# taz.de -- Israelischer Botschafter in Neukölln: Perfekt abgeschirmt durch Ne… | |
> Der israelische Botschafter besucht die Sonnenallee, nachdem häufiger | |
> antiisraelische Plakate gesichtet wurden. Den Menschen dort begegnet er | |
> nicht. | |
Bild: Sieht nur wie ein ganz normaler Spaziergang aus | |
Berlin taz | Wo die Weichselstraße die Sonnenallee kreuzt, also zwischen | |
City Chicken, Bio Company, Netto und Mr. Grill, stehen zwei Polizeiwannen, | |
die darum herum verteilten BeamtInnen wirken nervös. „Kommt wohl 'ne Demo“, | |
sagt eine Frau am Eingang zum Biomarkt. Was sie ebensowenig weiß wie alle | |
anderen hier: Der [1][israelische Botschafter Ron Prosor] hat sich | |
angekündigt. | |
Dann geht ein Ruck durch die PolizistInnen: Schwarze Limousinen nähern sich | |
aus Richtung Karl-Marx-Straße, dann geht Prosor die letzten Schritte zur | |
Ecke, neben ihm Bezirksbürgermeister Martin Hikel. Während sich | |
schrankgleiche LKA-Männer um die beiden aufbauen, zeigt Hikel dem Besucher | |
eine Reihe von Fotografien in einer schwarzen Mappe. | |
Abgebildet sind darauf Plakate, wie sie an der Sonnenallee zuletzt öfter zu | |
sehen waren: Solidaritätsaufrufe mit palästinensischen Gefangenen, auch die | |
Verherrlichung von Raketen auf Israel. Die B.Z. hatte darüber berichtet, | |
Prosor selbst hatte den Artikel auf Twitter geteilt und dazugeschrieben: | |
„Als ich vor einem knappen Jahr hier angekommen bin, hätte ich nicht | |
erwartet, dass die Straßen von Neukölln denen von Gaza derart ähneln.“ | |
Die Plakate stammen von der Gruppe Samidoun, die an Ostern auch eine Demo | |
anmeldete, auf der antiisraelische sowie antisemitische Parolen gerufen | |
worden sein sollen. [2][Zwei weitere Kundgebungen wurden dann von der | |
Polizei verboten] – was eine Gruppe aus jüdischen und israelischen | |
BerlinerInnen als diskriminierend und antidemokratisch kritisiert wurde. | |
Der Botschafter ist sich jedenfalls sicher, dass Poster und Parolen der | |
Ausdruck kleiner, terroristischer Gruppen sind: „Die schweigende Mehrheit | |
sind anständige Leute“ – gemeint ist natürlich die arabische Community in | |
Neukölln. Samidoun müsse als Terrororganisation eingestuft und verboten | |
werden, damit „befreie“ man auch alle anderen. | |
Hikel gibt zu Protokoll, dass die Demonstrationen „grenzwertig“ gewesen | |
seien. „This is no fun, this is supporting terrorism“, sagt er zu den | |
Plakatierungen in ein Mikro. Er verweist darauf, dass der Bezirk im Rahmen | |
des Migrationsrats im Gespräch mit vielen Vereinen sei. Gleichzeitig habe | |
Neukölln die Partnerschaft mit der israelischen Stadt Bat Yam reaktiviert. | |
## Lebende Mauer vor der Shishabar | |
Dann geht es zu Fuß die Sonnenallee entlang: Zwei Dutzend uniformierte | |
PolizistInnen, ein halbes Dutzend LKA-Personenschützer und eine nicht genau | |
bezifferbare Menge auffällig unauffälliger Männer umgeben Prosor und Hikel | |
wie ein Schutzschild, die Straße ist für den Verkehr abgeriegelt. Zum | |
Kontakt mit den Menschen, die hier leben, kommt es nicht. Als der Tross | |
eine Shishabar passiert, bilden die Uniformierten eine lebende Mauer zu den | |
Männern, die davor sitzen und rauchen. | |
An Ende trinken Prosor und Hikel einen Kaffee in der Pannierstraße: nicht | |
etwa vor der syrischen Palast-Konditorei, sondern vor der „Croissanterie“, | |
dem mutmaßlich letzten Überbleibsel hier aus der Zeit, bevor die Sonnenalle | |
arabisch und die Weserstraße verhipstert wurde. | |
Eines kann der menschliche Schutzschild dann nicht verhindern: Drei junge | |
Männer, die gegenüber frühstücken, bekommen mit, was los ist, und | |
improvisieren eine Protestnote: Sie schreiben mit grünem Nagellack „Free | |
Palestine“ auf eine Serviette und lassen sie vom Tischrand flattern. | |
12 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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