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# taz.de -- Unternehmer über Menstruationsauszeit: „Es wird genutzt, nicht a…
> Der Zyklus des Mondes ähnelt dem der Periode. In Marius Baumgärtels
> Reinigungsfirma „Queere Haushaltshilfe“ können alle einen „Moon Day“
> nehmen.
Bild: Auch Himmelskörper haben ihre Tage: „Blutmond“ Ende 2022 über China
taz: Herr Baumgärtel, vor zwei Jahren haben Sie die „Moon Days“ in Ihrem
Unternehmen eingeführt. Sie sind damit dem Beispiel der Niederländerin
Kristel de Groot gefolgt. In ihrer Firma können sich [1][Frauen, die
Menstruationsbeschwerden haben], freinehmen. Wie kam das Konzept bei den
Mitarbeitenden an?
Marius Baumgärtel: Es gab zu der Zeit keinen Betrieb in Deutschland, der
das gemacht hat. Als ich die Idee bei uns vorgestellt habe, war das Team
erst mal skeptisch. Da ich aber gerne neue Dinge teste, habe ich
vorgeschlagen, das Konzept bis zum Jahresende auszuprobieren. Und
tatsächlich wurde es sehr gut angenommen und steht jetzt auch offiziell in
unseren Arbeitsverträgen.
Wieso der Begriff Moon Days?
Der Mond hat einen ähnlichen Zyklus wie die Periode, daher passt das gut.
Und es ist wichtig, dass man in der Wortwahl betont, dass es nicht um
„Menstruationsurlaub“ geht. Urlaub bedeutet, sich von der Arbeit zu
erholen. Wer einen Moon Day nimmt, der erholt sich von Schmerzen.
Wieso ist Ihnen das Thema so wichtig?
Ich kann bei Menstruation nicht aus eigener Erfahrung sprechen. Aber ich
hatte Menschen hier im Büro, die trotz starker Schmerzen zur Arbeit
gekommen sind. Und das wollte ich nicht mehr mit ansehen. Niemand sollte
sich für die Menstruation schämen müssen und denken, es sei so Not am Mann,
dass Frau sich zur Arbeit quälen muss. Wir haben auch Wärmflaschen im Büro
eingeführt. Tampons stehen in allen Größen im Badezimmer, auf Kosten der
Firma. Ich will das Thema sichtbar machen.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besagt, dass Beschäftigte
wegen ihres Geschlechts nicht benachteiligt werden dürfen. Stellen die
„Moon Days“ nicht einen Nachteil für Männer dar?
Ob jemand jetzt wegen Regelschmerzen oder wegen Hodenschmerzen zu Hause
bleibt, ist mir egal. Bei uns braucht man grundsätzlich erst ab dem zweiten
Krankheitstag ein Attest. Der Fairness halber basieren Moon Days und
Krankmeldungen auf derselben rechtlichen Grundlage, das Wording ist aber
ein anderes. Es soll verdeutlichen: Es ist okay, wenn du zu Hause bleibst,
weil du aufgrund deiner Menstruation Schmerzen hast. Mir ist wichtig, dass
meine Mitarbeitenden offen und ehrlich kommunizieren können und nicht
fürchten müssen, verurteilt zu werden.
Betont das nicht Unterschiede zwischen den Geschlechtern?
Wir haben alle Phasen, in denen wir besonders leistungsfähig oder weniger
leistungsfähig sind. Ich finde, das Sichtbarmachen von Unterschieden ist
kein Zeichen von Schwäche, es ist ein Zeichen von gegenseitigem Respekt.
Wie hat Ihr Umfeld auf die Idee reagiert?
Meine Freunde und Familie hatten Sorge. Es ist schon eigenartig. Ich habe
keinen Applaus bekommen, stattdessen Kommentare, ich würde zu viel geben
und dass ich mich ausnutzen ließe. Da sieht man schon die Grundeinstellung
der Deutschen, sie sehen überall Feinde (lacht). Wir haben ein sehr
ungesundes Verhältnis zu unserer Arbeit und unserem Körper in diesem Land.
Aber es geht hier um Reinigungskräfte, um körperlich anstrengende Arbeit.
Sie haben verdient, dass es ihnen gutgeht. Bei uns bekommt man auch am
Geburtstag bezahlt frei. Man geht auch nicht nur arbeiten fürs Geld, man
darf auch ein bisschen erfüllt sein. Auch wenn man nur, in
Anführungszeichen, Putze ist.
Wie wird das Angebot in Ihrem Betrieb genutzt?
Die Moon Days werden genutzt – aber eben nicht ausgenutzt. Die Mehrheit
unserer Mitarbeitenden wird entweder weiblich gelesen oder sind Menschen,
die menstruieren können. Menschen, die Menstruationsschmerzen haben, müssen
nicht immer Frauen sein. Wir haben auch Transpersonen im Betrieb, also kann
es auch vorkommen, dass ein Transmann einen Moon Day nimmt. Manche nutzen
das Angebot jeden Monat, andere nur ab und zu. Jüngere Mitarbeitende nutzen
die Moon Days insgesamt häufiger. Zögerlich sind am Anfang aber alle,
einige trauen sich immer noch nicht. Ich denke, das hat viel mit Erziehung
und Gewohnheit zu tun. Viele haben verinnerlicht, dass man auch mit
Schmerzen zur Arbeit geht – das macht man eben so.
Spanien hat als [2][erstes Land in Europa Menstruationsurlaub sogar im
Gesetz festgeschrieben]. Können Sie sich vorstellen, dass das auch in
Deutschland durchgesetzt wird?
Dazu muss man wissen, dass Spanien ein ganz anderes Sozialsystem hat. In
Deutschland gibt es ab dem ersten Krankheitstag eine Lohnfortzahlung, in
Spanien ist das nicht so. Wir haben Spanier im Team, die waren völlig
geschockt, dass sie krank sein dürfen und trotzdem weiter Gehalt bekommen.
Eine gesetzliche Änderung ist in Deutschland daher nicht notwendig. Ich
würde mir aber wünschen, dass sich mehr Unternehmen trauen, das Konzept
umzusetzen. Die Rolle der Frau in der Arbeitswelt muss mehr in den Fokus
rücken. Nach wie vor werden Frauen schlechter bezahlt – für teilweise
bessere Leistungen und bessere Qualifizierung. Menstruationsschmerzen
dürfen auf keinen Fall ein Hindernis in der Arbeitswelt darstellen.
6 Mar 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Lea Fiehler
## TAGS
Menstruationsbeschwerden
Arbeitsrecht
Menstruation
Der Hausbesuch
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