Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Busfahrer über Cannabis-Konsum: „Medizin kann man auch genießen…
> Alexander Zierden raucht täglich legal 1,5 Gramm Cannabis aus
> medizinischen Gründen und arbeitet als Schulbusfahrer. Wie passt das
> zusammen?
Bild: Ca. 1,5 Gramm Cannabis verdampft Alexander Zierden als Schmerzmittel täg…
taz: Herr Zierden, Sie konsumieren medizinisch verordnet [1][Cannabis].
Gegen welche Krankheiten?
Alexander Zierden: Die Hauptdiagnose ist Polyneuropathie, bedingt durch
eine Diabetes. Also Nervenschmerzen, die sich in [2][Schmerzanfällen]
manifestieren. Die Anwendung hilft aber auch gegen meine Arthritis.
Wie wirkt Cannabis gegen Ihre Beschwerden? Und wie konsumieren Sie?
Ich verdampfe seit zwei Jahren bis zu 1,5 Gramm am Tag im Vaporizer. Ich
habe ein stationäres Gerät und eines für unterwegs angeschafft. Wenn ich so
[3][einen gewissen Pegel halte], schaltet das die Schmerzanfälle komplett
ab. Seit ich konsumiere, habe ich nur einen einzigen Anfall gehabt. Ich
höre das auch von anderen Patienten: Die Therapie mit Cannabis ist wie ein
Wunder.
Gibt es denn keine Nebenwirkungen? Psychosen werden oft als mögliche Folge
genannt, manche Konsumenten berichten auch von Paranoia nach dem Konsum.
Und haben Sie keine Angst, süchtig zu werden?
Ganz und gar nicht. Abhängigkeit ist für mich kein Thema. Oft vergesse ich
den Konsum sogar, dann muss ich mich selbst daran erinnern, mich geradezu
dazu zwingen, die medizinische Dosis zu nehmen. Außerdem ist Cannabis sehr
bekömmlich. Ich glaube, dass Paranoia oder Angstzustände auch viel damit zu
tun haben, dass es verboten ist. Dass die Konsumenten sich stigmatisiert
fühlen.
War es für Sie schwierig, ein Rezept zu bekommen?
Ich habe einen Schmerzmediziner gefunden, der mir Cannabis verschreibt,
obwohl ja die wenigstens Mediziner in Deutschland bis heute etwas über
Cannabis lernen. Und obwohl viele Ärzte Angst haben, Cannabis zu
verschreiben. Die wissen gar nicht genau, was das ist.
Hat die Krankenkasse die Kosten übernommen?
Nein, ich habe bis heute keine Kostenübernahme. Ich zahle den Konsum als
Privatpatient, ein paar Hundert Euro pro Monat. Dagegen habe ich
Widerspruch eingelegt, notfalls gehe ich bis zum Sozialgericht. Denn ich
will keine Opiate einnehmen, das wäre bei meinem Krankheitsbild die
Alternative.
Haben Sie auch noch einen anderen Zugang zu Cannabis? Haben Sie schon vor
Ihrer Erkrankung gekifft?
In meiner Jugend habe ich gekifft, ich habe dann auch eine Zeit in Holland
gelebt. Da war das nicht so problematisch, obwohl wir ja heute wissen, dass
es eben nicht legalisiert war, sondern nur entkriminalisiert. Dann habe ich
aber jahrzehntelang nichts mehr damit zu tun gehabt. Bis ich krank wurde
und mich mit Cannabis als Medizin befasst habe.
Für Cannabis am Steuer gibt es strenge Grenzwerte. Sie dürfen fahren, weil
Sie ein Rezept haben. Was schätzen Sie, mit welchen Werten sind Sie im
Straßenverkehr unterwegs? Sind Sie dann high?
Der aktuelle Grenzwert von 1 Nanogramm pro Milliliter Blutserum ist ja der
kleinste überhaupt feststellbare Wert, da liege ich sicher drüber, aber er
besagt deshalb eben auch nichts. Ich lege den Konsum ohnehin in die
Abendstunden. Am Morgen bin ich dann wieder nüchtern. Wenn ich an
Wochenenden auch mal tagsüber konsumiere, setzte ich mich natürlich nicht
ans Steuer. Dann bitte ich meine Freundin zu fahren.
Sind Sie damit unter den Patienten eine Ausnahme?
Bei anderen Patienten, die ich kenne, ist es anders. Viele ADHS-Patienten
sagen, dass sie überhaupt nur fahren, wenn sie konsumiert haben. Aber
generell bin ich der Ansicht, dass die Gefahr, unter Cannabis Auto zu
fahren, gering ist. Wer konsumiert hat, hat sowieso keine Lust darauf. Und
wenn er fährt, dann eher übervorsichtig. Zudem gibt es ja zu Beginn der
Therapie eine Eingewöhnungsphase mit dem Arzt. Das ist wie bei Menschen,
die Opiate verschrieben bekommen. Die dürfen, nachdem sie richtig
eingestellt sind, ja auch fahren.
