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# taz.de -- Neues Album von Tolouse Low Trax: Langsamer fließen an der Seine
> Tolouse Low Trax ist von Düsseldorf nach Paris umgezogen. Der Musik auf
> dem neuen Album „Leave me Alone“ ist sein Ortswechsel sehr gut bekommen.
Bild: L'art pour L'art: Detlev Weinrich lebt nun in Paris
Wer über die randständige Pop- und Dancefloorszene von Düsseldorf
gesprochen hat, kam in den letzten zwei Jahrzehnten nicht an Detlef
Weinrich vorbei. Wie bei einem schwarzen Loch, das unentrinnbar alles
ansaugt. Je näher man dem 56-jährigen Künstler als Mitglied der Band
Kreidler kam, desto tiefer geriet man in eine umtriebige Musikszene, die
sich bis heute um den auch international bekannten Düsseldorfer Club „Salon
des Amateurs“ tummelt
[1][Erst vor Kurzem haben wir an dieser Stelle von drei Akteur*innen der
NRW-Landeshauptstadt berichtet;] von Viktoria Wehrmeister alias Decha,
AIRCHINA (Nikolai Szymanski) und den Akteuren um das Label Candomblé. Und
wie soll es anders sein: Natürlich waren auch sie auf die eine oder andere
Weise ebenfalls beeinflusst von Weinrich und seinem DJ- und
Produzenten-Alias Tolouse Low Trax.
Derweil wohnt der gebürtige Badener schon seit einiger Zeit nicht mehr in
Düsseldorf, im Volksmund auch Klein-Paris genannt. Weinrich hat es in das
Original, nach Groß-Paris sozusagen, verschlagen. An der Seine hat er seine
Zelte aufgeschlagen und sich nach mehr als 15 Jahren auch von der
Organisation des Salons – wo er Booking, Plattenauflegen, Gästebetreuung
und noch so viel mehr verantwortete – frei gemacht.
## Etabliertes Trademark
„Leave Me Alone“, das mittlerweile fünfte Album als Tolouse Low Trax, ist
gleichzeitig Weinrichs erstes Werk, dessen Musik komplett in der
französischen Hauptstadt entstanden ist. Und ja, das hört man der Musik
auch an. Während seiner Düsseldorfer Jahre hatte sich das Alias als
Trademark etabliert: f[2][ür einen Sound, der langsam und mit intensiven
Dubnoten durch Post-Industrial-Klanglandschaften kroch.]
Wie in dickflüssig-klebrigen Honig getaucht, stampften und stapften seine
Tracks (bestes Beispiel ist der 2016er Hit „Rushing Into Waters“) in
hochviskosen 108 Schlägen pro Minute. Manchmal unterschritten sie auch
lässig die 100-BpM-Schranke und fungierten dann als Molasse für den
Dancefloor.
In Berlin, Vilnius, Barcelona, Tel Aviv und eben Düsseldorf fingen
daraufhin Apostel an, sich ähnlich wie Weinrich in Slow-Motion zu bewegen.
Auch auf „Leave Me Alone“ geht es häufig langsamer zu Werke, [3][aber die
Texturen haben sich doch hörbar geändert].
## Scharfkantige Percussion
Wo vorher dichte Soundwände den Ton angaben und man eine gewisse Prägung
durch Industrial-Größen wie das britische Duo Coil nicht leugnen konnte,
begibt sich die Musik des neuen Albums eher in die späten neunziger Jahre.
Durchaus beim englischen Elektroniksound von Labels wie Warp Anschluss
suchend, zirpt es auch bei Tolouse Low Trax in scharfkantigen
Percussion-Landschaften wie einst bei [4][Autechre] und Konsorten.
Ganz ohne Fingerabdruck kommen aber auch die 13 Tracks nicht aus:
Faszinierende und fesselnde Songtexte des in Brooklyn ansässigen
Produzenten Chris Hontos alias Beat Detectives, vom Pariser Poeten und
multidisziplinären Künstler Fran und der italienischen Musikerin Eva Geist
(bürgerlich Andrea Noce) ziehen so tief runter wie Sirenen eine
Schiffsmannschaft inklusive Kapitän. Die neue Beschaffenheit der Tracks
äußert sich derweil gleich in einem eigenen Genre, das man hier als
Post-HipHop-Dub-Jazzfunk bezeichnen muss.
Damit schließt Weinrich gleichwohl an sprödere und experimentellere
Fingerübungen solch legendärer Sample-Jonglierer wie DJ Shadow an, die in
den Neunzigern den Instrumental-HipHop revolutionierten. Nur, dass wir uns
eben im Jahr 2023 befinden und Tolouse Low Trax kein Epigonentum feiert,
sondern vielmehr eine eigenwillige Spielart dessen gefunden hat: Sie ist
verstörend und groovy zugleich.
8 Feb 2023
## LINKS
[1] /Musikszene-in-Duesseldorf/!5908190
[2] /Album-Jumping-Dead-Leafs-von-Tolouse-Low-Trax/!5737578
[3] /Franzoesisch-Deutsche-Experimentalmusik/!5752017
[4] /Neues-Album-von-Elektronikduo-Autechre/!5717710
## AUTOREN
Lars Fleischmann
## TAGS
Düsseldorf
Paris
Elektronik
Pop
Musik
Generalstreik
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