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# taz.de -- Eindringen in die Privatsphäre: Springer in den Abgrund ziehen
> Während unser Kolumnist die geleakten Döpfner-Nachrichten las, stand er
> plötzlich in einer fremden Wohnung und fühlte sich wie ein
> „Bild“-Reporter.
Bild: Noch immer wird diskutiert, ob Döpfners Nachrichten an seine Redaktion n…
Vergangene Woche habe ich was Schlimmes getan. Zu meiner Verteidigung: Ohne
Vorsatz.
Ein Bekannter von mir hatte Geburtstag. Geschenk vorbeibringen und
gratulieren: beste Pause vom apokalyptischen [1][Journalismus]. Unten stand
die Haustür offen, also ging ich mit am Smartphone klebenden Augen rein. Es
roch nach frischer Farbe. Das Treppenhaus – samt Türen – war vor wenigen
Stunden in Bordeauxrot gestrichen worden. Während ich die Stufen
hinaufstieg, scrollte ich durch die geleakten SMS von
Springer-Hatespeech-Oberchef Mathias Döpfner. Ich las, wie er Muslime
rassistisch und Ossis regulär beleidigt hatte und Almans sich fast nur über
die beleidigten Ossis aufregten. Und wie [2][Döpfner] seinen damaligen
[3][Bild]-Chefhasser Julian Reichelt anwies, seine geliebte FDP zu stärken.
Mein Leseeindruck: Schadenfreude und Tell me News.
Die frisch gestrichene Tür zur Wohnung stand offen. Meine Augen waren
weiterhin auf den Bildschirm fixiert. Ich fing im kleinen Flur an, meine
Schuhe auszuziehen. Es war verdächtig still, also wanderte mein Blick ins
Wohnzimmer. Es sah so anders aus. Die Wohnung war aufgeräumt. Ich dachte
mir: Schön, dass hier mal richtig geputzt wurde. Den rechten Schuh hatte
ich ausgezogen, war mit einem Fuß bereits im Wohnzimmer, da kam eine mir
unbekannte Frau um die Ecke. Sie schnauzte mich an: „Wer sind Sie denn?“
## Die Wohnung ist unverletzlich
Ich war in der falschen Wohnung gelandet. In der Realität bin ich nur drei
Etagen hinaufgegangen, aber es fühlte sich an wie vier. Der Boden unter mir
ging auf und ich fiel in ein mindestens fünf Etagen tiefes Loch. Ich musste
an Artikel 13 des Grundgesetzes denken: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Da
stand ich in meinem Hoodie und war entsetzt über meine Unachtsamkeit. Die
Frau vor mir schaute mich mit einer Mischung aus Angst und
Verteidigungsinstinkt an. Wäre sie in Florida oder Bayern, dürfte sie mich
legal erschießen.
Würde mich Wolfgang Kubicki hier sehen, dann würde er bei Markus Lanz eine
ganze Viertelstunde sein Land zurückfordern. In der Bild hätten sie die
Schlagzeile gedruckt: „Böser Nafri bei Überfall erwischt! SIND WIR NOCH
SICHER?“ (die Antwort auf diese Frage lautet allgemein: Niemals!) Ich
schüttelte mich. Eigentlich fühlte ich mich wie einer dieser
Bild-„Reporter“: in die Wohnungen fremder Menschen lugen, die Privatsphäre
verletzen, um fantasievoll dekorierte Hassgeschichten zu verbreiten, die in
anderen Medien unkritisch übernommen werden.
„Was wollen Sie!?“, frage die Frau. Ich antwortete, dass ich mich in der
Etage geirrt habe, und entschuldigte mich mindestens zwölfmal – bis sie
mich entnervt rausschmiss. Mein Bekannter fand’s lustig, schrieb mir
danach, dass sie mir verziehen habe und die Situation im Nachhinein auch
witzig fand. Ich falle weiterhin fünf Stockwerke hinunter in ein Loch und
ziehe Springer mit in die Tiefe.
19 Apr 2023
## LINKS
[1] /Nach-Springer-Enthuellungen/!5926113
[2] /Boehmermann-vs-Bild-im-neuen-Podcast/!5926500
[3] /Kritik-an-Springer-Chef/!5928192
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
Privatsphäre
Axel Springer
Mathias Döpfner
Kolumne Die Nafrichten
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Die Nafrichten
Kriminalität
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