# taz.de -- Salzig-herzhafte Cocktails: Prost Mahlzeit! | |
> Frisch und süß: So kennen wir die meisten Trendcocktails der letzten | |
> Jahrzehnte. Jetzt wird es nahrhafter – mit Essiggurkenwasser und | |
> Rinderbrühe. | |
Bild: Rinderbrühe ist nicht nur die Basis für gutes Essen – sondern kommt a… | |
Aperol Spritz, Hugo und Mojito – die Trendcocktails der letzten Dekaden | |
schmeckten vor allem frisch und süß. Jetzt wird es nahrhafter. Was wir | |
bisher nur vom Teller kannten, wandert nun ins Glas – ganz im Sinne des | |
umami. Was nämlich umami schmeckt, lässt sich als habhaft, reichhaltig und | |
sättigend beschreiben, oftmals umgesetzt in Gerichten mit Shitakepilzen, | |
Miso und Sojasauce. Oder, einfacher: veredelt mit ein paar Spritzern Maggi. | |
Drei Bier sind schließlich auch ein Schnitzel, und die Rindsbouillon eine | |
Vorspeise – ob nun mit Vodka oder Weizengrieß als Einlage. Sechs Drinks, | |
die unsere Geschmacksnerven öffnen: | |
White Truffle Martini | |
Der Klassiker unter den Umami-Drinks ist wohl der White Truffle Martini. | |
Wenn man bei etwas, dessen namensgebende Zutat Trüffel ist, überhaupt von | |
einem „Klassiker“ sprechen kann. Man mixt ihn in London, in New York – und | |
in Berlin. Bestenfalls wählt man hierfür den Alba-Trüffel aus dem Piemont, | |
und zwar in seiner Saison zwischen November und Januar. Allein schon | |
deswegen ist dieser Drink definitiv keiner, den man einfach mal für | |
Zwischendurch mixt. In der Handhabe ist der Cocktail dafür etwas einfacher | |
als die Beschaffung seiner Zutaten. Denn sind diese erst einmal besorgt, | |
bereitet man nur noch einen Trüffel-Gin vor: Er besteht aus drei dünnen | |
Scheiben Alba-Trüffel, die mit dem Inhalt einer Flasche Gin bei 39 Grad für | |
40 Minuten im Sous-Vide-Bad landen, also im Wasserbad vakuumgegart werden. | |
Zutaten: | |
2 cl Wermut | |
4 cl Trüffel-Gin | |
Zitronenzeste | |
3 Tropfen Avocado-Öl | |
Nocellara-Olive | |
Susanne Baró Fernández aus der Timber Doodle Bar in Berlin-Friedrichshain | |
kühlt für den Drink ein Martini-Glas mit Eiswürfeln und einem Schuss | |
Champagner vor und pinselt es anschließend mit Minze aus. Dann verrührt sie | |
Trüffel-Gin und Wermut auf Eiswürfeln, seiht in das Martini-Glas ab und | |
gibt Zitronenzeste darüber. Dazu gibt sie eine Nocellara-Olive und drei | |
Tropfen Avocado-Öl. | |
Ossa | |
Wenn doch das Format des Resteessens existiert, weshalb sollte es dann | |
keine Restedrinks geben? Eben. Wer ein durchschnittliches Leben gelebt hat, | |
findet oben hinten rechts im Regal gewiss noch einen Bodensatz in der | |
Wodkaflasche. Und eine gute Brühe in der Tiefkühltruhe – oder sogar eine | |
frische auf dem Herd. Anpassbar an verschiedene Ernährungsweisen und | |
Lebensstile, geht dieses Rezept von einer Knochenbrühe, also einer | |
Kraftbrühe aus. Diese kann variieren, denn Reste sind Reste; würde man die | |
Brühe jedoch dem Drink entsprechend ansetzen, bestünde sie wohl aus einem | |
Gemenge aus Suppengrün und Rinderknochen, so lange eingekocht, bis die | |
Farbe dunkel ist wie ein Großstadtgemüt auf Wohnungssuche. Bloß, dass sie | |
glücklicher macht. Gemäß inoffizieller Bartender-Umfrage ist der Ossa | |
