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# taz.de -- Ramba Zamba Theater: Der Traum vom weißen Kleid
> Die Ex-Intendantin des Ramba Zamba Theaters in Berlin kommt als
> Regisseurin zurück. Und bringt eine Tragödie mit, die nicht gut gealtert
> ist.
Bild: „Doña Rosita“ mit Nele Winkler im Ramba Zamba Theater in Berlin
Gisela Höhne wurde vermisst. Die Mitbegründerin des Ramba Zamba Theaters in
Berlin hat nach sechsjähriger Inszenierungspause ein neues Stück auf die
Bühne der Spielstätte für Menschen mit und ohne Behinderung gebracht, und
alle sind sie gekommen. Der langjährige Intendant des Berliner Ensembles,
Claus Peymann, der Schauspieler August Diehl und die Schauspielerin Angela
Winkler, von der gleich zwei erwachsene Kinder in „Doña Rosita bleibt ledig
oder Die Sprache der Blumen“ mitwirken.
Sohn Tammo Winkler hat das Bühnenbild entworfen und Tochter Nele Winkler,
seit etlichen Jahren im Ensemble, spielt die Hauptrolle. Nele Winklers jung
gebliebene Art sei es auch gewesen, die [1][die ehemalige Intendantin des
Ramba Zambas] und Regisseurin Gisela Höhne zur Stückauswahl inspiriert
habe, steht im Programmheft.
Ein kubistisches Gebäude befindet sich auf der Bühne, der Treppenaufgang
ist mit Vasen voller kleiner Rosensträuße gesäumt. Auf die
Milchglasscheiben des Gewächshauses werden im Verlauf des
anderthalbstündigen Abends die verschiedensten Blumenarten projiziert.
Überhaupt stehen hier viele Pflanzen: riesige Lilien vor der kleinen
Livekapelle, die die Aufführung mit spanischer Gitarrenmusik begleitet,
außerdem kunstvolle Papierblumen in großen Metalleimern. Filme wie „Virgin
Suicides“ von Sofia Coppola oder „Call Me By Your Name“ von Luca Guadagni…
kommen einem in den Sinn. Es ist genau die Mischung aus Schlichtheit und
floralen Akzenten, die das Ganze nicht zu einer geschmacklosen Soap-Opera
werden lässt.
Das Stück, das der spanische Dramatiker Federico García Lorca 1935
veröffentlicht hat, dürfte den wenigsten bekannt sein. Wie [2][in seiner
häufiger gespielten Tragödie „Yerma“] geht es auch in „Doña Rosita“ …
Stellung der Frau in der spanischen Gesellschaft vor dem Bürgerkrieg.
Konkret um das Teenager-Mädchen Rosita, das sich unsterblich in Juan
verliebt hat und auch schon mit ihm verlobt ist. Nun ist aber das Problem,
dass der von einem Tag auf den anderen nach Südamerika beordert wird. Doch
statt sich neu zu verlieben, wartet Rosita darauf, dass er zurückkommt und
sie heiratet. Darüber wird sie alt und grau und verbittert dabei.
## Externe und internalisierte Misogynie
Gisela Höhne hat sich entschieden, Lorcas Theaterstück aus einem ähnlichen
Blickwinkel zu erzählen, wie es ursprünglich konzipiert worden ist. Und so
sieht man Rosita gleich zu Beginn im Fenster ihres Jugendzimmers sitzen und
sehnsuchtsvoll auf ein Brautkleid blicken. Es symbolisiert einen Traum, den
ja bis heute viele junge Frauen hegen, wenn man sich die boomende
Hochzeitsbranche einmal anguckt. Doch das Kleid wird von einem Mann mit
Stierkopf betatscht. So viel zu der etwas simplen Symbolik des Abends, die
von Lorca selbst und seinen andauernden Blumen-Frauen-Vergleichen
inspiriert zu sein scheint.
Die Frauen in der Aufführung sind aufopferungsvolle Tanten und
Haushälterinnen, die den Laden zusammenhalten, während die Männer in See
stechen oder über seltene Rosensorten mansplainen. Die Mädchen kichernde
Teenagerinnen, die um den Wert ihrer jugendlichen Schönheit wissen und auf
die älteren und kinderlosen Frauen herabblicken. Es ist ein Tableau der
externen und internalisierten Misogynie, das höchst abschreckend wirkt.
Die männlichen Figuren halten sich oft im Schatten verborgen, und doch
dreht sich alles nur um sie. Würde man den Bechdel-Test für
Geschlechterklischees auf dieses Stück anwenden, es würde durchfallen.
Gleichzeitig gibt es immer wieder lustige und poetische Momente, die einen
das diskurslastige Hier und Jetzt kurz vergessen lassen: Der fortwährende
Schlagabtausch zwischen Tante und Haushälterin etwa oder die zuckersüße
Szene, in der Rosita Juan kleine Zettel mit Liebesschwüren aus dem Fenster
wirft; Hashtag „GuiltyFeminist“.
Höhne gelingt es, mit wenigen Theatermitteln viel zu erzählen und ihren
Darsteller:innen genügend Raum zu lassen, um die Figuren mit eigenen
Ideen auszufüllen. Am wenigsten überzeugend ist der Gast des Abends, die
Tatort-Schauspielerin Margarita Broich, bei der manche Reaktion etwas
übertrieben erscheint. Nele Winkler stattet ihre Rosita mit viel
Mädchenenergie und der nötigen Komplexität aus: Sie beginnt die kitschigen
Gedichte oft mit zarter Stimme und beendet sie mit einem scharfen
Zisch-Laut, der die ansonsten dringend vermisste Aggression gegen das
aufoktroyierte Frauenbild durchschimmern lässt.
Und während man noch darüber nachdenkt, wie sehr einen diese Reproduktion
weiblicher Opfergeschichten nervt, zieht Rosita das Hochzeitskleid einfach
ohne Mann an. Kurz denkt man: Wie cool, [3][jetzt heiratet sie sich selbst]
– dann fällt sie um.
16 Mar 2023
## LINKS
[1] /Saisonstart-am-Ramba-Zamba-Theater/!5448142
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[3] /Die-These/!5765843
## AUTOREN
Anna Fastabend
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Inklusion
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