Sie arbeiten als Schulbusfahrer. Was sagen die Eltern der Kinder dazu, dass
Sie Cannabiskonsument sind? Wie haben Sie es denen gesagt?
Ich fahre seit vier Jahren zwei Kinder, die im Rollstuhl sitzen, zur Schule
und hole sie wieder ab. Es hatte sich schon ein Vertrauensverhältnis
zwischen mir und ihren Eltern aufgebaut, als ich auf sie zugegangen bin und
es ihnen einfach erzählt habe. Da sie mich kannten und ich immer
verantwortungsvoll war, war das kein Problem. Hätten sie mich vorher nicht
gekannt, dann hätte das allerdings ganz anders ausgehen können.
Ist Ihnen der Schritt dennoch schwer gefallen?
Es war schon ein regelrechtes Outing. Und das zeigt, dass Cannabispatienten
und Konsumenten bis heute stigmatisiert werden.
Sie haben auch den Cannabis Club Düsseldorf gegründet. Warum?
Da geht es ja um den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken und nicht zu
medizinischen Zwecken. Ich will nicht verhehlen, dass es hier und da auch
ganz angenehm ist, Cannabis zu konsumieren. Ich sehe darin aber gar keinen
Widerspruch, denn Medizin kann man auch genießen. Sie muss nicht bitter
schmecken. Ich selbst bekomme bei meiner Therapie medizinisches Cannabis,
das zum Glück immer besser ausgezeichnet wird. Da stehen dann der THC- und
der CBD-Gehalt auf den Dosen. Sogar die Anteile von Geruchs- und
Geschmacksstoffen sind mit angegeben. Ich finde, dass auch
Genusskonsumenten diese Möglichkeiten haben sollten. Ich kenne zum Beispiel
Menschen, die würden gern nicht so starke Sorten konsumieren, auch weil sie
zu Paranoia neigen. Die sind aber auf dem Schwarzmarkt gar nicht
erhältlich. Denn die Prohibition hat zu immer stärkeren Sorten geführt.
Sie setzen sich also ganz generell für die Legalisierung ein?
Genau, noch ist der Cannabis Club Düsseldorf ja nur ein politischer Verein.
Ich halte die Prohibition für den völlig falschen Weg. Sowohl für Patienten
als auch für alle, die es aus Spaß einnehmen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft, wenn es um Cannabis als Medizin
geht?
Seine Wiederentdeckung. Es ist ein Allheilmittel, das endlich wieder seinen
Platz in der Medizin bekommen sollte. In Israel zum Beispiel wird es in der
Geriatrie schon seit Jahrzehnten wieder angewendet. Vor allem alte
Menschen, die bei uns permanent mit irgendwelchen Mitteln vollgeballert und
damit ruhig gestellt werden, könnten so auch mit schweren chronischen
Krankheiten angenehm leben. Cannabis ist ein uraltes Heilmittel, das die
Pharmaindustrie aber nicht gern sieht, weil man es ganz einfach zu Hause im
Blumentopf ziehen kann.
9 Jun 2023
## LINKS
[1] /Cannabis-Teillegalisierung/!5933321
[2] /Studie-zu-multiresistenten-Bakterien/!5935613
[3] /Entkriminalisierung-von-Cannabis/!5931601
## AUTOREN
Oliver Schulz
## TAGS
Cannabis
Gesundheit
Kiffen
Legalisierung Marihuana
Rauchverbot
Legalisierung Marihuana
Cannabis
Cannabis
Cannabis
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lauterbach will Nichtraucher:innen schützen: Kein Qualm für Kinder im Auto
Die Cannabis-Legalisierung kommt – und im Zuge dessen nimmt sich
Gesundheitsminister Lauterbach auch mehr Schutz für Nichtraucher:innen
vor.
Cannabiskonsum bei Berliner Jugendlichen: Fast jeder Dritte kifft
Eine repräsentative Studie untersucht den Cannabis-Konsum unter jungen
Erwachsenen. Während der Pandemie kifften viele Befragte deutlich mehr.
Cannabis-Teillegalisierung: Connaisseure unter sich
Bei einem Bundestreffen der Cannabis-Social-Clubs gibt es Kritik am
Legalisierungsentwurf. Grundsätzlich sind sie aber bereit, ihre Rolle zu
erfüllen.
Gesetzentwurf zu Cannabis-Clubs: Wie im Hochsicherheitstrakt
Zäune, Sichtschutz, Abstand zu Minderjährigen: Aus Lauterbachs
Gesetzentwurf spricht große Sorge vor den geplanten Cannabisclubs.
Geplante Legalisierung von Cannabis: Haschkekse sind vom Tisch
Eine aktuelle Studie benennt die Risiken einer Cannabislegalisierung – auch
für Kinder und Jugendliche. Bestimmte Produkte sollen nun verboten bleiben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.