# taz.de -- Evangelische Kirche postkolonial: Mit Folklore und Wahrheitsanspruch | |
> Die evangelische Kirche will ihre Kolonialgeschichte aufarbeiten. Doch | |
> gemeinsame Perspektiven bleiben rar – wegen christlicher Versöhnlichkeit. | |
Bild: Tomboa, Angola: verlassene Kirche aus der portugiesischen Kolonialzeit | |
Das Kirchentags-Hauptpodium zu postkolonialem Erbe ist überfüllt. Leute | |
bleiben vor der Eingangstür sitzen, suchen hektisch nach dem Livestream. | |
„Die antirassistische Gesellschaft müssen wir uns erarbeiten!“, ist zu | |
hören. | |
Drinnen ringt die evangelische Kirche um [1][ihre Kolonialgeschichte]. „Es | |
gab Pfarrer, die sich an Strafmissionen beteiligt haben. Pfarrer, die | |
Sklavenschiffe gesegnet haben“, erklärt der Rassismusforscher Narku Laing. | |
Es geht um Folklore, um Missionare, die selbst als Kolonialherren | |
auftraten, aber auch um kritische, teils gutgläubige Missionare, die das | |
Bild für einige bis heute entschärfen. Die EKD forderte 2018 erstmals eine | |
Aufarbeitung der „zwiespältigen Rolle der Mission“ – ihre Missionare hä… | |
dem Kolonialismus einen fruchtbaren Boden bereitet. | |
Auch weil viele auf eigene Faust handelten, bleibt die Rolle der Kirche bis | |
heute unscharf. Anhand [2][zehntausender Objekte in Museumsbesitz] ließe | |
sich trotzdem ein eindeutiges Bild zeichnen, so die Kunsthistorikerin | |
Bénédicte Savoy: Militär, Mission und Museen hätten um 1900 als | |
komplizenhaftes System funktioniert. Nur für die Öffentlichkeit sei davon | |
fast nichts zu sehen, weswegen es vor einer echten Restitution vor allem | |
einen Transfer von Wissen brauche. | |
## Die einzige Wahrheit? | |
Für die Kirche ist das nicht einfach, denn [3][beim Wissenstransfer aus | |
Europa ist sie, vorsichtig ausgedrückt, vorbelastet]. Lange traten | |
Missionare in den afrikanischen Kolonien mit dem einen, erlösenden Glauben | |
auf, sie seien allein im Besitz der einzigen Wahrheit. | |
Im globalen Süden erscheint die Kirche oft in anderem Licht: „Es gibt | |
kontinentale Perspektiven und es gibt diasporische“, erklärt die Theologin | |
Sarah Vecera. Das wird das besonders klar, als Fidon Mwombeki spricht. Er | |
ist Generalsekretär der Gesamtafrikanischen Konferenz der Kirchen. „Es ist | |
zu viel Zeit seit der Unabhängigkeit vergangen, als dass wir alle Probleme | |
auf den [4][Kolonialismus] zurückführen können. Wir wollen ein unabhängiger | |
Kontinent sein, der partnerschaftlichen Respekt verdient“, sagt er. | |
„Unmöglich, wenn der frühere Unterdrücker ständig daran erinnert, wie | |
erfolgreich er war.“ | |
„Beeindruckend versöhnlich“ nannte Regionalbischöfin Petra Bahr diese Sic… | |
am selben Tag. Das solle die Kirche „nicht davon entlasten, die Geschichte | |
gründlich aufzuarbeiten“. | |
12 Jun 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Raoul Spada | |
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