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# taz.de -- Die Wahrheit: Kein Finish für den Supergaul
> Vor 40 Jahren starb das legendäre irische Pferd Shergar. Nicht nur durch
> seine Rennerfolge, sondern auch durch eine Entführung wurde es berühmt.
Der Gaul gibt einfach keine Ruhe. Obwohl er lange tot ist, wird in Irland
jedes Mal zu seinem Geburtstag, an den Jahrestagen seiner großen Siege
sowie zum Jubiläum der Zeugung seines ersten Sohnes an ihn erinnert – und
natürlich erst recht an seinem Todestag. Der war vermutlich vorigen
Donnerstag vor 40 Jahren.
Schließlich war Shergar kein gewöhnliches Pferd wie du und ich, er war ein
Ferrari auf vier Beinen. Sein größter Triumph war das Epson Derby, dass er
mit zehn Längen Vorsprung gewann. Das hatte seit 1780, als das Rennen zum
ersten Mal stattgefunden hatte, kein Pferd geschafft. Der zweitplatzierte
John Matthias auf Glint of Gold glaubte, er habe das Derby gewonnen, weil
Shergar außer Sichtweite war.
Shergars Jockey Walter Swinburn war damals erst 19 Jahre alt. Da Jockeys
magersüchtige Knirpse sind, hielt ihn der Eisverkäufer in Epson für ein
Kind und meinte väterlich: „Lass es dir schmecken, mein Kleiner.“ Der
Kleine gewann danach noch viele Rennen, fiel auch ein paar Mal vom Pferd,
aber er starb vor sechs Jahren, als er beim Zähneputzen aus dem
Badezimmerfenster stürzte.
Swinburn war 55, als er starb, das Pferd ist hingegen nur knapp fünf Jahre
alt geworden. Es ist keines natürlichen Todes gestorben. Die
Irisch-Republikanische Armee (IRA) hatte die dämliche Idee, Shergar zu
entführen und vom Aga Khan ein Lösegeld zu erpressen. Der hatte den Hengst
jedoch in eine Aktiengesellschaft verwandelt und in 40 Anteile à 250.000
Pfund aufgeteilt. Die Anteilseigner hatten nicht die Absicht zu zahlen,
denn die meisten waren gegen den Diebstahl versichert.
Der IRA war es gelungen, Shergar in ein Versteck zu schaffen, denn am
nächsten Tag fand in der Gegend ein großer Pferdemarkt statt, sodass es auf
den Straßen von Pferdetransportern nur so wimmelte. Aber ansonsten war die
Planung miserabel. Man hatte dem Aga Khan ein unscharfes Foto des Pferdes
mit einer aktuellen Tageszeitung geschickt, aber es war darauf nicht zu
erkennen, ob das Tier noch lebte.
Dutzende Wahrsagerinnen versuchten, Shergars Aufenthaltsort zu erahnen. Die
Polizei verließ sich lieber auf eine Fangschaltung, doch als der Anruf um
ein Uhr nachts kam, hatte der für die Schaltung zuständige Beamte bereits
um Mitternacht Feierabend gemacht. Die IRA merkte schnell, dass das
Pferdenapping ein Schlag ins Wasser war. Sie soll Shergar mit einer
Maschinengewehrsalve ins Jenseits befördert haben, behauptet jedenfalls ein
Polizeispitzel.
Vielleicht war ja der Ex-IRA-Mann und spätere Schriftsteller Brendan Behan
an der Schnapsidee schuld. Er hatte die Mitglieder der anglo-irischen
Oberschicht einmal verächtlich als „Protestanten zu Pferd“ bezeichnet.
Behan wäre übrigens vorigen Donnerstag, dem 40. Todestag von Shergar, 100
Jahre alt geworden, wenn er sich nicht 1964 zu Tode gesoffen hätte.
13 Feb 2023
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Irland
Pferde
IRA
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