| # taz.de -- Neue Gewalt im Kosovo: Die falschen Lehren gezogen | |
| > Im Südbalkan flammt wieder Gewalt auf. Auch weil westliche Diplomaten | |
| > geschichtsvergessen agieren. | |
| Bild: Ein Soldat der KFOR am 30. Mai in Zvecan | |
| Als vor 24 Jahren [1][der Kosovokrieg] mit dem Einmarsch von Nato-Truppen | |
| und der Etablierung eines UN-Protektorats endete, schien eine dramatische | |
| Abfolge von Ereignissen in Europa ihr Ende gefunden zu haben. Der Krieg war | |
| vorbei, ein dauerhafter Frieden sollte geschaffen werden. Doch immer noch | |
| sind wir weit entfernt von einem stabilen Frieden in der Region. | |
| Das liegt vielleicht auch daran, dass die Lehren des Kosovokriegs der | |
| heutigen Politiker-, Diplomaten- und Journalistengeneration nicht mehr so | |
| tief bewusst sind und deshalb politische Entscheidungen getroffen werden, | |
| die keine Konsequenzen aus dieser Geschichte mehr ziehen – und damit neue | |
| Konflikte schaffen. | |
| Damals gab es harte politische Auseinandersetzungen um den richtigen | |
| politischen Weg. Als in Deutschland die rot-grüne Koalition von Gerhard | |
| Schröder und Joschka Fischer das Wagnis einging, an einer militärischen | |
| „Intervention für die Menschenrechte“ teilzunehmen, war dies höchst | |
| riskant. Sollte man 2 Millionen Kosovaren der Willkür serbischer Soldaten | |
| aussetzen, die in Srebrenica 1995 bewiesen hatten, wie brutal sie sind? Und | |
| sollte man an einem Völkerrecht festhalten, das die Unverletzlichkeit der | |
| Grenzen garantiert, und gleichzeitig zögern, gegen einen Kriegsverbrecher | |
| wie Slobodan Milošević vorzugehen? | |
| Nicht zuletzt aus dieser kontroversen, aber auch produktiven Debatte und | |
| der damit verbundenen Aufarbeitung der eigenen Geschichte verdankt | |
| Deutschland die Etablierung einer Demokratie, die außenpolitisch die | |
| Verteidigung von Menschenrechen wahrnehmen möchte und dies auch im Falle | |
| der Ukraine tut. | |
| ## Buhlen um Zuneigung | |
| In dem aktuellen Konflikt im Kosovo und auch in Bosnien erleben wir aber, | |
| wie oberflächlich die Debatte in Bezug auf den Balkan geworden ist, wie | |
| wenig Kritik jene Diplomaten und Politiker ernten, die wieder an den | |
| Stellschrauben des Balkans drehen, ohne Lehren aus der Geschichte zu | |
| ziehen. Dass die Strategie, nationalistische und autokratische Systeme | |
| durch eine Appeasement-Politik zu zügeln, falsch ist, erkennen sie nicht. | |
| Amerikanische und europäische Diplomaten buhlen dagegen um die Zuneigung | |
| des heutigen serbischen Präsidenten und ehemaligen Propagandachefs des | |
| Milošević-Regimes, [2][Aleksandar Vučić]. Sie wollen ihn aus der Koalition | |
| mit Wladimir Putin lösen; man gibt sich der Illusion hin, mit politischen | |
| und finanziellen Zugeständnissen dessen Kurs zu ändern. Vučić wird jedoch | |
| seine Meinung nicht ändern, weil ein paar geschichtsvergessene westliche | |
| Diplomaten daherkommen und ihm schmeicheln. Da fällt es doch schon | |
| leichter, Druck auf die nichtnationalistische Regierung in Prishtina, die | |
| ernsthaft eine friedliche Zukunft anstrebt, auszuüben. | |
| 30 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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