außerdem das salzige Pendant zum Hot Toddy: Medizin plus Drink – aber | |
inklusive Suppe. Kompakter wird es nicht. | |
Zutaten: | |
Rinderbouillon | |
Wodka | |
Rote-Bete-Chip | |
In der Pariser Speakeasy-Bar Le Syndicat wird der Drink in einem | |
knochenartigen Gebilde serviert. Das Verhältnis der Zutaten lässt sich nach | |
Tagesform regulieren, sie werden schlichtweg verrührt und mit einem | |
Rote-Bete-Chip gereicht. Erfunden hat den Drink in dieser (geheimen) | |
Zusammensetzung Adrien Cachot, einer der derzeit jüngsten Spitzenköche | |
Frankreichs. Der wird wohl wissen, wie man mit Cocktails kocht. | |
Pickleback | |
Drinks mit wenigen Zutaten aus der Resteküche besitzen | |
Superheldenqualitäten, schmecken nach Rettung in der Not und sind in ihrer | |
Kombination des Simplen und des gewissermaßen Abartigen stets überraschend | |
gut. Und das ganz ohne Sirup, Bitters und Chichi. Dass man zunächst wenig | |
von ihnen erwartet, ist ihr Ass im Ärmel. So auch beim Pickleback. Über die | |
Entstehung dieses aus zwei Shots bestehenden Zauberduos ranken sich etliche | |
Mythen. Geht es um das den Kater vereitelnde Vitamin C und Kalium in der | |
Essiggurkenlake? Ist es das Geschmackserlebnis oder die | |
gemeinsamkeitsstiftende Grenzerfahrung? In allen drei Fällen wirkt der | |
Pickleback. Man startet mit dem Whiskey, es folgt das Gurkenwasser. Dieser | |
Vorgang wird beliebig oft wiederholt. | |
Zutaten: | |
Whiskey | |
Essiggurkenwasser | |
Garnitur: Gurke | |
Meist verwendet man irischen Whiskey oder amerikanischen Bourbon für dieses | |
Duo Infernale, doch auch hier kann man auf die großmütterliche Weisheit „Wo | |
die Not drängt, da wird Tollkühnheit zur Klugheit“ vertrauen. Ein Upgrade | |
ist stets möglich, mit sauer eingelegten Zutaten jedweder Natur – rote Bete | |
ist etwa eine dankbare Kandidatin, Perlzwiebel eher fordernd. | |
Oxheart Tomato | |
Um ein Gericht als Drink zu servieren, eignen sich Suppen naturgemäß | |
besonders gut. Wer dieser Tage an Cafétischen vorbeischlendert, weiß | |
bisweilen nicht mit Sicherheit, ob es sich bei der dicken Flüssigkeit im | |
Weckglas um Gazpacho oder Bloody Mary handelt. Suppe in Cocktailform muss | |
weder warm noch dickflüssig sein, und natürlich auch nicht unalkoholisch. | |
Gerade auf Tomatenbasis hat sich weltweit etwa der „Mexikaner“ etabliert – | |
eine, salopp gesagt, Shotversion des Longdrinks Bloody Mary. Maximales | |
umami bekommt, wer anstelle von Tomatensaft auf geklärte Tomatenessenz | |
zurückgreift. Eine ungleich elegantere und herzhaftere Variante führt die | |
Berliner Bar Velvet vor, mit Ochsenherztomate. Zusammen mit Sake und | |
Aquavit wird daraus quasi eine nordöstliche Form der Gazpacho aus der | |
deutschen Hauptstadt. Mehr Fusion geht nicht. | |
Zutaten: | |
Tomatenessenz (der Ochsenherz-Tomate) | |
Dill-Aquavit | |
Tomaten-Shrub | |
Pommeau | |
Sake | |
Chinotto | |
Garnitur: Tomaten-und Bergamottepulver | |
Hat man erst einmal die Tomatenessenz (ein Consommée, also eine Kraftbrühe) | |
sowie den Tomaten-Shrub (ein tomatiger Sirup auf Essigbasis) hergestellt, | |
ist es eigentlich ganz einfach: Alle Zutaten werden mitsamt Eis verrührt | |
und in ein Coupette-Glas abgeseiht. Richtig vorzeigbar wird es mit einer | |
