| # taz.de -- Meine Familie am 1. Mai: Solidarität mit der Polizei | |
| > Den Tag der Arbeit verbrachten alle Mitglieder meiner Familie genau so, | |
| > wie sie wollten. Einen Tag später stand die Polizei vor unserer Tür. | |
| Bild: Darauf können sich alle einigen: rote Nelke zum Tag der Arbeit | |
| Endlich wieder 1. Mai, Tag der Arbeit. Obwohl ich der einzige Arbeiter bei | |
| uns in der Familie bin, sind alle anderen viel aufgeregter als ich und | |
| bereiten sich fröhlich auf den Feiertag vor. So was ärgert mich natürlich! | |
| Ich klaue Eminanim ja auch nicht den Muttertag. | |
| Meine Frau will mit ihren türkischen Freundinnen im Bürgerpark ausgiebig | |
| grillen. Meine feministische Tochter Nermin will irgendwo Bäume pflanzen | |
| und mein kommunistischer Sohn Mehmet will die Schaufensterscheiben von drei | |
| Banken einschlagen. „Man gönnt sich ja sonst nichts“, sagt er. | |
| Ich selbst werde mir mit meinen Kumpels die Sportschau-Sendungen der Hin- | |
| und Rückrunde noch einmal reinziehen und die Bundesligasaison bei einem | |
| Kasten Bier – oder auch zwei – gemütlich Revue passieren lassen. | |
| Es ist also alles ganz normal, halt so wie immer am [1][1. Mai]. Dann | |
| steigen alle Kommunisten, Feministen und die Grilllisten in meinen | |
| Ford-Transit ein und ich liefere sie in ihren jeweiligen Einsatzgebieten | |
| ab. | |
| Nach fünf Stunden Fußballglotzen sind wir total mies gelaunt, weil dieses | |
| Jahr der [2][FC Bayern] leider schon wieder Meister wird. Wir schmeißen uns | |
| alle auf den dämlich grinsenden Nedim, den einzigen Bayern-Fan der Gruppe, | |
| und rasieren dem Verräter zur Strafe ein großes W wie [3][Werder] auf den | |
| Schädel. | |
| Einen Tag später stehen zwei Polizeibeamte vor der Tür. „Herr Kommissar, | |
| ich hab Nedims Kopf nicht abrasiert! Ich habe nichts gegen den Bayern | |
| München. Schauen Sie, ich hab sogar ein echtes Uli Hoeneß-Autogramm“, | |
| versuche ich die Blaumänner von meiner Unschuld zu überzeugen. | |
| Mein eilig herbeigeholtes Autogramm beeindruckt den Kommissar aber | |
| überhaupt nicht. „Herr Engin, es gibt diverse Fotos in den Zeitungen, die | |
| belegen, dass der vermummte Täter, der die Scheiben von mehreren Banken | |
| zerschlagen hat, Ihr Sohn Mehmet ist. Auch die radikale Umweltschützerin, | |
| die sich überall festgeklebt hat, stieg aus Ihrem Auto. Und eine der | |
| türkischen Frauen, die gestern verbotener Weise mitten im Naturschutzgebiet | |
| gegrillt haben, wurde von Ihnen dort abgesetzt und ist Ihre Ehefrau. Das | |
| nenne ich organisiertes Verbrechen! Wir haben es hier mit einem | |
| [4][gemeingefährlichen Familien-Clan] zu tun!“ | |
| „Aber Herr Kommissar, das haben wir doch alles nur für Sie getan“, sage ich | |
| und lächel. | |
| „Wie bitte? Das haben Sie für uns getan?“, fragt der Kommissar verwirrt. | |
| „Ja, klar. Für unsere Freunde und Helfer. Das war die 1. | |
| Mai-Solidaritäts-Aktion der Familie Engin gegen den geplanten Stellenabbau | |
| bei der Polizei wegen angeblicher Unterbeschäftigung.“ | |
| „Herr Engin, schauen Sie bitte diese Zeitung an. Hier auf dem Foto beißt | |
| Ihre Ehefrau gierig in eine extra dicke Wurst rein – und zwar direkt unter | |
| dem Verbotsschild, den Rasen zu betreten“, meint der junge Polizist. | |
| „Lügenpresse! Lügenpresse!“, brüllt Eminanim. „Das ist keine dicke Wur… | |
| sondern eine mit Reis und Hackfleisch gefüllte Aubergine!“ | |
| 4 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Osman Engin | |
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