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# taz.de -- Aufputschen im Alltag: Der nette Mann mit dem Koks ist da
> Mit stimulierenden Mikrodosierungen flirtet inzwischen auch mancher
> Elternzeit-Vati. Unser Autor hat dagegen schon lange keine Lust mehr
> darauf.
Bild: „Mother’s Little Helper“
Kokain, das alte Hausmittelchen, ist wieder mal in aller Munde. Die
deutsche Polizei [1][hat die Mafia im Geschäft entdeckt], der Stern
[2][schwelgt im „Kokainkrieg]“, [3][in Bern legalisieren sie probeweise,]
in [4][Zürich denken sie darüber nach] und die Lebensbeichten alter
Nasenbären passen auf keine Kreditkarte.
Die Droge hat eine Berechtigung in dieser Kolumne insofern, als es sich im
weiteren Sinne um einen von [5][„Mother’s Little Helper“] handelt, wie das
Stamperl Asbach unserer Muttis in den 1970er Jahren angesichts des
täglichen Haushaltsdesasters. Mit stimulierenden Mikrodosierungen flirtet
inzwischen auch mancher Elternzeit-Vati, wenn er vor dem Chaos steht, das
seine Traumfamilie ihm zur Vormittagsbeschäftigung hinterlassen hat.
Mein Abschied von dem Zeug war einer dieser strahlenden Montagmorgen, an
dem ich mit den Kumpanen zum Abschied gestreckten Babypuder von einer
Motorhaube geschnupft hatte, um dann schwer heruntergerockt mich als eine
Art Geisterfahrer den Landwehrkanal entlangzuschleppen, mit teuflischen
kleinen Laufradrasern als Gegenverkehr. Deprimierender aber waren die
abschätzigen Blicke der Großen auf dieses zugekokste Me, das mit so einem
wunderschönen Frühsommertag nichts anderes anzufangen wusste, als
schnellstmöglich die rettende Wohnung zu erreichen und ins Bett zu fallen,
ohne Zähneputzen versteht sich.
## Sich die Welt friedlich zu kiffen klappte auch nicht
Schön war das Aufwachen dann nicht; und ich vermisse nichts daran, bin aber
froh, es, tja, durchgezogen zu haben. Ich habe meines Wissens, aber was
heißt das schon, in diesem Zustand, niemand anderem Schaden zugefügt als
mir selbst. In München bestätigte mir das eine alte Zahnärztin des
Fassbinder-Clans, die meine Parodontitis mit geübtem Auge kommentierte:
„Hamma a bisserl viel gekokst“?
Dass Kokain mich abhängig gemacht hätte, vergleichbar Kaffee und
Zigaretten, kann ich dabei nicht bestätigen. Wenn Sie das nicht wissen
wollen, hören Sie halt auf zu lesen (wenn Sie’s denn schaffen). Mich hatte
allerdings auch ein sehr netter Mittelkrimineller in Mittelhessen in die
Sache eingeführt: Wenn ich nichts mehr nehmen würde, bekäme ich halt eine
mittelschwere Depression, die gälte es auszusitzen oder zu schlafen, ein
bisschen Gras könne guttun, Alkohol bitte nicht.
Daran habe ich mich gehalten. Und aufgehört habe ich, weil es mir zu blöde
wurde respektive, weil ich mir zu blöde wurde. Mit dieser Feststellung
endeten allerdings auch andere Phasen meiner Existenz. Wie weitverbreitet
in der angeblich cleanen Generation meiner Großeltern der
Medikamentenmissbrauch war, bekam ich erst viel später mit. Und die
Versuchung, mir die Welt friedlich zu kiffen, überkam mich kaum, weil ich
nach dem ersten Zug immer schon sanft entschlief. Zu viel über Drogen zu
reden, kommt mir so pubertär vor wie die fast immer heuchlerische Warnung
vor ihnen senil. Am Ende ist ja eh so: [6][I’ll never get out of this world
alive.]
13 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mafia-ndrangheta-gastronom-italie…
[2] https://www.stern.de/gesellschaft/kokainkrieg/
[3] https://www.srf.ch/news/schweiz/kritik-an-pilotprojekt-in-bern-legales-koka…
[4] https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/gibt-es-in-zu…
[5] https://www.youtube.com/watch?v=OusADDs_3ps
[6] https://www.youtube.com/watch?v=4plU5w1oUy4
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Kokain
Drogenkonsum
Care-Arbeit
Kolumne Das bisschen Haushalt
Drogen
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