# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Montenegro: Ende der Ära Ðukanović | |
> In Montenegro endet ein Zeitalter. Nach Jahrzehnten des prowestlichen | |
> Ðukanović gewinnt der Kandidat des proserbischen Lagers. | |
Bild: Feiern den Sieg: Milatović' Anhänger am 2. April in der Hauptstadt Podg… | |
SARAJEVO taz | Der 37-jährige Ökonom Jakov Milatović ist der künftige | |
Präsident des kleinen Balkanstaates Montenegro. Milatović konnte nach | |
Hochrechnungen 60,1 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Der bisherige | |
Präsident Milo Ðukanović kam nur auf 39,9 Prozent. 540.000 Menschen waren | |
wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag bei 70 Prozent. | |
Mit dieser Präsidentenwahl ist eine Ära zu Ende gegangen. Denn der erst | |
61-jährige Milo Ðukanović bestimmte in wechselnden Rollen – einmal als | |
Regierungschef, dann wieder als Präsident – über 30 Jahre das Schicksal des | |
Landes. 1991 mit Unterstützung des damaligen serbischen Präsidenten | |
[1][Slobodan Milošević] in Montenegro an die Macht gekommen, gelang es ihm | |
nach und nach, Montenegro von Serbien zu lösen. Er führte das Land 2006 in | |
die Unabhängigkeit von Serbien und 2017 sogar in die Nato. Mit dieser | |
Politik zog Ðukanović sich die bis heute anhaltende erbitterte Gegnerschaft | |
der serbischen nationalistischen Rechten zu. | |
Jakov Milatović ist in dieser Beziehung scheinbar unbelastet. Als | |
Wirtschaftsminister der seit 2021 regierenden Koalitionsregierung von | |
Modernisierern und serbischen Nationalisten wurde er, auch wegen seiner | |
Ausbildung in westlichen Ländern, als proeuropäisch eingeschätzt. Dies umso | |
mehr, als er sich letztes Jahr der Partei „Europa Jetzt“ anschloss. | |
Doch aufhorchen ließ, dass serbische Nationalisten wie [2][Vojislav Sešelj] | |
und andere zu seiner Wahl aufriefen. Rund ein Drittel der Bevölkerung | |
Montenegros, das sich als serbisch definiert, hat ihn am Sonntag fast | |
geschlossen gewählt. Denn bei der ersten Wahlrunde vor 14 Tagen lag er mit | |
unter 30 Prozent noch hinter Ðukanović, jetzt erreichte er knapp 60 | |
Prozent. | |
## Ðukanović sei „letzter Diktator Europas“ | |
In einer Siegesrede beschrieb Milatović den Moment als historisch. „Heute | |
ist die Nacht, auf die wir die vergangenen 30 Jahre gewartet haben“, sagte | |
der 37-Jährige. Den unterlegenen Ðukanović bezeichnete er als „letzten | |
Diktator Europas“. | |
Er werde sich in seiner fünfjährigen Amtszeit für Rechtsstaatlichkeit und | |
die Förderung der Wirtschaft einsetzen. Er forderte einen verstärkten Kampf | |
gegen Korruption und versprach den Wählern mit der Anbindung des kleinen | |
Adria-Landes sowohl an die Europäischen Union wie auch zum Nachbarland | |
Serbien einen politischen Spagat. „Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden | |
wir Montenegro in die Europäische Union führen“, versprach er seinen | |
Anhängern. | |
[3][Ðukanović] gestand seine Niederlage ein und gratulierte Milatović. Er | |
sei trotz der Niederlage stolz auf das Ergebnis, das er nach so langer Zeit | |
an der Macht noch erzielen konnte. Erst Mitte März hatte Ðukanović das | |
Parlament aufgelöst und vorgezogene Parlamentswahlen für den 11. Juni | |
angesetzt. Und da könnten die Karten neu gemischt werden. Alle jene | |
Montenegriner, die zwar gegen Ðukanović, aber auch für Europa gestimmt | |
haben, werden sich bei den Parlamentswahlen wahrscheinlich für | |
promontenegrinische und prowestliche Parteien aussprechen und nicht für | |
proserbische und prorussische. | |
So jedenfalls hoffen viele unabhängige Analysten in der Region. Auch | |
serbische Oppositionelle und Medien aus dem antinationalistischen Lager in | |
Bosnien und Herzegowina, aus Nord-Mazedonien und Kosovo, befürchten, | |
Milatović werde Montenegro auf einen prorussischen Pfad führen. Russland | |
ist nicht nur an den Adriahäfen Montenegros interessiert, sondern erst | |
einmal an einer Neuausrichtung der montenegrinischen Außenpolitik. | |
3 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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