# taz.de -- Lebensentwürfe beim Mittagessen: Der Nachwuchs-Monarch | |
> Wäre es nicht erstrebenswert, ein König zu sein? Der kleine Junge findet: | |
> klar. Und Papa hat kein Gegenargument. Ein fiktives Gespräch beim | |
> Italiener. | |
Bild: Öfter mal Objekt der Begierde: Königskrone, in diesem Fall die von Gro�… | |
„Wenn ich groß bin, will ich König werden!“, ruft der Junge am Tisch beim | |
Italiener und seine ältere Schwester sagt: „Du bist so dumm, das geht nicht | |
einfach so!“ | |
„Doch, ich kann alles werden, was ich will!“ | |
„Kannst du nicht!“ | |
„Kann ich doch!“ | |
„Kannst du gar nicht!“ | |
„Kann ich voll doch!!“ | |
„Inken-Su! Udo-Jannik! Schluss, lasst euch in Herrgotts Namen gegenseitig | |
eure Gedanken, [1][Träume und Ideen] und gut is!“, sagt die Mutter und | |
hobelt brachial Parmesan auf ihre Pasta. | |
„Inken-Su will aber meinen Traum schon am Eingang zerstören!“ | |
„Da gibt es keinen Eingang für dich, du Dummi!“ | |
„Leander sagt, man kann alles schaffen, was man will, wenn man es sich nur | |
doll genug vorstellt!“ | |
„Wer ist jetzt wieder Leander?“, fragt der Vater, ohne von seinem Telefon | |
aufzublicken. | |
„Mein neuer Deutschlehrer, der für Frau Simonis-Marquard gekommen ist, weil | |
die nicht mehr konnte.“ | |
„Der erzählt euch so einen Stuss? Wie alt ist der? 18?“ | |
„Der ist schon über 25 und hat fast 15.000 Follower bei Instagram!“, ruft | |
Udo-Jannik. „Warum unterrichtet er dann?!“, fragt seine Schwester. Die | |
Mutter haut ihre Gabel senkrecht in die Pasta: „Na, offenbar, um unseren | |
Sohn und seinesgleichen zu Höherem zu motivieren!“ Der Vater sagt: „Aber | |
muss es denn gleich König sein? Wie heißt der weiter? Find den nicht bei | |
Insta.“ Inken-Su sagt: „Bevor du König wirst, musst du sowieso erst Prinz | |
sein!“ | |
„Und wie werd’ ich Prinz?“ | |
„Indem du in der Zeit zurückreist und dein Genmaterial anderen Eltern | |
unterschiebst, in einem Land, das zu hohl ist, die Monarchie zu canceln, da | |
dann konkreten Thronfolgern!“ Udo-Jannik kräuselt die Stirn, der Vater | |
fragt: „Warum willst du überhaupt König werden?“ | |
„Weil man dann voll wichtig genommen wird, ohne was dafür zu machen!“ | |
„Und das gefällt dir?“, fragt die Mutter und trinkt ihren [2][Pinot grigio] | |
in einem Zug. | |
„Das gefällt doch jedem!“, ruft Udo-Jannik. | |
„Stimmt“, sagt Inken-Su, „und man kann richtig scheiße aussehen, trotzdem | |
wollen einen alle heiraten!“ | |
„Aber dabei geht es doch nur um Oberflächlichkeiten, niemals um was oder | |
wer du wirklich bist“, murmelt der Vater und scrollt weiter bei Instagram. | |
„Aber was ich wirklich bin und so, will doch keiner wissen“, sagt | |
Udo-Jannik traurig. Seine Mutter streicht ihm mit der einen Hand über den | |
Kopf, bestellt mit der anderen noch einen Wein und sagt: „Ich will das | |
wissen, mein Udochen, immer.“ | |
„Ich auch“, sagt der Vater, und hebt dazu den Zeigefinger, ohne | |
aufzublicken. Inken-Su kaut schweigend ihre Pizza. | |
„Aber ihr bezahlt mich nur so lang dafür, dass ich einfach nur ich bin, bis | |
ich mich selber bezahlen muss, und wenn man [3][König] ist, bezahlen einen | |
alle für immer und ewig.“ | |
„Die Welt ist beschissen ungerecht, endlich hat Udochen mal was | |
verstanden!“, sagt seine Schwester und trinkt einen Schluck Wein aus dem | |
Glas ihrer Mutter. „Aber die Lösungsstrategie kann nicht sein, König werden | |
zu wollen!“, sagt die Mutter. | |
„Was denn dann?“, fragt Udo-Jannik. Der Vater blickt zum ersten Mal auf, | |
dreht seinen Handybildschirm um und tippt auf die Oberfläche. | |
19 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Ramadan | |
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