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# taz.de -- Strafprozess in Österreich: Mossad, Foltergeneral und Beamte
> In Wien stehen fünf Beamte vor Gericht. Sie sollen – im Auftrag des
> israelischen Geheimdienstes – einem syrischen General Asyl verschafft
> haben.
Bild: Ihm war der mutmaßliche Foltergeneral unterstellt: Syriens Staatsoberhau…
Wien taz | Ein mutmaßlicher Foltergeneral aus Syrien, der israelische
Geheimdienst Mossad und mutmaßlich korrupte österreichische
Geheimdienstagenten: Diese filmreife Gemengelage bildet den Hintergrund für
einen Prozess, der am Freitag vor dem Wiener Straflandesgericht begann.
Vor dem Schöffensenat steht nicht etwa der syrische General, der einst dem
Diktator Bashar Al-Assad diente, sondern vier Beamte des inzwischen
aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
(BVT) und einer aus dem Bundesasylamt. Ihnen wird vorgeworfen, dem Offizier
zu Unrecht zu Asyl verholfen und die Aktion gegenüber der
Staatsanwaltschaft verschleiert zu haben.
Die gesicherten Fakten: 2015 trat der israelische Geheimdienst Mossad an
das BVT heran und bat darum, Ex-General Khaled Muhsen al-Halabi aus
Frankreich zu holen und in Österreich unterzubringen, damit die Israelis
ihn in Ruhe verhören könnten. Die Franzosen, so der Mossad, hätten nicht
kooperiert. Der heute 60-jährige al-Halabi hatte von 2009 bis 2013 die
Geheimdienstdirektion 335 [1][im syrischen Raqqa] geleitet. Als der IS die
Stadt einnahm und zur Hauptstadt seines islamistischen Kalifats machte,
floh er nach Frankreich und suchte dort Asyl.
Internationale Menschenrechtsgruppen machen Halabi für Folter
verantwortlich, die unter seiner Leitung in den Geheimdienstkerkern
stattgefunden haben soll. Eine gemeinsame Recherche der österreichischen
Tageszeitung Der Standard mit dem Magazin [2][Der Spiegel] aus dem Jahr
2021 beschreibt die unmenschlichen Foltermethoden, die dort Routine gewesen
sein sollen.
## Österreichs Behörden wussten von den Vorwürfen
Al-Halabi gilt als der höchstrangige Offizier des syrischen Regimes, der in
Europa lokalisiert wurde. Mehrere EU-Regierungen betreiben deswegen seine
Auslieferung. Die österreichischen Behörden ermitteln wegen dieser Vorwürfe
gegen ihn, haben aber noch keine Anklage erhoben.
Spätestens seit Anfang 2016 wussten die österreichischen Behörden von den
Vorwürfen gegen Al-Halabi. Damals wurden Vertreter der [3][CIJA], eine
Organisation, die Kriegsverbrechen in Syrien dokumentiert, im
Justizministerium in Wien vorstellig. Sie vermuteten, dass sich der
Gesuchte in Österreich aufhalte.
Verhandelt wird in Wien nun der Amtsmissbrauch, den die Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den österreichischen Beamten
vorwirft. Außerdem hätten sie den mutmaßlichen Folterverbrecher vor
strafrechtlicher Verfolgung beschützt.
Die Vereinbarung über die mit dem Codenamen White Milk versehene Operation
wurde am 6. Mai 2015 in Tel Aviv unterzeichnet. Den Mossad interessierten
nicht die krassen Menschenrechtsverbrechen, die dem Gesuchten zur Last
gelegt werden, sondern dessen Kenntnisse des syrischen
Geheimdienstapparats.
## Dublin-Regeln im Asylverfahren wurden wohl missachtet
Kurz nach der Einigung schleusten die Geheimdienstler den Syrer von
Frankreich nach Österreich. Teil der Vereinbarung war die Zahlung von
monatlich 5.000 Euro für die Unterbringung des Generals in Österreich. Dem
ehemaligen Asylbeamten Gerald W. wirft die WKStA vor, das Asylverfahren
manipuliert zu haben. Zuständig für den Asyl-Prozess ist nach der
sogenannten Dublin-Regel jener Staat, in dem eine Person erstmals Asyl
beantragt.
Konkret habe W. dafür gesorgt, dass eine Frist verstrich, womit Österreich
das Asylverfahren an sich ziehen konnte. Das schließt die
Staatsanwaltschaft aus dem Mailverkehr zwischen den Beamten. W. beruft sich
darauf, in gutem Glauben gehandelt zu haben, da ihm versichert worden war,
der Al-Halabi sei in Frankreich gefährdet.
Alle fünf Angeklagten erklärten sich am ersten Prozesstag für nicht
schuldig, einer ließ sich aus Gesundheitsgründen entschuldigen. Die Anwälte
gaben sich zuversichtlich, dass sich die Vorwürfe in Luft auflösen würden.
Anwalt Klaus Ainedter, der einen der angeklagten Verfassungsschützer
vertritt, behauptet, die Operation sei im Sinne der Terrorbekämpfung sogar
wichtig gewesen. Das Urteil ist nach fünf Prozesstagen für kommenden
Freitag vorgesehen.
16 Apr 2023
## LINKS
[1] /Tagebuch-aus-der-IS-Hochburg-Rakka/!5390546
[2] https://www.spiegel.de/ausland/oesterreich-wie-der-verfassungsschutz-bascha…
[3] /Berichte-von-syrischen-Folteropfern/!5406173
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Israel
Österreich
GNS
Baschar al-Assad
Syrischer Bürgerkrieg
Mossad
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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Bildende Kunst
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