# taz.de -- Krimtataren in Warschau: Ein Gruß aus der Protestküche | |
> Krimtataren haben in der polnischen Hauptstadt ein Restaurant eröffnet. | |
> Es liegt direkt gegenüber der russischen Botschaft. Ein Ortsbesuch. | |
Bild: Proteste vor der russischen Botschaft in Warschau am 24. Februar 2023 | |
WARSCHAU taz | Wenn der russische Botschafter in Polen aus dem Fenster | |
schaut, sieht er seit Kurzem die „Krym“. Davor wehen drei Flaggen – die | |
ukrainische, die tatarische und die polnische. Keine russische. Nachts | |
leuchtet weithin sichtbar der neonblaue Schriftzug und darüber das wie eine | |
Krone wirkende goldene Tamga, das Siegel, das ursprünglich das Wappen des | |
Krim-Khanats war. Geöffnet hat das Lokal täglich bis 22 Uhr. | |
„Wir wollten ein politisches Zeichen setzen“, sagt Ernest Suleymanov, der | |
Inhaber. „Wir hätten unser Restaurant auch woanders in Warschau aufmachen | |
können, aber die Lage hier ist politisch einfach nicht zu toppen.“ Seine | |
Frau Elmira Seit-Ametova nickt und deutet aus dem großen Panoramafenster: | |
„Rechts die Botschaft Russlands, links das Puschkin-Kulturinstitut und …“ | |
Sie macht eine kleine Pause, richtet sich auf und deutet auf die Gäste an | |
den kleinen Tischen: „… und mittendrin wir Krimtataren mit all den vielen | |
Unterstützern aus Polen, der Ukraine, aus Usbekistan, eigentlich aus ganz | |
Osteuropa.“ | |
Sie schenkt aus einer kleinen Karaffe Kirschkompott ein, den Saft | |
eingemachter Sauerkirschen. „Als wir das noch leerstehende Lokal | |
renovierten, hatte ich erst große Angst, dass uns hier niemand finden | |
würde.“ Ihr Mann nickt, legt seinen Arm um sie: „Aber bei uns isst man eben | |
nicht einfach nur tatarisch, sondern politisch. Unsere ‚Krym‘ – das ist d… | |
Küche des Protests!“ | |
Seit dem [1][Überfall Russlands auf die Ukraine] hat sich die Gegend rund | |
um die russische Botschaft in Warschau verändert. Direkt neben der | |
herrschaftlichen Einfahrt steht seit einigen Monaten ein neues | |
Straßenschild: „Allee der Opfer der russischen Aggression“. Hier finden | |
immer wieder lautstarke Demos mit vielen blau-gelben Ukrainefahnen und | |
Fotos von gefolterten und ermordeten Zivilisten statt. | |
„Eigentlich sind wir keine Köche“, erzählt der 54-jährige Suleymanov mit | |
dem kurz geschnittenen Oberlippen- und Kinnbart. Er ist eigentlich | |
Architekt. „Nach dem Maidan habe ich mich vor allem politisch engagiert.“ | |
Als er vor neun Jahren gegen das russische Referendum auf der Krim | |
mobilmachte, habe er fliehen müssen. Seine Frau ist eigentlich Künstlerin. | |
Da beide in Polen keine Arbeit fanden, haben sie das Lokal geöffnet. „So | |
ist das eben im Exil. Man muss sich irgendwie durchschlagen. Aber wir | |
beklagen uns nicht“, sagt Seit-Ametova. | |
## In drei Jahren zurück – wenn die Russen abgezogen sind | |
Ihr Mann nippt am Kirschkompott: „Unser Sohn wird es da sicher leichter | |
haben. Er ist 22 und studiert jetzt hier in Warschau.“ Dabei wollen sie | |
eigentlich in drei Jahren zurück auf die Krim. „Wir hoffen, dass [2][die | |
Russen] dann abgezogen sind“, sagt Suleymanov. „Wenn nicht, müssen wir uns | |
etwas Neues ausdenken.“ | |
In Simferopol, der Hauptstadt der Autonomen Republik Krim, leben die Väter | |
des Ehepaars sowie weitere Verwandte. „Wir sind in ständigem Kontakt“, | |
erzählt Seit-Ametova. Sie fahre auch regelmäßig hin. „Das können meine | |
Männer natürlich nicht. Die würden ja sofort für die russische Armee | |
rekrutiert.“ Suleymanov nickt. Die meisten jungen Krimtataren und Ukrainer | |
hätten schon 2014 die Krim verlassen, also direkt nach der | |
völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland. | |
Aus der „Krym“-Küche weht der würzige Geruch von Tschebureki, knusprig | |
ausgebackenen Teigtaschen mit gehacktem Lammfleisch und Spinat. „Das ist | |
unsere Spezialität“, sagt Suleymanov, nimmt dem Kellner das Tablett aus der | |
Hand und bringt das Essen selbst an den Tisch: „Slava Ukraini.“ Lang lebe | |
die Ukraine. | |
5 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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