| # taz.de -- #MeToo in der Schweiz: Gegen die Machomedia | |
| > Mitarbeiterinnen des Schweizer Medienhauses Tamedia protestieren gegen | |
| > Sexismus in den Redaktionen. Es ist nicht der erste Fall im Land. | |
| Bild: Redaktionsraum des „Tages-Anzeiger“ | |
| Eigentlich war das Schreiben als internes Dokument gedacht, doch dann | |
| kursierte es plötzlich in sozialen Netzwerken. In einem Brief vom 5. März | |
| wandten sich 78 Tamedia-Mitarbeiterinnen an die Chefredaktion und | |
| Geschäftsleitung. In diesem hielten sie fest, wie frauenfeindlich das | |
| Unternehmen aus ihrer Sicht sei. Die Rede ist von Einschüchterung und | |
| Sexismus. | |
| „Frauen werden ausgebremst, zurechtgewiesen oder eingeschüchtert“, | |
| kritisieren die Redakteurinnen. Sie müssten sich Sprüche wie „Du bist | |
| hübsch, Du bringst es sicher noch zu etwas“ anhören, steht in dem Dokument, | |
| das seit seiner Veröffentlichung hohe Wellen schlägt. | |
| Tamedia ist ein Subunternehmen der TX Group, des größten privaten Schweizer | |
| Medienhauses, zu dem auch der Tages-Anzeiger gehört. Die Zeitung gilt als | |
| linksliberal und progressiv, was wohl nicht vor struktureller | |
| Diskriminierung schützt. Die ohnehin schon männlich beherrschte | |
| Betriebskultur habe sich durch die Pandemie noch weiter verschärft, so die | |
| Journalistinnen. „Frauen sind oft Gegenstand, selten aber Teil einer | |
| Diskussion“, heißt es. Wegen des schlechten Betriebsklimas hätten in den | |
| vergangenen Jahren zahlreiche Kolleginnen das Unternehmen verlassen. | |
| Der Brief endet mit Forderungen, etwa nach Respekt und einer | |
| Diversitybeauftragten. Die Unterzeichnerinnen fordern bis zum 1. Mai | |
| konkrete Vorschläge für die Umsetzung. Unter dem Hashtag #Machomedia wurde | |
| auf Twitter zu Solidarität aufgerufen. Weitere Unterschriften wurden | |
| nachgereicht, mittlerweile haben rund 115 Frauen den Protestbrief | |
| unterzeichnet. | |
| ## Zeit für Verbindlichkeiten | |
| Wenige Tage später wurde ein zweites Schreiben veröffentlicht, in dem 125 | |
| Männer von Tamedia ihre Kolleginnen unterstützten. Pietro Supino, | |
| Verwaltungsratspräsident der TX-Group, Arthur Rutishauser, Chefredakteur, | |
| und Priska Amstutz, Co-Chefredakteurin des Tages-Anzeigers, zeigten sich | |
| überrascht und betroffen. Es sei Zeit für Verbindlichkeiten. | |
| Nun soll eine Projektgruppe Strategien erarbeiten, wie das Betriebsklima | |
| verbessert werden könne, zudem soll der Frauenanteil erhöht werden. | |
| Tamedia ist nicht das einzige Medienhaus, in dem Belästigung und | |
| Machtmissbrauch reklamiert werden. Im vergangenen Herbst wurden | |
| Sexismusfälle bei RTS, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk für das | |
| französischsprachige Publikum, bekannt. Vor allem der Fall Darius Rochebin | |
| sorgte für Aufsehen. | |
| Die Zeitung Le Temps veröffentlichte Recherchen, denen zufolge der | |
| prominente Moderator der RTS-„Tagesschau“ jahrelang Mitarbeiter und | |
| Mitarbeiterinnen belästigt haben soll. Zudem soll er sich auf | |
| Fake-Facebook-Profilen als junge Frau ausgegeben haben, um Kontakte zu | |
| teils minderjährigen Männern aufzunehmen. | |
| ## Weitere Fälle in der Branche | |
| Rochebin wurde von der RTS-Direktion abgemahnt. Von den Vorwürfen sexueller | |
| Belästigung der Kollegen habe die damalige Direktion aber nach eigener | |
| Aussage nichts gewusst. Auch weitere RTS-Kadermänner sollen gegenüber | |
| Kolleginnen übergriffig geworden sein. Die Fälle werden aktuell überprüft. | |
| Im Laufe der [1][#MeToo-Bewegung] wurde auch im Medienhaus Ringier ein Fall | |
| publik. Im Jahr 2017 berichtete der Tages-Anzeiger über Werner De Schepper. | |
| Der Co-Chefredakteur der Schweizer Illustrierten soll über Jahre hinweg | |
| Mitarbeiterinnen belästigt haben. „Chef der Zudringlichkeiten“ nannte ihn | |
| der Tages-Anzeiger damals. | |
| Die Recherchen basierten auf Aussagen zahlreicher Frauen, allerdings wurde | |
| keine Quelle namentlich genannt. Verbales und körperliches | |
| grenzüberschreitendes Verhalten werde im Unternehmen nicht toleriert, | |
| kommentierte Ringier damals. „Bei anonymen Anschuldigungen, die von dritter | |
| Seite an uns herangetragen werden, fehlt uns jedoch die Grundlage, | |
| Maßnahmen zu ergreifen“, hieß es aber auch. De Schepper ist immer noch | |
| Co-Chefredakteur des Blattes. | |
| 21 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schwerpunkt-metoo/!t5455381 | |
| ## AUTOREN | |
| Çiğdem Akyol | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt #metoo | |
| Schweiz | |
| Sexismus | |
| Medien | |
| GNS | |
| Schwerpunkt #metoo | |
| Schwerpunkt Zeitungskrise | |
| Schwerpunkt #metoo | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| #MeToo in der Schweizer Medienbranche: Klima des Wegschauens | |
| Ein Sexismusskandal erschüttert das Schweizer „Tages-Anzeiger“-Magazin. | |
| Wird sich dadurch etwas an der Branchenkultur ändern? | |
| Verfahren gegen „Bild“-Chef Reichelt: Viel größer als Julian | |
| Da kommt was auf den Springer-Verlag zu. Etwas, das die ganze Medienbranche | |
| betrifft. Mitarbeiter*innen lassen sich nicht mehr alles gefallen. | |
| Vorwürfe gegen Marilyn Manson: Was bekannt war | |
| Dem Rockstar Marilyn Manson werfen mehrere Frauen Vergewaltigung vor – | |
| sowie psychische Folter. Er bestreitet alles, doch es gibt Konsequenzen. |