| # taz.de -- Ein Monat Krieg in Sudan: Der Himmel über Khartum brennt | |
| > Seit einem Monat herrscht Krieg in Sudan. Khartum wird jede Nacht | |
| > bombardiert. Widerstandskomitees organisieren eine Notversorgung. | |
| Bild: Wer jetzt noch da ist, hat keine Möglichkeit zu fliehen | |
| Berlin taz | Rauchschwaden ziehen über Khartums Himmel. Sie verdecken die | |
| Sonne, die im Mai am stärksten scheint. Die Hitze nimmt der graue Schleier | |
| ihr nicht. 45 Grad sind es in Sudans Hauptstadt. In diesem Monat bleiben | |
| die Menschen für gewöhnlich so gut es geht zu Hause, am besten unter dem | |
| kühlenden Wind des Ventilators. Aber Ventilatoren sind gerade keine Option | |
| mehr: „Wir haben seit zehn Tagen keinen Strom, deshalb musste ich auf dem | |
| Dach übernachten“, sagt ein Freund. Es ist zu heiß, um drinnen zu bleiben. | |
| Er sendet mir ein Foto: Eine Kugel hatte sich nur wenige Zentimeter neben | |
| ihm durch seine Matratze gebohrt: | |
| Nicht nur die Hitze zwingt Menschen ins Freie. Viele Menschen sind seit | |
| Wochen ohne Wasser. Das zwingt einige, sich das Wasser aus dem Nil zu | |
| holen. In der Region Darfur ist bereits die Cholera ausgebrochen. Die | |
| Befürchtung, dass sie auch bald in Khartum ausbrechen könnte, ist groß. | |
| [1][Der Tod in den Straßen] verschlimmert die Hygienebedingungen. In den | |
| besonders umkämpften Nachbarschaften haben Anwohner:innen Gruppen | |
| gebildet, die die in der Hitze liegenden Leichen entsorgen. In den | |
| Morgenstunden zwischen sieben und neun Uhr – das kurze Zeitfenster nach den | |
| Bombardierungen und vor dem Straßenkampf – sammeln sie die toten Körper | |
| auf. | |
| Auch wenn die offiziellen Todeszahlen bei etwas über 600 liegen, ist von | |
| einer sehr viel höheren Dunkelziffer auszugehen. Fehlende Möglichkeiten der | |
| Identifizierung, die humanitäre Krise und die medizinische Unterversorgung | |
| haben bereits viele Leben gefordert, die in diesen Zahlen nicht erscheinen. | |
| Seit 15. April bekriegen sich in Sudan die Regierungsarmee (SAF) unter | |
| Staats- und Armeechef Abdelfattah al-Burhan und die Miliz RSF (Rapid | |
| Support Forces) unter Burhans Stellvertreter Hamdan Daglo Hametti. Der | |
| [2][Machtkampf zwischen Sudans beiden mächtigsten Generälen] hat | |
| insbesondere Khartum in ein Schlachtfeld verwandelt. Hunderttausende sind | |
| auf der Flucht. | |
| ## Berichte über Verbrechen der RSF | |
| Dass sich Vertreter beider Seiten vergangene Woche auf die Ermöglichung | |
| humanitärer Hilfe einigten, ändert daran nichts. Das in Dschiddah in | |
| Saudi-Arabien geschlossene Abkommen erwähnt explizit keinen | |
| Waffenstillstand. Und so sieht auch die tägliche Realität in Khartum aus: | |
| Noch immer wird geschossen, noch immer bombardiert. Besonders schlimm ist | |
| es in letzter Zeit in Bahri in Khartum-Nord. „Es ist schrecklich, die RSF | |
| ist überall“, sagt ein Anwohner. „Wir gehen zwar vor die Tür, aber wir | |
| müssen sehr vorsichtig sein, weil sie jeden, den sie für Militär oder | |
| Polizei halten, verhaften oder töten.“ Anwohner:innen berichten in | |
| sozialen Medien von Bombardierungen ihrer Wohnhäuser durch die SAF auch | |
| dort, wo es keine RSF gibt. Die Opfer sind Zivilist:innen. | |
| Auch über die Verbrechen der RSF gibt es inzwischen etliche Berichte, | |
| Videos und Fotos auf Social Media. Sie berichten von Vergewaltigungen, | |
| Entführungen, Hauseinbrüchen, Überfällen und Zerstörung. | |
| Auch wenn Hunderttausende die Stadt bereits verlassen haben, bleiben noch | |
| viele Menschen vor Ort. Wer jetzt noch hier ist, dem fehlen häufig die | |
| finanziellen Mittel zur Flucht. Dies sind zumeist auch die Menschen, die | |
| den Straßengefechten besonders ausgesetzt sind, weil sie täglich raus | |
| müssen, um Geld zu erwirtschaften und um Wasser oder etwas zu essen zu | |
| finden. In einem Video wird eine Frau, die am Straßenrand Tee verkauft, | |
| gefragt, warum sie nicht fliehe. Ihre Antwort: Eine Flucht koste eben Geld, | |
| und wenn sie Geld hätte, dann wäre sie nicht hier auf der Straße, sondern | |
| zu Hause bei ihren Kindern. | |
| Wie schon nach der Revolution 2018/19 und dem Militärputsch 2021 sind es | |
| die Widerstandskomitees und andere Organisationen, die das Leben in der | |
| Geisterstadt aufrechterhalten. Um Notfallmaßnahmen zu koordinieren, haben | |
| sie Sub-Komitees für verschiedene Aufgabenbereiche gegründet: In den stark | |
| umkämpften Nachbarschaften konzentrieren sie sich auf Flucht- und | |
| medizinische Notfallhilfe. In den weniger umkämpften Nachbarschaften | |
| verteilen sie Wasser, Nahrungsmittel und Medikamente. Sie unterstützen | |
| Menschen bei der Flucht, indem sie Routen, Autos und Benzin organisieren. | |
| ## Kaum noch Krankenhäuser | |
| Außerdem kooperieren die Basisorganisationen mit den wenigen | |
| Krankenhäusern, die noch in Betrieb sind. Sie nehmen die Krankenwagen und | |
| fahren mit ihnen durch die Straßen, um Verwundete aufzusuchen und in die | |
| Krankenhäuser zu fahren. | |
| Anfang vergangener Woche hat das Militär zwei Mitglieder der | |
| Widerstandskomitees aus Bahri festgenommen. „Die Soldaten sagten, dass wir, | |
| die Komitees, mit der RSF kooperieren“, erklärt einer der beiden. Dabei | |
| seien sie auf dem Weg gewesen, einen Notfallraum zu errichten, um den | |
| Menschen zu helfen. | |
| Bei ihrer Freilassung einige Tage später hatten beide Mitglieder rasierte | |
| Köpfe. Gefangenen die Köpfe zu rasieren ist ein für den sudanesischen | |
| Sicherheitsapparat altbekanntes Mittel der Demütigung. Sie zielt besonders | |
| auf junge Männer, die als potenzielle Bedrohung für den eigenen Machterhalt | |
| angesehen werden – also vor allem Protestierende, Widerstandskomitees und | |
| Kommunisten. Auch die sudanesische Ärzt:innengewerkschaft berichtet | |
| von Drohungen durch das Militär sowie anonymen Todesdrohungen. | |
| Trotz aller Bemühungen der Komitees: Ein normales Leben ist in Khartum | |
| nicht mehr möglich. Aber wie so oft bleibt den Menschen nichts anders | |
| übrig, als zu warten und zu hoffen. | |
| 14 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Saskia Jaschek | |
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