# taz.de -- Sachbuchautor über Frauenfußball: „England ist schon weiter“ | |
> Frauenfußball hat enorm an Bedeutung gewonnen. Nun geht es darum, nicht | |
> die Fehler der Männer zu wiederholen. Justin Kraft über Chancen und | |
> Sorgen. | |
Bild: Die Zukunft des (Frauen-)Fußballs: Meisterfeier der Damen und Herren von… | |
taz: Herr Kraft, der Buchtitel „Fußball der Zukunft – Wie Frauen den Sport | |
revolutionieren“ klingt so, als würden Frauen den Sport Fußball an sich | |
verändern. Tun sie das? | |
Justin Kraft: Ich glaube, das gilt es, zu hinterfragen. Mit unserem Buch | |
gehen wir darauf ein, dass im Frauenfußball strukturell viel aufgebaut | |
wird. Viele Spielerinnen revolutionieren den Sport ein Stück weit – als | |
starke Persönlichkeiten, die klar ihre Meinung äußern. Gesellschaftlich ist | |
die Bedeutung des Frauenfußballs riesig. Und dennoch: Oft gleicht vieles | |
dem, was beim Männerfußball passiert. Die Verbände machen – beispielsweise | |
bei der Kommerzialisierung – viele Dinge ähnlich. Auch die | |
Rücksichtslosigkeit bei der Belastung der Spielerinnen ist etwas, das | |
Sorgen bereitet. | |
Wie abhängig ist der Frauen- vom Männerfußball? | |
Meist sind die Verbände, die bei Männern stark sind, auch bei Frauen stark. | |
Das hat viel mit finanzieller und struktureller Abhängigkeit zu tun. Clubs, | |
in denen die Männer in der Ersten oder Zweiten Bundesliga erfolgreich sind, | |
entscheiden sich zudem häufiger dazu, die Frauenabteilung zu unterstützen. | |
Da können Clubs ohne erfolgreiche Männerteams aber [1][nicht mithalten]. | |
Die Abhängigkeit an sich muss man aber auch aus einem historischen Kontext | |
betrachten, da Verbände, wie der DFB, den Frauenfußball jahrelang | |
[2][unterdrückt haben]. | |
Spüren Sie da aktuell einen Wandel? | |
Ob sich diese Strukturen in den nächsten Jahren ändern, wage ich mal zu | |
bezweifeln. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass der Frauenfußball in | |
Zukunft Gewinne erwirtschaften wird. In England haben wir mit dem FC | |
Arsenal ein gutes Beispiel dafür: Der Verein konnte vor der Pandemie zwar | |
noch keine großen Gewinne erwirtschaften, aber grüne Zahlen schreiben. | |
Also läuft es in anderen Ländern besser. | |
Der englische Verband hat früher angefangen, Frauenfußball zu unterstützen. | |
Auch da läuft nicht alles perfekt, aber ich glaube, dass England in den | |
letzten Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen hat. | |
Woher kommt der Hype um Frauenfußball? | |
Da gibt es viele Gründe. Viele haben das Gefühl, dass der Spitzenfußball | |
der Männer sich immer mehr von der Basis distanziert. Im Frauenfußball | |
finden unter anderem die Enttäuschten Zuflucht. Und die Leistung zählt: Wir | |
haben gesehen, dass die Spielerinnen immer besser geworden sind, dass | |
sie zu begeistern wissen und nahbar sind. Außerdem spielt die Inklusivität | |
eine Rolle: Bei den Frauen fühlen sich viele nicht-männliche Fans wohler | |
als bei den Männern. | |
Jetzt kommt die WM. Welche Erwartungen haben die Spielerinnen und | |
Funktionär*innen? | |
Sportlich gesehen geht es für Deutschland darum, den Erfolg der EM zu | |
bestätigen und aufzuzeigen, dass man konkurrenzfähig ist. Ansonsten geht es | |
darum, Aufmerksamkeit zu schaffen: Es gab in den letzten Wochen immer | |
wieder [3][die Diskussion darum, wer die Spiele überträgt]. Das würde es im | |
Männerfußball nie geben und zeigt, dass man nicht so weit ist, wie man es | |
sich nach der EM gewünscht hatte. | |
Wie würden Sie die Berichterstattung über Frauenfußball bewerten? | |
Klar, es gibt viele Journalist*innen, die sehr detailreich darüber | |
berichten, aber insgesamt habe ich das Gefühl, dass oft nicht in die Tiefe | |
gegangen wird. Das finde ich schade, weil die Spielerinnen meist bereit | |
sind, ihre Geschichten zu erzählen: Ich finde die Offenheit der | |
Spielerinnen beeindruckend. Wenn ich Interviews mit Profis bei den | |
Männern führe, sind viele Aussagen schon ziemlich vorgefertigt. | |
12 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Emily Kietsch | |
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