| # taz.de -- Regierungskrise in Israel: Justizreform um Monate verschoben | |
| > Ministerpräsident Netanjahu legt seine Reformpläne auf Eis – vorerst. Er | |
| > wolle Zeit für eine Kompromisslösung geben. Die Proteste halten dennoch | |
| > an. | |
| Bild: Die israelische Polizei ging immer wieder hart gegen die Protestierenden … | |
| Tel Aviv/Berlin ap/taz | Die nationalreligiöse israelische Regierung hat | |
| angesichts großer Massenproteste im Land die Umsetzung ihrer Justizreform | |
| verschoben. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte die Entscheidung am | |
| Montagabend in einer Fernsehansprache mit, in der er den Gegnern ein | |
| Gesprächsangebot machte. Er wolle Zeit für eine Kompromisslösung geben, | |
| erklärte er. | |
| „Wenn es eine Chance gibt, einen Bürgerkrieg durch Dialog zu vermeiden, | |
| nehme ich, als Ministerpräsident, eine Auszeit für Dialog“, sagte | |
| Netanjahu. Er sei zu einer Justizreform entschlossen, rufe nun aber auf zu | |
| „einem Versuch, breiten Konsens zu erreichen“. Zehntausende hatten am | |
| Montag vor dem Parlament demonstriert, Zehntausende die Arbeit | |
| niedergelegt, [1][Tausende angekündigt, den Reservedienst zu verweigern]. | |
| Die größte Gewerkschaft sagte nach der Fernsehansprache Netanjahus einen | |
| Generalstreik ab. | |
| Die [2][ultrarechte Partei des Ministers für nationale Sicherheit], Itamar | |
| Ben-Gvir, teilte mit, dieser habe sich mit Netanjahu auf eine Verschiebung | |
| zumindest bis nach dem Ende einer Sitzungspause am 30. April geeinigt. Das | |
| solle Zeit für einen Dialog mit der Opposition geben. | |
| Staatspräsident Izchak Herzog begrüßte Netanjahus Erklärung. Das | |
| Gesetzgebungsverfahren zu pausieren sei richtig. „Dies ist die Zeit für | |
| eine offene, ernste und verantwortliche Diskussion, die dringend zur | |
| Beruhigung der Gemüter und der Minderung der Flammen führen wird“, sagte | |
| Herzog. Oppositionsführer Jair Lapid sagte, er sei zu einem „echten Dialog“ | |
| unter Herzogs Schirmherrschaft bereit. | |
| ## Ben-Gvir: „Dürfen uns nicht der Anarchie beugen“ | |
| Ben-Gvir twitterte, er akzeptiere die Verschiebung, ließ aber wenig | |
| Kompromissbereitschaft erkennen. „Die Reform wird durchgehen“, schrieb er. | |
| „Niemand wird uns Angst machen.“ | |
| Positiv aufgenommen wurde die Entwicklung in den USA. Die Entscheidung sei | |
| eine Möglichkeit, zusätzliche Zeit und Raum für einen Kompromiss zu | |
| schaffen, sagte Karine Jean-Pierre, die Sprecherin des Weißen Hauses, im | |
| Namen der US-Regierung. | |
| Unterdessen standen sich auch nach der Notbremse der Regierung von Benjamin | |
| Netanjahu in Tel Aviv am Montagabend Gegner und Befürworter des | |
| Reformvorhabens gegenüber. Die Lager wurden von der Polizei | |
| auseinandergehalten, die einen Wasserwerfer einsetzte. Den Angaben zufolge | |
| tauschten beide Seiten Beleidigungen aus, es kam aber nicht zu Gewalt. | |
| Angesichts des [3][enormen Drucks der Straße] und der Forderungen, die aus | |
| dem In- und Ausland auf ihn einprasselten, hatte es im Lauf des Montags | |
| bereits Anzeichen gegeben, dass Netanjahu einlenken und die Reform stoppen | |
| könnte. Aber die ultranationalistischen Verfechter des Vorhabens wie | |
| Ben-Gvir verlangten ihrerseits, dass der Regierungschef nicht nachgeben | |
| dürfe, und stellten eigene Forderungen. | |
| Netanjahus Rede war früher am Montag erwartet worden, wurde aber | |
| verschoben, während hinter den Kulissen gerungen wurde. „Wir dürfen die | |
| Reform des Justizsystems nicht stoppen. Wie dürfen uns nicht der Anarchie | |
| beugen“, sagte Ben-Gvir noch vor Bekanntgabe der Einigung. | |
| 28 Mar 2023 | |
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