# taz.de -- Warnstreik bei der Post: Die Post liegt lahm | |
> Zu Wochenbeginn streiken die Postbeschäftigten erneut. Auf der | |
> Streikkundgebung schlagen Verdi-Funktionäre kämpferische Töne an. | |
Bild: „Wir sind es wert“: Postbeschäftigte auf der Berliner Schillingbrüc… | |
BERLIN taz | Die Schillingbrücke im Berliner Bezirk Mitte gleicht an diesem | |
Montagmorgen einem Meer aus gelben Westen der Gewerkschaft Verdi. „Zeigt | |
mal dem Vorstand in Bonn, was ihr von ihm haltet!“, ruft ein Redner auf dem | |
Podium vor dem Gewerkschaftshaus – da bricht die Menge in ein Gepfeife aus, | |
das so laut ist, dass sich einige Beschäftigte die Ohren zuhalten müssen. | |
In der Mitte der Kundgebung zünden einige Streikende gelbe Rauchtöpfe. Laut | |
Verdi haben sich etwa 2.000 Beschäftigte an der Kundgebung beteiligt. | |
Die Stimmung ist gut an diesem weiteren Warnstreiktag der | |
Post-Beschäftigten der Paket-, Brief- und Verbundszustellung. In der | |
Eiseskälte tanzen viele Streikende, um sich warm zu halten. Immer wieder | |
wird gejohlt und gepfiffen, auch wenn neue Gruppen von Streikenden | |
eintreffen. Insgesamt 20 Busse, unter anderem aus Thüringen und | |
Sachsen-Anhalt, so sagt es ein Redner auf dem Podium, kämen am Montag nach | |
Berlin. Weitere Streikkundgebungen fanden etwa in Rostock und München | |
statt. Für Dienstag sind Kundgebungen in weiteren sieben Städten geplant. | |
Bereits in den vergangenen Wochen hatten die Postbeschäftigten mehrmals | |
ihre Arbeit niedergelegt. In der zweiten Streikrunde am 27. Januar hatten | |
sich laut Gewerkschaft bis zu 40.000 der insgesamt 160.000 | |
Postbeschäftigten beteiligt. „Jetzt knacken wir den Rekord!“, rief | |
Verdi-Chef Frank Werneke am Montag auf der Streikkundgebung ins Mikrofon. | |
„Wohlstandsverluste können sich vielleicht die Reichen leisten, aber ihr | |
könnt euch das nicht leisten“, so Wernecke weiter. | |
[1][Verdi fordert in der laufenden Tarifrunde 15 Prozent mehr Lohn und 200 | |
Euro mehr für die Auszubildenden und Dual-Studierenden.] „Wir wollen die | |
Reallöhne sichern!“, so Verdi-Chef Werneke. Bei 8 Prozent Inflation im | |
vergangenen und 6 bis 7 Prozent Inflation in diesem Jahr seien die | |
Forderungen der Gewerkschaft alles andere als überzogen. „Wer das glaubt, | |
kann schlicht nicht rechnen, aber wir können rechnen“, rief Werneke unter | |
dem Applaus der Beschäftigten. | |
## Post macht Rekordgewinne | |
Die Post sieht das – wie zu erwarten – anders. Die ersten beiden | |
Verhandlungsrunden hat der seit seiner Privatisierung im Jahr 1994 als | |
Aktiengesellschaft organisierte Konzern verstreichen lassen, ohne ein | |
eigenes Angebot vorzulegen. Der taz sagte Pressesprecher Dirk Klasen, die | |
Verdi-Forderungen seien „nicht finanzierbar“. Der „übergroße Teil“ des | |
Konzerngewinns werde im Ausland erwirtschaftet. Die Forderungen der | |
Gewerkschaft würden rund 1 Milliarde Euro kosten – der erwartete Gewinn für | |
Deutschland betrage für 2022 aber lediglich 1,3 Milliarden Euro vor Steuern | |
und Zinsen. | |
Insgesamt hat die Post allerdings [2][mit einem prognostizierten Gewinn von | |
8,4 Milliarden Euro] im vergangenen Jahr „das beste Ergebnis aller Zeiten“ | |
erzielt, wie es der Vorstandsvorsitzende Frank Appel ausdrückte. Die | |
Betriebsrätin Isa Senff kann deshalb nur mit der Nase rümpfen, wenn sie die | |
Ausflüchte des Konzerns hört. „Die Damen und Herren im Vorstand vergessen | |
gerne, dass das Geld für die Expansion in Deutschland durch die | |
Beschäftigten erwirtschaftet wurde“, sagte sie der taz. „Das sind die | |
Beschäftigten, die Tag für Tag das Gesicht der Post sind, die jeden Tag | |
schaffen gehen“, sagt sie – und wird dabei hörbar sauer. | |
„Es geht bei den Beschäftigten nicht darum, wie oft sie sich Kaviar leisten | |
oder wie oft sie Champagner schlürfen“, so Senff weiter. Es gehe um ganz | |
grundsätzliche Dinge. „Komme ich überhaupt noch auf Arbeit? Kann ich in | |
Urlaub fahren? Kann ich meinem Kind noch was für Geburtstag kaufen?“ Auf | |
der Streikkundgebung sagte Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis, 90 | |
Prozent aller Tarifbeschäftigten der Post würden derzeit zwischen 2.108 und | |
3.090 Euro brutto verdienen. Da sei es nicht hinnehmbar, dass die Post sich | |
weigere, die Inflation auszugleichen. | |
Der Druck auf die Post – und auf die Gewerkschaft – ist deshalb groß. „N… | |
der ganzen Pandemie haben wir nur ein schnödes Dankeschön bekommen“, | |
erinnert sich eine Beschäftigte auf der Kundgebung. Das mache man einfach | |
nicht mit seinen Angestellten. Ihr Kollege pflichtet ihr bei. „Die | |
erwirtschaften Milliarden und wir bekommen nicht mal ein paar Krümel ab“, | |
sagt er frustriert. „Ich habe manchmal so kein Bock mehr auf diese | |
Gesellschaft“. | |
6 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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