# taz.de -- Psychiatrisch auffällige Rechtsextreme: Zwischen Wahn und Weltansc… | |
> Manche Rechte haben ein so abstruses Weltbild, dass sie als Fall für die | |
> Psychiatrie gelten. Es wäre zu einfach, diese Fälle damit ad acta zu | |
> legen. | |
Bild: Thorsten Jansen (r) steht am 18.8.2022 mit seinem Anwalt Tobias Pohl im G… | |
Er fühlte sich zum Herrn über Leben und Tod berufen: In den sozialen Medien | |
verhängte der selbsternannte „SHAEF-Commander“ Thorsten Jansen Todesurteile | |
und rief zum Mord auf. Von dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump sah | |
sich der Reichsbürger aus dem niedersächsischen Bad Zwischenahn als | |
„Commander“ der US-Streitkräfte eingesetzt – mit weitreichenden | |
Kompetenzen. Bis zu seiner Verurteilung mobilisierte der angebliche | |
Befehlshaber des sogenannten [1][„Supreme Headquarters Allied Expeditionary | |
Force“] – kurz SHAEF – seine Anhänger*innen. | |
Der Fall wirft eine lange Zeit wenig beachtete Kritik auf: Mit der | |
Pathologisierung von politischen Täter*innen geht häufig die | |
Relativierung der ideologischen Motive einher. | |
In einer seiner Nachrichten sprach Jansen eine Todesdrohung gegen den | |
Bürgermeister von Bad Doberan, Jochen Arenz, aus: Er schlug vor, „mit einer | |
kleinen Gruppe diesen Menschen aufzusuchen und ihn an der nächsten Laterne | |
aufzuknüpfen und dementsprechend zu zeigen, wo wir stehen“. Das Erhängen | |
solle „langsam“ erfolgen, „damit er lange leidet und es möglichst viele | |
mitbekommen“. Dem Bürgermeister musste Polizeischutz angeboten werden. „Das | |
war eine schlimme Zeit“, sagte Arenz damals der Ostsee-Zeitung. | |
Die Staatsanwaltschaft klagte Jansen voriges Jahr vor dem Oldenburger | |
Landgericht in insgesamt 33 Fällen an. Im September 2022 sprach das | |
Landgericht Jansen, der bis zu 25.000 Abonent*innen in den sozialen | |
Medien hatte, von mehreren Vorwürfen, er habe zum Mord aufgerufen, wegen | |
Schuldunfähigkeit frei. Das Gericht folgte aber der Forderung der | |
Staatsanwaltschaft nach einer psychiatrischen Unterbringung. | |
Vor Gericht führte der psychiatrische Gutachter aus, dass bei Jansen eine | |
Wahnerkrankung vorläge. Der falsche Major sei wirklich davon überzeugt, in | |
Deutschland vom früheren US-Präsident mit der entsprechenden Befehlsgewalt | |
eingesetzt worden zu sein. Der Gutachter stellte zudem fest, dass | |
vergleichbare Taten zu erwarten seien. Für die Allgemeinheit sei Jansen | |
eine Gefahr. | |
Auch der Bundesgerichtshof entschied mittlerweile, dass die Anordnung des | |
Landgerichts zur Unterbringung des Reichsbürgers in der Psychiatrie | |
rechtens war. Jansens Anwalt hatte zuvor Revision eingelegt. | |
Über Jahrzehnte nahmen die Sicherheitsbehörden Reichsbürger*innen vor | |
allem als „Irre“ oder „Spinner“ war. [2][Die Gefahr] nahmen die Behörd… | |
bundesweit erst stärker wahr, als im Oktober 2016 ein Reichsbürger im | |
bayrischen Georgensgmünd [3][einen Polizisten erschoss]. | |
Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am | |
Berliner Universitätsklinikum Charité, fordert, dass eine mögliche | |
Ambivalenz zwischen Wahn und Weltanschauung mehr beachtet werden müsse. Man | |
dürfe solchen Täter*innen nicht die Verantwortung für ihre Taten | |
absprechen, indem man sagt, sie handelten wahnhaft. Die individuelle | |
politische Überzeugung sei vom gesellschaftlichem Diskurs abhängig, das | |
Handeln finde innerhalb dessen statt. Die daraus gewonnene Überzeugung | |
bestimme folglich das Tatmotiv und die Opferauswahl. | |
6 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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