| # taz.de -- Berlinwahl, Pazifisten und Politmänner: So geht dysfunktional | |
| > Die Berliner CDU verhandelt mit SPD und Grünen, Sarah Wagenknecht und | |
| > Alice Schwarzer schreiben ein Manifest. Und was läuft so bei der | |
| > Berlinale? | |
| Bild: Reste eines CDU-Wahlplakats in Berlin | |
| taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? | |
| Friedrich Küppersbusch: Viel Kritik an Vermittlungsinitiativen von China, | |
| Brasilien, Türkei. | |
| Und was wird besser in dieser? | |
| Vielleicht versucht’s der Mars. | |
| [1][Nach der Berlinwahl ist vor den Sondierungsgesprächen.] Die CDU fühlt | |
| einen Regierungsauftrag und lädt SPD und Grüne zu Verhandlungen ein. Was | |
| wird dabei rauskommen? | |
| Schwere Sachbeschädigung. Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün würden die | |
| Koalitionsaussagen von vor der Wahl demolieren; Rot-Grün-Rot den | |
| offenkundigen Wunsch nach Veränderung. Würde Franziska Giffey | |
| weiterregieren, verhöhnte sie das desaströse SPD-Ergebnis. [2][Tut sie’s | |
| nicht], steht R2G mit gelogener Spitzenkandidatur da. Völker der Welt, haut | |
| auf diese Stadt: Ihr trefft immer die Richtigen. Ohne Beule am Kotflügel | |
| kommt aus der Nummer gar keiner mehr raus. Setzt Kai Wegner seinen | |
| Regierungsanspruch durch, applaudiert huldvoll die AfD in Sachsen. Da haben | |
| die Wählenden der Stadt doch mal gezeigt, wie dysfunktional geht. | |
| Am mythenverhangenen Kottbusser Tor in Kreuzberg [3][eröffnet eine | |
| Polizeiwache], glücklich wirkt niemand damit. Der Kiez hat keine Lust auf | |
| Cops, nur wenige Cops hatten Lust auf den Kiez. Wie sicher fühlen Sie sich | |
| am „Kotti“? | |
| Bei meinem Abi-Ausflug rauschte unser Touribus mit Ansage über den | |
| Kottbusser-Tor-Platz, damit wir Provinzkinder uns auch mal gruseln können. | |
| 1980. Das ist Berliner Tempo. Wenige Plätze in Deutschland eignen sich | |
| dazu, eine neue Polizeiwache zum Politikum gären zu lassen. Einzäunen und | |
| Eintrittskarten verkaufen wäre eine Alternative. | |
| Innerhalb eines Monats treten [4][Jacinda Ardern] in Neuseeland und | |
| [5][Nicola Sturgeon in Schottland] als Premierministerinnen zurück. Wie | |
| groß ist dieser Verlust von Frauen in Führungspositionen? | |
| Heftig. Gute Politikerinnen und Politiker – so wünscht man – mögen mit dem | |
| Menschen, den sie bewohnen, im Gespräch bleiben. Das scheinen Ardern, | |
| Sturgeon, auch Merkel zu erfüllen: einfach mal merken, wann es reicht. | |
| Männer regieren gern durch bis in ein Stadium, in dem jedermann sieht: Da | |
| ist keiner mehr zu Hause. Das mag mit verbrauchten Geschlechterrollen zu | |
| tun haben: Tapferkeit, Kampfesmut, Ehrgeiz. Und wäre im Grunde also | |
| biologisch abbaubar. Dass es einen selbstbestimmten Abgang gibt, mag | |
| Einladung sein, selbstbestimmt einzusteigen. | |
| An sieben deutschen Flughäfen wurde am Freitag gestreikt, die Landebahnen | |
| blieben leer. Sind Flugbeamte am Ende die effektiveren | |
| Klimaaktivist*innen? | |
| Knapp hinter der Coronapolitik, die der Videokonferenz zum Durchbruch | |
| verhalf. Auch der Dortmunder Flughafen wurde bestreikt, viele erfuhren so | |
| von seiner Existenz. Alle 19 Flüge fielen aus, was die Bonusfrage aufwirft: | |
| Haben wir wirklich für 19 Flüge am Tag einen Flughafen? Danke, Verdi. | |
| Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer v[6][eröffentlichten das Manifest | |
| des Friedens]. Nächste Woche wird demonstriert, Nazis sind auch willkommen, | |
| solange sie „ehrlichen Herzens für Frieden und für Verhandlungen“ | |
| eintreten. Ist das Pazifismus, Querfront oder einfach neues Deutschland? | |
| Das ist ein interessanter Aspekt – wie die Frage, ob genug Dixi-Klos | |
| bereitstehen werden oder mit Regen zu rechnen ist. Schwarzers Lager hat | |
| aufgerüstet, von Reinhard Mey über Günter Verheugen und Peter Gauweiler bis | |
| Martin Sonneborn unterzeichnen erfrischend irrlichternde wie | |
| [7][erstaunlich integre Persönlichkeiten]. Mit jedem wohlklingenden Namen | |
| wird es schwieriger, die „Verhandler“ zu marginalisieren oder geradeaus | |
| rufmörderisch zu verkroneschmalzen. Auf der anderen Seite wird schon | |
| propagandistischer Volkssturm an die Front gerollt: Broder, Steingart, | |
| Davies erledigen das schmutzige Geschäft, etwa Jürgen Habermas’ Text als | |
| „Schnodder“, die beiden Golden Girls als Putins Deppen abzusauen und | |
| jedenfalls immer direkt ad personam zu erbrechen – was Habermas als | |
| überschüssigen Beweis eines „bellizistischen Tenors einer geballten | |
| veröffentlichten Meinung“ nehmen könnte. Aus [8][der höhnenden Verachtung] | |
| der Appellanten dröhnt Arroganz, die an sich selbst zu Fall kommt. Wie | |
| wäre es mal mit Argumenten? Man kann zum Beispiel auch die taz beschreiben, | |
| indem man aus ihren entglittensten Leserbriefen zitiert. Irgendein Nazi | |
| wird sich schon finden. | |
| Endlich wieder [9][Berlinale], endlich wieder roter Teppich in Berlin. | |
| Gehen Sie noch ins Kino, oder gibt es eher Netflix & Chill? | |
| Ich binge gern in guter Gesellschaft zwei, drei Folgen hintereinanderweg, | |
| entrolle dazu eine Großbildleinwand und erwäge die Anschaffung eines | |
| Duftbäumchens „vergorenes Popcorn“. Dann hab ich ultimatives | |
| Multiplex-Feeling. Für sehr entlegene seltene Filme gehe ich ins Kino; | |
| wenn’s langweilig wird, kann ich im Kopf die Überlebenschance des Kinos | |
| berechnen. | |
| Und was machen die Borussen? | |
| Stauen bis zu 390.000 Junkies in der Warteschlange für das „Sondertrikot | |
| Kohle & Stahl“. Ist ein bisschen albern, ja, aber RB Leipzig müsste dagegen | |
| „Dose & Geld“ auflegen, da ist das BVB-Schnäppchen wieder sehr in Ordnung. | |
| Fragen: Anton Kämpf | |
| 20 Feb 2023 | |
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