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# taz.de -- Tierwohl beim Pferderennsport: Die Pferderente ist nicht sicher
> Rennpferde sind nach dem Ende ihrer Karriere billig zu haben. Dabei
> bedürfen sie einer besonderen Behandlung statt des Metzgers.
Bild: Im schlimmsten Fall landen die alten Rennpferde beim Metzger
Köln taz | Galopppferde leben grundsätzlich gefährlich. Anfang des Monats
starben allein im Kentucky Derby in einer Woche sieben Rösser. In
Deutschland gibt es zwar keine derart halsbrecherischen
Galoppveranstaltungen, [1][doch auch hierzulande passieren immer wieder
Unfälle]. Die Tierschutzorganisation Peta hat 50 tote Pferde auf deutschen
Rennbahnen zwischen 2015 und 2020 dokumentiert, hinzu kommen
Trainingsstürze, deren Zahl nicht bekannt ist. Unfälle im Galopp sind
jedoch nicht die einzige Gefahr für die Tiere.
Englische Vollblüter, die Windhunde unter den Pferden, werden sehr jung
trainiert, müssen teilweise schon im Alter von zwei Jahren Rennen
absolvieren, während etwa Dressurpferde frühestens mit fünf Jahren erste
Wettkämpfe bestreiten. Galopper verlassen den Sport oft bereits mit fünf
oder sechs Jahren – aufgrund von Verletzungen oder nachlassenden
Rennleistungen. [2][Diese Tiere haben somit, wenn es gut läuft, noch viele
Pferdejahre vor sich.] Was wird aus ihnen? Man weiß es nicht genau.
Die Verbände führen ihre Statistiken nur über die Rennkarrieren der Pferde
– und gegebenenfalls über den Eintritt in die Zucht. Danach ist Schluss,
[3][ein Todesdatum wird meist nicht vermerkt]. Wer wissen will, wie es den
Rennpferden im späteren Leben ergeht, der kann sich nur umhören,
Geschichten und Daten sammeln.
In Deutschland gibt es etwa 2.000 aktive Galopper, ein gutes Drittel, um
die 700 Pferde, scheidet schätzungsweise jährlich aus dem Sport aus. Die
besten, also schnellsten, wenige Hengste und einige Stuten, gehen in die
Zucht. Andere werden in anderen Sportarten eingesetzt, meistens im
Vielseitigkeitsreiten, manchmal sehr erfolgreich: Zum Beispiel gewann
Andreas Dibowski 2016 in Luhmühlen die Vier-Sterne-Prüfung mit dem
umgeschulten Vollblüter It’s me. Die restlichen Tiere, also das Gros der
Galopper, wird in der Regel als Freizeitreitpferde verkauft – und hier
verlaufen sich ihre Spuren im Sand.
## Güstig abzugeben
Rennpferdebesitzer, die für die Unterbringung eines Galoppers bei einem
Trainer monatlich etwa 1.500 bis 2.000 Euro ausgeben, versichern meist,
dass sie diejenigen Tiere, die keine Rennen mehr laufen, nur in allerbeste
Hände abgeben. An Pferdefreunde, die den braven und dankbaren Rössern ein
wundervolles neues Leben bereiten.
Solche Geschichten gibt es, doch dass jedes Galopperleben rosig endet,
erscheint unwahrscheinlich. Denn nicht immer geraten die Pferde an neue
Besitzer, die wissen, worauf sie sich einlassen: auf den Kauf eines Tieres,
das physisch und psychisch angeschlagen sein kann, das sachkundig, langsam
und mit Geduld in sein neues Leben geführt werden muss.
Der ehemalige Münchner Rennbahn-Tierarzt Maximilian Pick, bekanntester
deutscher Kritiker des Galoppsports, erklärt es so: „Pferderennen können
nicht nur körperliche, sondern auch seelische Schäden bei Pferden
verursachen. Sie sind oft nervös, ängstlich und schreckhaft.“
Das Dilemma: Rennpferde, die man loswerden will, werden häufig zu sehr
günstigen Preisen angeboten, manchmal schon für 2.000 Euro, und so werden
Schnäppchenjäger angezogen. Der Preis eines gut ausgebildeten
Freizeitpferdes beträgt schließlich mindestens 8.000 Euro. Aus
Reiterkreisen wird berichtet, dass Galopper beim Verkaufsgespräch manchmal
gar sediert präsentiert werden, um potenzielle Käufer nicht abzuschrecken.
## Altern in Würde
Zum Glück für die Pferde gibt es einige private Initiativen, die sich um
die Karrieren nach den Karrieren kümmern. Eine Pionierin ist in Deutschland
die ausgebildete Rennreiterin Nicole Billaudelle aus dem niedersächsischen
Langenhagen, die seit 2007 die Seite [4][rennpferde-rente.de] betreibt. Als
sie begann, habe es wenig Aufklärung zu dem Thema gegeben.
„Heute machen es auch die sozialen Medien möglich, dass viel mehr
informiert und aufgeklärt wird“, sagt sie und weist darauf hin, dass
Ex-Rennpferde sehr vieles neu lernen müssten. Es fängt bei einfachen Dingen
an: Jockeys werden beispielsweise mit Hilfe auf die Tiere gehievt.
Stehenbleiben beim Aufsteigen, einen Reiter, der sich am Sattel hochzieht –
all das kennen Rennpferde somit nicht.
Auf ihrer Seite sind fast 300 teilweise sehr rührende Berichte über
Rennrentner gesammelt. Zum Beispiel die des Wallachs Savarotti, der mit
einem Sehnenschaden aus dem Sport kam und nach kundiger Umschulung als
Reit- und Kutschpferd eingesetzt wird. Oder die Stute Shire Call, die einst
Siege einfuhr, nach der Laufbahn aber verwahrlost auf einer Weide allein
gelassen und von einer Pferdefreundin gerettet wurde.
Andere Ex-Galopper haben weniger Glück, werden zunächst von einem
überforderten Besitzer an den nächsten verkauft. Und schließlich
eingeschläfert. Oder sie enden beim Metzger, denn dann gibt es noch ein
paar hundert Euro einzunehmen. In England war vor zwei Jahren in einer
investigativen BBC-Reportage die Rede von 4.000 Rennpferden, die zwischen
2019 und 2021 in Großbritannien geschlachtet worden seien. Da es in
Deutschland deutlich weniger Galopper gibt, dürfte die Zahl hierzulande
viel niedriger sein. Offizielle Daten seitens der Verbände? Auch hier
Fehlanzeige.
20 May 2023
## LINKS
[1] /Debatte-ueber-Tierwohl-im-Pferdesport/!5833664
[2] /Debatte-ueber-Tierwohl-im-Pferdesport/!5833664
[3] /Tierschutz-bei-Pferderennen/!5777977
[4] http://rennpferde-rente.de
## AUTOREN
Christiane Mitatselis
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