zarten Saitling an einer dreieckigen Scheibe Toast
mit Senf“) bis hin zum entspannten Automatendaddeln im unterm Autodeck
gelegenen eierschalenfarbenen Salon – alle Annehmlichkeiten an Bord voll zu
genießen.
Freund Günther schrieb mir nach Sichtung des Films auf YouTube (bisher 52
Klicks): Er würde diese Kreuzfahrt sofort buchen. Ich gratulierte ihm:
„Sehr ansprechend finde ich übrigens den Namen 'Happytown’ für Glückstad…
Es gab da jedenfalls am Anleger eine Imbissbude, die 'Happytown Beach-Club’
hieß. Schau doch bitte beim nächsten Mal, ob die noch existiert. Die
Fischbrötchen da waren immer sehr gut.“
5 Jul 2023
## AUTOREN
Fritz Tietz
## TAGS
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