Garnitur aus Tomaten- und Bergamottepulver am Glasrand. Schmeckt wie eine | |
pikante Brause für Erwachsene im Sommer auf dem Balkon. | |
Exquisit | |
Wer saisonal essen kann, kann auch saisonal trinken. Klar, im Sommer gibt’s | |
Aperitivo, im Winter Glühwein. Aber das lässt sich noch zeitgemäßer | |
gestalten, mit dem Fokus auf frisch erhältliche Zutaten, etwa Bärlauch im | |
Frühling und Kürbis im Herbst. Martina Bonci ist Barmnagerin im | |
florentinischen Gucci Giardino 25 und hat an eben dieser Aufgabe getüftelt. | |
Um herbstliche Aromen ins Glas zu manövrieren, scheute sie weder Kürbis | |
noch Walnuss. Wenn die Tage irgendwann wieder kürzer werden, kann sich der | |
Körper dann am Exquisit wärmen – einer dicken, laubgoldenen Flüssigkeit | |
aller Aromen der Saison. | |
Zutaten: | |
50 ml Bourbon (durchzogen mit Steinpilzen) | |
15 ml Walnusslikör | |
5 ml Mandelmilchlikör | |
37,5 ml Kürbispüree | |
30 ml Zitronensaft | |
Bei diesem Rezept kommt es auf die richtige Menge (getrockneter) Steinpilze | |
an, mit der man seinen Bourbon gern mag. Fleischig-würzig soll der sein, | |
das Kürbispüree cremig und süßlich. Wer mag, kann auch Mandelmilch und | |
Walnusslikör selbst herstellen – käuflich sind sie allerdings leichter zu | |
haben. Alle Zutaten werden geschüttelt und in einen Tumbler mit Eiswürfeln | |
gegeben. Die übrigen Whiskey-Pilze lassen sich später zu Chips verarbeiten | |
und dienen als Garnitur. Dieser Drink schmeckt nach allem, was Kindern | |
nicht schmeckt: herb, bitter, salzig-gemüsig. Fehlt bloß noch der | |
Blauschimmelkäse. | |
Bareksten Number 5 | |
Der folgende Cocktail ist dem Norwegischen Spirituosen-Produzenten Stig | |
Bareksten gewidmet – einer, der so ziemlich jedes norwegische Klischee | |
verkörpert: wilde Natur, dunkle Montur, und im Hintergrund immer das dunkle | |
Raunen einer Metal-Gitarre. In dem Bergener Sternerestaurant “Bare“ kocht | |
man nicht nur passend zu Region und Jahreszeit, sondern mixt auch passend | |
zum Essen. Wer also passt da besser zusammen, als ein Koch mit Hang zu | |
Speisen aus dem Fjord und ein Destillateur, der seine Gin-Kräuter am Wald- | |
und Wegesrand um die Ecke sammelt? Fünf Drinks wurden hier mit Barekstens | |
Spirituosen entworfen – zu denen der Koch Gerichte wie etwa Languste | |
serviert. Oder reicht er die Languste zum Bareksten Number 5? | |
Zutaten: | |
30 ml (Bareksten Botanical) Aquavit | |
60 ml Darjeeling Tea (heiß) | |
15 ml Agavensirup | |
5 ml Reisessig | |
Garnitur: Zitronenzeste | |
Ein anderer Aquavit tut es auch, wenngleich Barekstens Sortiment | |
hierzulande gut verfügbar ist. Die Zutaten werden vermengt und in ein | |
warmes Glas oder einen Becher gefüllt – voilà: ein Sternecocktail, so | |
einfach wie ein Fischbrötchen. Der Witz an diesem Drink ist, dass er noch | |
besser schmeckt, wenn er mit einer Pilzreduktion zur Languste serviert | |
wird. Er lässt sich leicht variieren und geht ebenso gut mit Pu-errh Tee | |
oder Orangenzeste. Hauptsache, die bissfeste Beilage kommt aus dem Meer: | |
Skandinavisches Sushi im Teebecher. | |
28 Mar 2023 | |
## AUTOREN | |
Juliane Reichert | |
## TAGS | |
Genuss | |
Cocktail | |
Kolumne Die Zutat | |
Genuss | |
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