# taz.de -- Die Wahrheit: Angeschossen beim Golf | |
> Verschwundene Golfbälle wiederzufinden, ist ein lukratives Geschäft. Mit | |
> manchen historischen Bällen lassen sich zehntausende Euro verdienen. | |
Bild: Der Churer Zuckerbäcker Arthur Bühler in seiner Backstube | |
In Irland geschehen mitunter seltsame Dinge. Allerdings kommt es auch auf | |
der Grünen Insel nicht oft vor, dass ein Golfballsammler im Taucheranzug | |
von einem Jäger angeschossen wird. Der hatte geglaubt, im Unterholz treibe | |
sich bei Anbruch der Dunkelheit ein wildes Tier herum, und zur Sicherheit | |
hat er mit dem Gewehr draufgehalten. | |
Zwei grundverschiedene Gruppen waren an jenem Abend vor zwei Wochen im | |
Corrstown Golf Club in Kilsallaghan bei Dublin unterwegs: Jäger und | |
Sammler. Letztere suchten im See auf dem Clubgelände nach Golfbällen – eine | |
lukrative Beschäftigung, von der eine ganze Reihe Unternehmen weltweit | |
leben. Jedes Jahr gehen Hunderte Millionen Golfbälle verloren. Viele werden | |
von Profisuchern gefunden, gereinigt, klassifiziert und je nach Marke und | |
Zustand für 25 Cent bis 2 Euro pro Stück verkauft. | |
Aber die Golfbälle, die nicht gefunden werden, sind Plastikmüll. Da | |
Golfplätze gern in Meeresnähe angelegt werden, weil man den Spielern wegen | |
der Aussicht mehr Geld abknöpfen kann, landen Unmengen Bälle im Meer. In | |
den USA hat man allein am Pebble-Beach-Golfplatz bei einer Suchaktion von | |
Umweltschützern mehr als 50.000 Golfbälle aus dem Meer gefischt. | |
Mancher Golfball ist jedoch ein Vermögen wert. Vor einigen Jahren sind | |
Taucher in den Lough Salt in der nordwestirischen Grafschaft Donegal | |
gesprungen, um die seltensten Golfbälle der Welt zu suchen. Sie gehörten | |
der Golflegende Old Tom Morris, der die British Open im 19. Jahrhundert | |
viermal gewonnen hat. Kein Wunder, stammte er doch aus dem schottischen St. | |
Andrews, wo Golf erfunden worden ist. | |
Ein Lord Leitrim holte ihn 1891 nach Irland, um den Rosapenna-Golfplatz zu | |
entwerfen. Zur Entspannung kletterte Morris eines Abends auf einen Hügel | |
und versenkte von dort rund 20 Bälle im Lough Salt, der so tief sein soll | |
wie der Loughsalt Mountain hoch ist, nämlich 469 Meter. Weil Morris so | |
berühmt war, gab es Nachahmer. Fortan schoss fast jeder Golfer nach einer | |
Runde in Rosapenna ein paar Bälle vom Hügel in den See. | |
Deshalb liegen inzwischen Tausende Bälle auf dem Grund. Einige aus dem | |
frühen 20. Jahrhundert hat man geborgen, aber Morris’ Guttaperchabälle aus | |
dem eingetrockneten Milchsaft des Guttaperchabaums, die um 1840 erfunden | |
wurden, ruhen noch im See. Jeder von ihnen ist 20.000 Euro wert. | |
Heutzutage gibt es eine App, die Golfbälle angeblich überall findet – im | |
Gestrüpp, in der Wüste, in Baumwipfeln, unter Blättern. Man muss das | |
Smartphone in die Richtung halten, in der man den Ball vermutet, und wenn | |
es vibriert, ist man dem Ziel nah. Bei einem Turnier sind aber nur fünf | |
Minuten für die Suche erlaubt. Unter Wasser im Lough Salt würde das Phone | |
wohl kaum vibrieren. Morris hat damals übrigens Glück gehabt, dass er nicht | |
erschossen worden ist. In Donegal sind schließlich schon die Kinder | |
bewaffnet. | |
26 Jun 2023 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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