| # taz.de -- Diskriminierung bei der BVG: Alte Muster pink gefärbt | |
| > Stolz präsentiert sich die BVG als vielfältiges Unternehmen. Intern ist | |
| > aber wiederholt von einem queerfeindlichen Klima die Rede. | |
| Bild: Um Vielfalt zu leben, braucht es mehr als bunte Sitzbezüge | |
| Berlin taz | Das queerfreundliche Image der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) | |
| imponierte Max Weißbrodt. Als er sich im August vergangenen Jahres für die | |
| Ausbildung als Industriemechaniker*in bewarb, hatte er ein richtig | |
| gutes Gefühl. „Direkt zu Beginn wurde ich gefragt, mit welchen Pronomen ich | |
| angesprochen werden möchte. Das fand ich sehr gut“, erzählt er der taz. Nur | |
| ein halbes Jahr später verlässt Weißbrodt das Unternehmen und sagt: „Ich | |
| habe mich vom Pink-Washing blenden lassen.“ | |
| Max Weißbrodt identifiziert sich als non-binär, fühlt sich also weder als | |
| Frau noch als Mann. Der 24-Jährige nutzt alle Pronomen und wird hier | |
| einfachheitshalber mit den Pronomen er/ihm beschrieben. | |
| Weißbrodts anfänglicher Optimismus wurde bereits am ersten Tag durch das | |
| Klima in seiner Ausbildungsgruppe auf den Kopf gestellt. „Schwuchtel und | |
| schwule Sau wurde untereinander normal als Schimpfwort verwendet“, sagt er. | |
| Auch frauenfeindliche Beschimpfungen wie „Fotze“ oder Kommentare wie | |
| „Frauen gehören in die Küche, nicht in die Werkstatt“, hätten zum Alltag | |
| gehört – und das, während die Ausbilderin danebenstand. | |
| In großen Kampagnen mit flotten Sprüchen wirbt die BVG für ihre Vielfalt im | |
| Unternehmen. Vor allem in Bezug auf sexuelle Orientierung und | |
| Geschlechtsidentität setzte sie in den vergangenen Jahren Zeichen. Dafür | |
| färbte sie alles Mögliche – von Zügen über U-Bahnstationen bis zu | |
| herzförmigen Stickern – in den Farben des Regenbogens. | |
| ## Schlechtes Klima | |
| Die nach außen gelebte Vielfalt hat Max Weißbrodt in seiner Ausbildung | |
| jedoch nur eingeschränkt erlebt. Stattdessen beschreibt er ein Umfeld, in | |
| dem queerfeindliche Kommentare akzeptiert oder ignoriert werden. Auch | |
| andere Mitarbeitende haben ein solches Klima erlebt, das unter anderem auf | |
| der [1][unternehmensinternen Kommunikationsapp sichtbar] wurde. | |
| Ein*e ehemalige*r Mitarbeiter*in, der*die die BVG nach eigenen | |
| Angaben aufgrund der queerfeindlichen Umgebung und fehlender Rückenddeckung | |
| durch Führungskräfte verließ, leitete Auszüge der Chats, die der taz | |
| vorliegen, an den Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) | |
| weiter. | |
| „Teilweise wurden einzelne Beschäftigte aufgrund ihres diversitybezogenen | |
| Engagements im Unternehmen und/oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung | |
| und geschlechtlichen Identität in der App diskriminiert“, sagt | |
| LSVD-Sprecher Christopher Schreiber. Er sieht teilweise eine große | |
| Diskrepanz zwischen der Außenwirkung und den Menschen, die dort arbeiten. | |
| Die [2][Landesantidiskriminierungsstelle] registriert einen Anstieg der | |
| Beschwerden im Zusammenhang mit dem Handeln der BVG, heißt es aus der | |
| Senatssozialverwaltung – dabei sei Diskriminierung der sexuellen und | |
| geschlechtlichen Identität im Vergleich zu anderen Diskriminierungsformen | |
| unterrepräsentiert. Bislang gingen in diesem Jahr 24 Beschwerden über die | |
| BVG ein, zwei davon hatten einen sexistischen Bezug. | |
| ## Vorwurf wiegt schwer | |
| Wie viele Beschwerden wegen Queerfeindlichkeit innerhalb des Unternehmens | |
| eingereicht werden, will die BVG auf taz-Anfrage nicht sagen. Auch zu den | |
| Vorwürfen will sie sich nicht konkret öffentlich äußern. „Der Vorwurf der | |
| Diskriminierung und Homophobie wiegt schwer“, so eine Sprecherin zur taz. | |
| Die BVG sei ein äußerst diverses Unternehmen, das aber auch ein Abbild der | |
| Gesellschaft sei. „Daher gehen wir proaktiv und aufklärend mit dem Thema | |
| Vielfalt bei uns um.“ | |
| Aber aus großer Vielfalt folgt auch [3][Verantwortung]. Diese muss gemanagt | |
| werden. Und bei Diskriminierung braucht es klare Strukturen und | |
| unternehmensintere Rückendeckung. „Aktuell bauen wir unter anderem unser | |
| Diversity-Management um und neu auf und überprüfen die vorhandenen Prozesse | |
| für von jeglicher Diskriminierung Betroffene“, so die BVG. Eine solche | |
| Struktur fehlte jedoch lange. | |
| ## Noch viel zu tun | |
| Beim Aufbau eines authentischen Diversity-Managements sei noch „allerhand | |
| zu tun“, kommentiert die Ex-BVG-Chefin Eva Kreienkamp, die selbst offen | |
| homosexuell lebt, auf LinkedIn. Sie musste das Unternehmen Ende April | |
| verlassen. Zu den Gründen will sie sich auf taz-Anfrage nicht öffentlich | |
| äußern. | |
| Max Weißbrodt sprach Personen anfangs noch auf ihr Verhalten an, sagt er. | |
| Doch das habe nur mäßig gut funktioniert. Also wendet er sich an seine | |
| Ausbildungsleitung, die daraufhin in der Werkstatt eine Standpauke hält. | |
| Konsequenzen gab es allerdings keine. Die Ausbilder*innen hätten „ein | |
| Auge drauf“, hieß es. Weißbrodt reichte das nicht und er verließ Ende März | |
| das Unternehmen. Ihm habe die Rückendeckung gefehlt, sagt er. | |
| Nach außen wirkt die BVG wie ein witziges, buntes Unternehmen. „Die BVG | |
| kann gut rekrutieren, aber viele überstehen den Praxisschock nicht“, | |
| erzählt ein*e Insider*in. „Dann hauen sie wieder ab.“ | |
| 2 Jun 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diskrimierung-bvg-homosexualitaet-an… | |
| [2] /Koalitionsvertrag-von-CDU-SPD-in-Berlin/!5923061 | |
| [3] /Die-BVG-und-ihre-Probleme/!5934186 | |
| ## AUTOREN | |
| Adefunmi Olanigan | |
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