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# taz.de -- Machtkampf beim Nachrichtenmagazin: Aufruhr beim „Spiegel“
> Die Gerüchteküche brodelt: Es soll ein Machtkampf zwischen Chefredaktion
> und Geschäftsführung toben. Steht Chef Klusmann vor dem Aus?
Bild: „Sagen, was ist“: Steffen Klusmann, seit 2019 Chefredakteur
Der Spiegel sollte eigentlich Nachrichten melden, nicht selber zum Objekt
von Schlagzeilen werden. Doch wie schon so oft in seiner Geschichte liefern
interne Machtkämpfe um die Chefredaktion des Hamburger Nachrichtenmagazins
Stoff für Berichterstattung. Wie mehrere Medien unabhängig voneinander
berichten, soll Chefredakteur Steffen Klusmann an einer Themenkonferenz am
Mittwochmorgen eine Rede gehalten haben, die von vielen Teilnehmern der
Konferenz als Abschied verstanden wurde.
Sofort landete die Nachricht bei Business Insider und dem Branchendienst
DWDL, die reißerisch titelten: [1][„Klusmann steht kurz vor Ablösung“] und
[2][„Chefredakteur vor dem Aus“.] Doch so klar, wie diese Headlines
suggerieren, scheint die Sache nicht zu sein. Auf Nachfrage von Redakteuren
bei der Konferenz, ob Klusmann abtrete, gaben Klusmann und die ebenfalls
anwesenden anderen Mitglieder der Chefredaktion verneinende Antworten.
Wenn man sich im Haus umhört, sind viele konsterniert über die sich schnell
drehende Gerüchtemaschinerie. Bereits Mittwoch meldete der
Medienbranchendienst Turi2, [3][dass der Journalist Dirk Kurbjuweit aus dem
Hauptstadtbüro des Spiegels als Nachfolger von Klusmann gehandelt werde].
Sogar Vertragsverhandlungen zur Übernahme des Chefredakteurspostens liefen
bereits, behauptet Turi2. Auf Nachfrage des Dienstes ließ der besagte
Kurbjuweit nur wissen, dazu könne er nichts sagen. Kurbjuweit war schon
bei früheren Gelegenheiten als potenzieller Chefredakteur gehandelt worden.
Der taz sagte die Pressesprecherin des Spiegels auf die Anfrage, wie es
sich mit dem Wahrheitsgehalt der Meldungen verhalte: „Bitte haben Sie
Verständnis, dass wir Gerüchte grundsätzlich nicht kommentieren.“
## Mehr als 40 Millionen Euro Gewinn
Der Konferenz von Mittwoch war am Dienstag die jährlich stattfindende
Sitzung der Mitarbeiter KG vorausgegangen. Bei dieser werden
Geschäftszahlen und Höhe der Ausschüttung an die Mitglieder verkündet.
Wieder ein Rekordergebnis: Über 40 Millionen Gewinn. Diese
Organisationsform ist ein Unikum des Spiegels – und immer mehr Stein des
Anstoßes im Haus.
Die Kommanditgesellschaft hält 50,5 Prozent der Anteile an der
Spiegel-Gruppe. In ihr sind die Angestellten organisiert – jedoch nicht
alle. Wer bei Spiegel Online arbeitet, ist nicht automatisch in der KG.
Seit Online und Print 2019 zumindest inhaltlich zusammengelegt wurden, sind
alle neue Stellen bei Online angesiedelt. Erst nach einigen Jahren kann man
aufgenommen werden, bis dahin gibt es weder Mitsprache noch eine
Gewinnbeteiligung.
Am Dienstag soll die Geschäftsleitung der KG scharfe Kritik an Klusmann
geäußert haben, in einer Form, die von vielen als für den Spiegel
ungewöhnlich gewertet wurde. Die Geschäftsführung der KG wird alle drei
Jahre von den Mitgliedern gewählt, doch danach gibt es wenig demokratische
Kontrolle. Die scharfe Kritik soll einige Mitglieder der KG nun gegen ihre
Geschäftsleitung aufgebracht haben, so Stimmen aus dem Haus.
Inhaltlich soll es um ein von Klusmann verschlepptes Digitalkonzept gehen,
[4][dass jedoch nach Informationen verschiedener Medien eigentlich
vorliegt]. Bereits seit Monaten soll es zwischen Klusmann und dem
Geschäftsführer der Spiegel-Gruppe, Stefan Ottlitz, zu Spannungen gekommen
sein. Klusmann kämpft also an zwei Fronten.
## Unbefriedigend und ausweichend
So ist es auch zu verstehen, dass Klusmann am Mittwoch dann in die
Offensive ging. Nach der Konferenz, in der die Belegschaft ihrem
Chefredakteur den Rücken gestärkt haben soll, verlangten Mitglieder der KG
eine Aussprache mit der Geschäftsleitung. Stefan Ottlitz, Leiter der
Produktentwicklung, soll sich geweigert haben teilzunehmen. Zwei Vertreter
beantworteten aber Mittwochnachmittag Fragen zum Konflikt und zu den
Gerüchten über Klusmanns Abgang – jedoch dem Vernehmen nach für viele
unbefriedigend und ausweichend.
Mittwoch setzten dann mehrere Ressortleiter einen offenen Brief auf, in dem
sie sich gegen den möglichen Rauswurf Klusmanns wehren. Der Brief
zirkulierte bis Donnerstagmorgen zur Unterschrift unter der Belegschaft.
[5][Business Insider veröffentliche den Brief bereits Mittwoch]. Darin
heißt es: „Wir Unterzeichnenden sind erschüttert über die jüngsten
Entwicklungen im Haus.“ Und weiter: „Es ist für uns nicht ersichtlich,
warum nun womöglich erneut ein Chefredakteur gehen soll.“ Der Ausgang des
Machtkampfs ist also noch offen.
25 May 2023
## LINKS
[1] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/steffen-klusmann-steht-kurz-vor-a…
[2] https://www.dwdl.de/nachrichten/93128/steffen_klusmann_steht_als_spiegelche…
[3] https://www.turi2.de/aktuell/verlagskreise-dirk-kurbjuweit-soll-nachfolger-…
[4] https://kress.de/news/detail/beitrag/151313-der-machtkampf-beim-spiegel-esk…
[5] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/destruktiven-kurs-verlassen-redak…
## AUTOREN
Caspar Shaller
## TAGS
Der Spiegel
Steffen Klusmann
Chefredaktion
Der Spiegel
Claas Relotius
Schwerpunkt Zeitungskrise
Medien
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