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# taz.de -- Anschläge von Casablanca 2003: Terror, Krieg, Terror
> Am 16. Mai 2003 griffen Attentäter zeitgleich mehrere symbolische Orte in
> Casablanca an. Nicht nur in Marokko begann damit eine neue Zeitrechnung.
Bild: 18. Mai 2003: Jüdisches Kulturzentrum in Casablanca nach dem Anschlag
Diese Woche jähren sich [1][die islamistischen Anschläge von Casablanca]
zum zwanzigsten Mal. Am 16. Mai 2003 griffen zwölf Attentäter zeitgleich
mehrere symbolische Orte in der marokkanischen Metropole an: Ein Luxushotel
samt Tanzlokal und Restaurant im beliebten Ausgehviertel, ein jüdisches
Kulturzentrum, den israelitischen Friedhof und die belgische Botschaft. 33
Menschen wurden dabei getötet.
Kurz darauf tauchte eine Hasspredigt des damaligen Al-Qaida-Chefs Osama Bin
Laden auf, in der er Marokko und anderen mehrheitlich muslimischen
Gesellschaften den Krieg erklärte. Die „vom Glauben abgefallenen“ würden
bestraft werden, sagte er. Bin Laden sprach so als ob er „den Glauben“
definieren könnte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als
Jugendlicher in Marokko seine Drohung im Radio gehört habe. Angst und
Entsetzen waberten im ganzen Land.
Die Attentäter gehörten der islamistischen Gruppe „Salafiya Jihadiya“ an,
koordiniert sollen die Attentate allerdings von Al-Qaida gewesen sein.
Viele Angreifer stammten aus dem Elendsviertel Sidi Moumen im Osten von
Casablanca. Wo bis heute Tausende Menschen in notdürftigen Baracken hausen,
keine Straßen existieren, kein funktionierendes Stromnetz, keine Schulen,
kein Abwassersystem. Es stinkt permanent nach Fäkalien in diesem verarmten
Moloch. Der perfekte Nährboden für islamistische Hassprediger.
Nach dem ersten Schock erklärte der marokkanische Staat nach Vorbild der
USA und vieler europäischer Regierungen dem Islamismus den Krieg. Im „Krieg
gegen den Terror“ fanden überfällige Debatten statt: über die
Radikalisierung junger Männer und die hasserfüllten Diskurse ihrer älteren
Brüder. Sie lehnen jegliche Form von individueller Freiheit und
Selbstbestimmung ab und projizieren ihren Hass auf Feminist*innen, auf
Queers, auf alles was sie als „modern“ betrachten. Dabei ist viel
Lebensbejahendes fest in der nordafrikanischen Tradition verankert. Der
Staat verfolgte die gewaltbereiten Islamisten konsequent und scherte sich
nicht um sogenannte Kollateralschäden.
## Schandflecke der Geschichte
Denn auch unzählige Oppositionelle wurden festgenommen und gefoltert.
Zusammen mit westlichen Geheimdiensten spuckte die Staatsgewalt auf die
Menschenwürde. Die US-Folterlager Guantanamo auf Kuba und Abu Ghraib im
Irak sind nur die bekanntesten Schandflecke dieser Geschichte.
Der vom Westen und seinen Verbündeten forcierte „Krieg gegen den Terror“
machte nur noch mehr kaputt. Marokkanische Geheimdienste avancierten
derweil zur zuverlässigen Informationsquelle: Über die Radikalisierung von
Anis Amri warnte der marokkanische Geheimdienst deutsche Behörden vor dem
Attentat am Berliner Breitscheidplatz mehrfach – und vergeblich.
Es ist wichtig an diese Gewalt, an den Schmerz und den Verlust zu erinnern.
Viele Menschen in Deutschland und Europa wissen nichts darüber – obwohl sie
alles darüber wissen sollten. Die Kulturalisierung dieses Problems ist für
einige hierzulande bequem, dabei ist sie ein Puzzle-Stück, das den
Islamismus selbst so gefährlich macht.
17 May 2023
## LINKS
[1] /Frankreich-entzieht-Staatsbuergerschaft/!5237029
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Kolumne Die Nafrichten
Islamismus
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Marokko
Nordafrika
Marokko
doppelte Staatsbürgerschaft
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