| # taz.de -- Klassiker Rennsteiglauf: Der ewige Jogger | |
| > Mittlerweile ist Roland Winkler 76 Jahre alt. So wurde er zum | |
| > ausdauerndsten Läufer auf dem Kamm des Thüringer Waldes. | |
| Bild: 239.000 Lebenskilometer in den Beinen: Roland Winkler in Eisenach | |
| Der Berliner Roland Winkler ist ein Rennsteiglauf-Urgestein und in der | |
| Laufszene in Deutschland ziemlich bekannt. Am Samstag hat er auf der | |
| Supermarathon-Strecke über 73,9 Kilometer von Eisenach bis Schmiedefeld, | |
| seine 48. Teilnahme über diesen schweren, langen Kanten auf dem berühmten | |
| Höhenkammweg im Thüringer Wald, ins Ziel gebracht. Und das mit seinen | |
| nunmehr 76 Jahren. | |
| Seine Laufzeit: 11 Stunden und 23 Minuten. Insgesamt 2.185 Teilnehmer gab | |
| es heuer beim Supermarathon, davon waren rund 20 Prozent Frauen. Winklers | |
| Motto lautet: „Hauptsache, ins Ziel kommen und noch lächeln können.“ Der | |
| sympathische Sportsmann ergänzt: „Ich bin im Alter natürlich viel langsamer | |
| geworden, brauche heute [1][für den großen Rennsteiglauf] mehr als doppelt | |
| so lang, als zu meinen besten Zeiten. Aber es war wieder ein herrliches | |
| Lauf-Erlebnis, ich habe viele Freunde getroffen, mehr geht nicht.“ Der | |
| studierte Sportlehrer weiß um die Physiologie im Alter, und krankhafter | |
| Ehrgeiz ist ihm ohnehin fremd. | |
| Aufgegeben hat der einstige DDR-Mittelstrecken- und Marathon-Läufer vom | |
| Sportclub Dynamo Berlin, der mit seiner damaligen Marathon-Bestzeit von | |
| 2:17 Stunden im Jahr 1972 die Qualifikation für die Olympischen | |
| Sommerspiele in München um drei Minuten verpasste und wegen | |
| „Perspektivlosigkeit ausdelegiert“ wurde, so gut wie nie. 1976 hat Winkler | |
| die lange Rennsteiglauf-Strecke, die damals 75 Kilometer betrug, sogar | |
| gewonnen. | |
| Neben dem 1947 in Leipzig geborenen Winkler gibt es nur noch Wolfgang | |
| Nadler aus Delitzsch, der auch 48 Supermarathons beim Rennsteiglauf | |
| absolviert hat. Winkler ist „dankbar und glücklich“, dass er ohne größer… | |
| gesundheitliche Probleme all die Jahrzehnte seiner Leidenschaft, dem | |
| Laufen, frönen konnte. | |
| ## Illegal in West-Berlin | |
| Bei der diesjährigen 50. Rennsteiglauf-Jubiläumsauflage wurde die | |
| Gesamt-Teilnehmerzahl, beginnend im Jahr 1973, von 500.000 übertroffen. | |
| Diesmal hatten sich 19.630 Lauf-und Wanderbewegte auf insgesamt sieben | |
| verschiedenen Distanzen angemeldet, davon sind mehr als 17.000 an den Start | |
| gegangen. [2][Der einstige DDR-Breitensportklassiker Rennsteiglauf], der | |
| von vier Jenaer Studenten, die sich dem Orientierungslauf verschrieben | |
| hatten, eben Anfang der 70er Jahre erfunden, hatte 1975 mit dann rund 1.000 | |
| Teilnehmern Wettkampfstatus. Da war Roland Winkler zum ersten Mal am Start. | |
| 1986 erhielt Winkler einen Anruf eines Bekannten aus München, ob er ihm | |
| nicht eine Startkarte für den Rennsteiglauf in der DDR beschaffen könne, da | |
| „Ausländer“, so der damalige offizielle Sprachgebrauch der | |
| DDR-Sportfunktionäre für Laufinteressierte aus dem Westen, nicht daran | |
| teilnehmen durften. Winkler gelang es, eine Startkarte, die ein anderer | |
| DDR-Läufer nicht in Anspruch nahm, für den Kumpel aus Bayern illegal zu | |
| besorgen. Dieser lief dann unter falschem Namen mit. Die Stasi hatte die | |
| Aktion nicht mitbekommen. Die Freundschaft Winklers zum bayrischen | |
| Lauffreund hat bis heute gehalten. | |
| Vorm Mauerfall, 1988, nahm der Sport-und Geografie-Lehrer Roland Winkler, | |
| als „Illegaler aus dem Osten“ am Berlin-Marathon teil, in der durch die | |
| Todesmauer damals noch geteilten Stadt. Offizieller Anlaß für seine | |
| Westreise in Familienangelegenheiten war ein Geburtstag einer Tante in | |
| Nürnberg. Bei der Rückfahrt von dort mit dem Zug stieg er am West-Berliner | |
| Bahnhof Zoo aus und lief als den Berlin-Marathon. | |
| Vor lauter Freude stand er am Start ganz vorne und streckte beide Arme in | |
| die Luft. Ein Fotograf drückte ab, und er landete auf der ersten Seite der | |
| großen Laufzeitschrift „Spiridon“, was ihm dann einigen Ärger mit dem | |
| SED-Regime einbrachte. Winkler betrieb damals auch „Ausdauerdreikampf“, | |
| also Triathlon, ist seit 1990 mitverantwortlich für den Startbereich beim | |
| Berlin-Marathon, den er mehr als zehnmal auch selbst mitgelaufen ist. Als | |
| Renndirektor hat er bei mehreren Marathonläufen in Ägypten, Mauritius und | |
| anderswo gewirkt. | |
| „Das Fluidum beim Rennsteiglauf im Wald in blühender Natur ist etwas ganz | |
| Besonderes, das gehört zu meinem Leben einfach dazu.“ Mindestens bis zu | |
| seinem 50. langen Kanten auf dem Rennsteig im Jahr 2025 will er dort | |
| mitlaufen, wenn gesundheitlich nichts dazwischen kommt. Über 239.000 | |
| Laufkilometer hat der mehrfache Großvater schon in den Beinen, seit den | |
| 1960er Jahren führt er dazu Statistik. Sein Trainingspensum beträgt „im | |
| Schnitt 50 bis 60 Kilometer pro Woche, weil ich noch immer große Freude am | |
| Laufen habe, sonst würde ich dies nicht machen.“ | |
| 15 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Purschke | |
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