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# taz.de -- #MeToo in der Schweizer Medienbranche: Klima des Wegschauens
> Ein Sexismusskandal erschüttert das Schweizer „Tages-Anzeiger“-Magazin.
> Wird sich dadurch etwas an der Branchenkultur ändern?
Bild: Zeitungsproduktion des Tamedia Medienkonzerns in Zürich
Zürich taz | Tagi-Magi-Chefredakteur Finn Canonica habe oftmals über seinen
Penis gesprochen und über seine Kollegen gelästert. Wer ihn darauf
aufmerksam gemacht habe, den habe er fortan ignoriert oder gemobbt. So
berichteten vergangene Woche Medien über den neuen MeToo-Skandal.
Ausgelöst wurde der durch einen Beitrag der Journalistin Anuschka Roshani
im Spiegel. Die ehemalige Mitarbeiterin des Schweizer Magazins schildert
darin Erfahrungen mit Machtmissbrauch und Sexismus durch ihren Vorgesetzten
Canonica. Sie wirft ihrem ehemaligen Arbeitgeber „Verletzung der
Fürsorgepflicht aufgrund sexistischer Diskriminierung und Mobbings“ vor.
Das liebevoll Tagi-Magi genannte Magazin, das einmal wöchentlich dem
Tages-Anzeiger beiliegt, ist das renommierteste Magazin der Schweiz:
progressiv, linksliberal, die Autoren erhalten regelmäßig Preise. Obwohl
Roshani seit Jahren im Haus auf das Mobbing hingewiesen habe, sei nichts
geschehen. Kolleginnen hätten weggeschaut.
Das Magazin gehört der Tamedia AG, einem Unternehmen der börsennotierten TX
Group AG. Diese ist mit 1.800 Mitarbeitern und mehr als 20 Publikationen
der größte private Arbeitgeber in der kleinen Medienschweiz. [1][Vor zwei
Jahren veröffentlichten 78 Tamedia-Journalistinnen] einen Protestbrief,
indem sie auf das schlechte Betriebsklima hinwiesen. In den Redaktionen
würden Frauen ausgebremst, zurechtgewiesen und schlechter bezahlt als
Männer. 125 Männer solidarisierten sich mit den Autorinnen. Das Medienhaus
kündigte daraufhin an, die Sexismusvorwürfe untersuchen zu lassen.
Rutishauser sagte damals in der Sendung „Medientalk“ des SRF, es gebe
offenbar Leute, die sexistische Sprüche gemacht hätten. Das sei absolut
nicht tolerierbar.
## Finn Canonica reagiert mit Brief an Freunde
Dadurch ermutigt, informierte Roshani die Geschäftsleitung über Canonicas
Machenschaften. Eine externe Anwaltskanzlei wurde mit der Untersuchung des
Falls betreut. Roshani, die seit 2002 bei Tamedia angestellt war, wurde im
September 2022 laut eigener Aussage ohne Angaben von Gründen gekündigt.
Canonica hatte die Redaktion schon zuvor verlassen müssen. Es hieß, er
würde sich neuen Aufgaben widmen – verabschiedet wurde er im Juni 2022 mit
lobenden Worten für sein „feines Gespür“.
Nach Roshanis Spiegel-Artikel veröffentlichte Tamedia den
Untersuchungsbericht. Die meisten ihrer Vorwürfe seien nicht nachweisbar,
wird darin festgehalten. Am Sonntag veröffentlichte Recherchen von [2][SRF]
und [3][NZZ ] legen dar, dass Tamedia mindestens seit 2014 über das
Fehlverhalten in der Magazin-Redaktion informiert gewesen sein soll.
Quellen des SRF sprechen „von hartem Mobbing“, „Ausgrenzung“, „Willk�…
„sexualisiertem Verhalten“.
Der Beschuldigte Canonica wehrte sich Mitte vergangener Woche in einem
Brief. „Ich fühle mich maximal an den Pranger gestellt“, heißt es im
Schreiben, aus dem Medien zitieren. „Ich werde mit Hassmails überschüttet,
mit Harvey Weinstein verglichen (!), einem verurteilten
Mehrfachvergewaltiger.“ Seine Kinder würden sich kaum mehr auf die Straße
wagen. Teils seien die Vorwürfe Lügen, teils habe es sich tatsächlich um
unangebrachte Späße gehandelt. Auf den Vorwurf, gegenüber Praktikantinnen
übergriffig gewesen zu sein, geht er nicht ein.
## Erfahrungsberichte anderer Betroffener
Die Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri, Chefin der Medienplattform
elleXX, forderte nun andere dazu auf, in sozialen Netzwerken von ihren
Erfahrungen in den Redaktionen zu berichten. Laeri arbeitete von 2003 bis
2020 beim Schweizer Fernsehen, unter anderem moderierte sie die Sendung
„SRF Börse“. Sie selbst schrieb auf Instagram: „Redaktor versucht mich a…
junge Praktikantin zu küssen. Muss mich körperlich wehren. Er versucht es
genau gleich bei der nächsten Praktikantin. Er sitzt immer noch in
Leitungsfunktion bei SRF.“
Sie habe damals nichts gesagt, so Laeri. Der Sender hat nach ihrem Post
umgehend bei seiner ehemaligen Mitarbeiterin gemeldet und versprach
Aufklärung. Die Journalistin Anne-Sophie Keller twitterte: „Meine Zeit bei
der #Tamedia: Chef sieht Flecken auf dem Boden und fragt, ob einer meiner
Lover hier war. Mitglied der Chefredaktion nennt mich Schätzeli.“ Sie sei
damals 20 Jahre alt gewesen.
Anm. der Redaktion: Der Text wurde nachträglich geändert.
12 Feb 2023
## LINKS
[1] /MeToo-in-der-Schweiz/!5756803
[2] https://www.srf.ch/audio/medientalk/medientalk-sexismus-weitere-betroffene-…
[3] https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/hintergrund/im-tages-anzeiger-magazin…
## AUTOREN
Çiğdem Akyol
## TAGS
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Sexismus
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