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# taz.de -- Ein paar Stunden die Welt aussperren: Vom Glück der Gastgeberin
> Planen, vorbereiten und den Erwartungen gerecht werden. Als Gastgeberin
> gibt es viele Möglichkeiten zum Fehlermachen. Aber auch viele zum
> Entspannen.
Bild: Der kleine Kreis in der Küche statt der großen, verknoteten Kreise des …
Dass ich keine besonders gute Gastgeberin bin, habe ich immer gesagt, bis
ich es geglaubt habe. Besonders gute Gastgeberinnen folgen keinem exakten
Plan, sie sind intuitiv, flexibel, kümmern sich um alles und sehen dabei
aus, als kümmerte sie nichts.
Bei meiner Oma hing diese Leichtigkeit als gesticktes Mantra an der
Küchentür: Fünf sind geladen, zehn sind gekommen, gieß Wasser zur Suppe,
heiß alle willkommen. Ich hingegen habe noch nie für mehr als drei gekocht
und besteige schon Wochen vorher ein High-Speed-Gedankenkarussell. Reicht
ein Kilo Mehl? Warum habe ich nicht an Vorspeisen gedacht? Ist 19.30 Uhr
besser als 19 Uhr? Brauchen wir Sitzkissen? Und war ich schon immer so
spießig?
Dabei ist es eigentlich einfach. Einladen, kochen und werden lassen. Die
Bedingungen sind gut: Es gibt zwei riesige Töpfe und zehn
Sitzgelegenheiten. Der Moment ist günstig: Neujahr ist nicht lange her und
alle haben Zeit. Und das Bedürfnis ist groß: Im Februar erstarren unsere
Gesichter in der Kälte, aber beim Kochen öffnet Wasserdampf die Poren.
Meine Anspannung wird kleiner, weil das alte Bettlaken auf den Tisch passt
und ein Fleck darauf mich an ein sehr gutes Silvester erinnert. Und weil
die Blumen gut aussehen neben den mandarinenfarbenen Kerzen. Weil der Wein
schmeckt, weil der Teig ruht, weil hier etwas für den Moment viel richtiger
ist, als es im besten Restaurant je sein könnte.
## Wenn sich die Stimmen mischen
Wir schneiden Knoblauch, Ingwer und grünes Blattgemüse. Früher habe ich
[1][den Tanten zugesehen, wie sie alles ganz fein hackten], bevor es unter
das Fleisch gehoben wurde. Menschen finden großes Glück darin,
liebgewonnene Gewohnheiten an ihre Kinder oder die nächste Generation
weiterzugeben.
Aber Wichtiges kann man auch in Freundschaften vererben, nicht nur denen,
die nachkommen, sondern auch den Gleichzeitigen. Leuten, mit denen man die
Gegenwart teilt. Wichtiges – das heißt heute nur, den Teig nicht zu dick
auszurollen und dann die Füllung sicher einzuschließen.
Ich öffne die Tür, umarme, stelle vor, stoße an und bringe das Wasser zum
Kochen. Du sagst: So eine schöne Idee. Einladen, kochen, essen, reden,
zusammen sein. Ich denke, dass du recht hast. Einen kleinen Kreis in der
Küche bilden, während die großen Kreise auf der Welt so verknotet sind.
Teller herumgeben, Gläser nachfüllen, sich den Gaumen verbrennen. Mitreden,
zuhören und dann in Gedanken abschweifen, weil das immer passiert, wenn man
zu lange im Kerzenlicht sitzt. Menschen versammeln, die man mag. Der
Moment, wenn sich bekannte Stimmen zum ersten Mal mischen. Das
Weltgeschehen für ein paar Stunden aussperren und neue
Bettlakentischdeckenflecken machen.
Beim Abwasch fällt mir auf, dass in mir lange nicht mehr so wenig Karussell
gewesen ist. Dass ich [2][eine Gastgeberin] geworden bin, vielleicht noch
keine besonders gute. Aber eine, die das unbedingt wieder tun will.
1 Mar 2023
## LINKS
[1] /Chinesische-Dumplings/!5637339
[2] /Gastgeberin-bei-Couchsurfing/!5834897
## AUTOREN
Lin Hierse
## TAGS
Kolumne Poetical Correctness
Essen
Kochen
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FDP
Schwerpunkt Rassismus
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