# taz.de -- Festival in Hannover: Wie der Punk kam und wieder ging | |
> Frage: Geht das überhaupt, Punk sein und in Würde altern? Antwort: Hymne | |
> des Abends beim Punk-Revival-Festival ist „Jung kaputt spart | |
> Altersheime“. | |
Bild: Die Punks von damals sind dann doch irgendwann in eine stinkbürgerliche … | |
Die Frage, „wie der Punk nach Hannover kam“, haben die drei Ex-Punker Klaus | |
Abelmann, Detlef Max und Hollow Skai unlängst [1][in einem üppigen, im | |
Hirnkost-Verlag erschienenen Bildband] geklärt. Die Antwort ist irgendwas | |
mit „aus Langeweile“, „zu Fuß“ oder „per Anhalter“. | |
Aber wo man schon einmal dabei war, sentimental zu werden und in alten | |
Fotos, Fanzines, Plakaten und LPs zu kramen, dachten sich die drei Herren | |
wohl, könnte man doch auch mal klären, wo er denn danach hin ist, dieser | |
Punk, und was von ihm übrig ist. | |
Also luden sie zu einer Art Veteranentreffen ins Kulturzentrum Pavillon | |
hinterm Hauptbahnhof Hannover. Es sollte ein kleines Festival werden, mit | |
Lesung, Plakatausstellung, zweieinhalb Bands und möglichst vielen Leuten | |
von damals. | |
Es kamen auch einige, viele im Einheitslook – schwarze Hose plus irgendein | |
Bandshirt – und moserten gleich mal über die Bier- und Eintrittspreise: „38 | |
Euro für Annette und die Milchbubis, geht’s noch?“ –, zahlten dann aber | |
doch oder bearbeiteten jemand mit Zugriff auf die Gästeliste. | |
## Nicht alle haben überlebt | |
Drinnen schwankte die Stimmung irgendwo zwischen Klassentreffen und | |
Beerdigung. Es gab jedenfalls viel aufgerissene Augen und freudiges | |
Schulterklopfen, Fragen nach diesem oder jener („is’ auch nicht mehr“, sa… | |
einer achselzuckend) und so ein seltsam trotziger Vibe aus „Klar, bin ich | |
alt geworden, aber guck dich mal an“. Ist ja nun auch alles schon mehr als | |
vierzig Jahre her. | |
Das gehörte zu den bitteren Wahrheiten des Abends: 1. Punk sein und in | |
Würde altern schließen einander logisch aus und 2. es haben halt nicht alle | |
überlebt – stabilen Trinker- und steilen Drogenkarrieren sei Dank. | |
Die, die überlebt haben, haben immerhin ein paar sehr lustige Geschichten | |
zu erzählen, und das tun sie auch mit Hingabe, feiner Selbstironie und | |
einer schönen Lässigkeit, die sagt: Was soll’s, wir hatten unsere Zeit. | |
Da geht es zum Beispiel um eine legendäre Destruktivparty, die „Votze | |
Flamenco“ alias Konrad Kittner, Sohn des legendären Kabarettisten und | |
„Salon-Bolschewisten“ Dietrich Kittner, in seinem Elternhaus gefeiert hat, | |
was in einem demolierten Badezimmer, einem zerstörten Gemälde mit dem Titel | |
„Revolution“ und Tiraden des Seniors gegen antiautoritäre Erziehung | |
gemündet sein soll. | |
## Und Annette singt immer noch „ich zünd' mich an“ | |
Punk war in Wirklichkeit ja auch in Hannover eher so ein | |
Mittelschichtsding, wie David Spoo, Sohn des FR-Korrespondenten Eckart | |
Spoo, fein bemerkt. Bei seinen Kondensators saß aber immerhin ein | |
Arbeiterkind am Schlagzeug. Die, die übrig blieben und nun so schön | |
erzählen können, sind allerdings eher die, die dann doch irgendwann in eine | |
stinkbürgerliche Existenz zurückgekrochen sind, wobei erstaunlich viele ihr | |
Auskommen im öffentlichen Dienst und bei Gewerkschaften fanden. | |
Und zwischendrin singt Annette Benjamin als l[2][ast woman standing der | |
einst großen Band Hans-A-Plast] „Ich zünd’ mich an“, „Für ’ne Frau… | |
„Spielfilm“. Mit der elektronischen Begleitung klingt sie ein bisschen sehr | |
nach Neue Deutsche Welle, wird aber trotzdem wohlwollend beklatscht, im | |
Sitzen wohlgemerkt. | |
Es dauert ein paar Stunden, bis auf der Tanzfläche ein paar Nachgeborene | |
das Hüpfen anfangen, für Pogo reicht es nicht mehr – vielleicht auch aus | |
Rücksicht auf die alten Knochen drumrum. Immerhin spendieren Bärchen und | |
die Milchbubis mit „Jung kaputt spart Altersheime“ die Hymne des Abends. | |
Die Band ist erstaunlicherweise schon seit dem vergangenen Jahr wieder auf | |
Tour, das aktuelle Album trägt den hinreißenden Titel „Endlich komplett | |
betrunken“. | |
Richtig in Fahrt kommt die Veranstaltung dann mit Der Moderne Man, die | |
fantastisch treibenden Punkrock liefern, egal wie sehr ihr Sänger bremst. | |
Sie erdulden auch den punkigsten Moment des Abends, als Doc Schwanz (auch | |
Crazy Baby Doc), ein massiger Hüne in Lack, Leder und gefährlich hohen | |
Keilabsätzen schwankend die Bühne entert, das nächstbeste Mikrofon kapert, | |
ein bisschen unverständliches Zeug röhrt und – nach einer Umarmung vom | |
eigentlichen Sänger – von zwei Helfern freundlich aber entschlossen | |
abgedrängt wird. | |
Und dann ist auch schon wieder alles vorbei, um 22.30 Uhr wie der | |
[3][Rezensent der HAZ notiert: „Punk ist nicht tot], Punk geht früh | |
schlafen.“ Und gibt vorher die Pfandgläser ab. | |
2 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Buch-Wie-der-Punk-nach-Hannover-kam/!5936587 | |
[2] /Feministische-Frauenbands-der-70er/!5918483 | |
[3] https://www.haz.de/kultur/regional/wie-der-punk-nach-hannover-kam-im-pavill… | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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